Nach Todesdrohung: Handwerkskammer macht sich über Opfer lustig
»Ich bin ja kein ängstlicher Mensch, aber das geht nicht. Man traut sich echt nicht mehr nach draußen«, sagt Barbara Lau. Eine Woche ist es jetzt her, dass ein Schüler der Seemannsschule auf dem Priwall ihr drohte, sie »abzustechen«. Eine Email aus der Handwerkskammer lässt Zweifel daran aufkommen, dass dort solche Vorfälle wirklich ernst genommen werden.
Ärgern sich über die Reaktion aus der Handwerkskammer: Barbara und Sven Lau. Foto: TA
Den Anfang nahm die Geschichte mit einer Bierflasche, die eine Gruppe Jugendlicher am vergangenen Mittwoch (25.11.2020) gegen 22:00 Uhr auf die Mecklenburger Landstraße geworfen hatte. Barbara Lau war zu diesem Zeitpunkt mit ihrem Hund in der Mecklenburger Landstraße Gassi. Auch ihr Sohn war dabei. Sie habe die offenbar angetrunkenen jungen Männer aufgefordert, die Scherben aufzusammeln, erzählt Barbara Lau. Was dann für Worte fielen, zitiert ihr Ehemann Sven Lau in einer Email an Thomas Baehr, den Leiter der Berufsbildungsstätte Travemünde (BBT): Es seien Aussagen wie »Ich stech Dich ab und danach Deinen Krüppelköter«, »Ich fick Dich Du Schlampe, Du Hure....« und gegenüber seinem Sohn die Worte »Ich fick Deine Mutter und dann stech ich sie ab« gefallen, schrieb Sven Lau und schloss: »Es ist unfassbar, was da passiert ist. Meine Frau ist total verängstigt. Nur Ihr Rückzug hätte seiner Meinung nach verhindert, dass die Androhung körperlicher Gewalt in die Tat umgesetzt werden konnte.
Die BBT recherchierte und da der Vorname des Pöblers an dem Abend gefallen war, konnte er nach BBT-Angaben schließlich festgestellt werden. »Inzwischen wissen wir, dass es sich definitiv um Schüler der Seemannschule handelt«, schrieb Thomas Baehr. Die dortige Schulleitung hätte mit einer Abmahnung reagiert.
»Definitiv« Schüler der Seemannsschule: So stellt Thomas Baehr von der BBT den Sachverhalt dar. Screenshot: TA
Sven Lau bedankte sich in einer weiteren Mail für die Bemühungen, machte aber deutlich, dass ihm die Abmahnung nicht genüge und er Strafanzeige erstatten wolle. Die Mail ging zur Kenntnis auch an mehrere Vertreter der Handwerkskammer in Lübeck. Woraufhin Geschäftsführer Dietmar Scharmacher zurückschrieb: »Sechs Fehler in einem Satz – hoffentlich gibt er sich bei der Strafanzeige mehr Mühe.«
So reagierte der Geschäftsführer der Lübecker Handwerkskammer auf den Vorfall. Screenshot: TA
»Ich hoffe nicht, dass Sie sich über mich lustig machen wollen«, antwortete nun Sven Lau und bat um Erklärung der Mail. Woraufhin sich der Geschäftsführer entschuldigte: »Ich möchte mich bei Ihnen entschuldigen. Die Reaktion war unangemessen. Die Mail war ein Irrläufer«, schrieb Dietmar Scharmacher. Laut Adressverzeichnis der HWK ist er Gechäftsführer sowie Leiter der Berufsbildungsstätten bei der Handwerkskammer.
In der ohnehin schon angespannten Stimmung zwischen einer Anwohnerinitiative (TA berichtete) und den Berufsschulen auf dem Priwall sorgt der Vorgang nun für weitere Empörung. Ein Gesprächstermin war erst am Mittwoch geplatzt (TA berichtete). TA
Stellungnahme der Seemansschule für die Medien: »Sicher festgestellt werden kann, dass Schüler der SHS an dem besagten Abend auf dem runden Platz vor dem Schulgelände in der Wiekstraße eine Ruhestörung verursacht und Flaschen zerschlagen haben. Ebenso sind zwei Schüler unter Missachtung des Kohortenprinzips in die Aufenthaltsräume der Handwerkskammer gegangen. Beide Vorfälle wurden von den jeweiligen Schülern zugegeben. Sie haben Abmahnungen erhalten, die auch an ihre Ausbildungsbetriebe geschickt wurden und dort zu Konsequenzen geführt haben. Da viele der betreffenden Auszubildenden noch in der Probezeit sind, müssen sie nun um ihren Ausbildungsplatz fürchten. Das ist das schärfste Mittel, das in dieser Situation zur Verfügung stand. Entsprechend haltlos ist der Vorwurf, hier sei nicht ausreichend reagiert worden. Ein Verweis aus dem Internat konnte nicht mehr erteilt werden, weil die Schüler am selben Tag wie geplant die Schule verließen. Die Beleidigungen und Bedrohungen wurden von den Schülern vehement abgestritten, auch trägt keiner von ihnen oder den anderen an unserer Schule befindlichen Schülern den Namen, auf den in Ihrem Bericht hingewiesen wird. Vor dem Hintergrund konnte für diesen Vorfall kein Schüler eindeutig verantwortlich gemacht werden. Hier weiter zu ermitteln ist im Falle einer Anzeige Sache der Polizei – zumal die Schüler sich mittlerweile wieder an ihren Heimatorten befinden. Den Ärger der Anwohner über wiederkehrende Belästigungen kann ich verstehen. Grundsätzlich möchte ich aber bemerken (und würde mich sehr freuen, wenn auch das in Ihrem Artikel Erwähnung findet), dass 90 % unserer Schülerinnen und Schüler individuell unterschiedliche, aber sozial denkende und verantwortungsbewusste junge Menschen sind, mit denen zu arbeiten große Freude macht. Schwarze Schafe wird es immer geben. Wir tun, was wir können, um sie zu disziplinieren, aber alle 12 Wochen kommen neue Auszubildende an die SHS und unsere Erziehungsarbeit fängt von vorne an. Unser Einfluss ist begrenzt, denn was im Elternhaus 18 Jahre lang versäumt wurde, können wir in wenigen Wochen nicht aufarbeiten.« Ulrike Calm, Stellvertretende Schulleiterin, 04.12.2020
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Kommentare
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Kommentar von Corinna am 03.12.2020[4,5/151]
Oha! Auch ich wurde als „H....“ und weiteres nachts im August d.J. von betrunkenen jungen Männern an der Priwallpromenade beschimpft, als sie marodierend mit einem Edeka Einkaufswagen mit viiiiel Alkohohl drin auf der Promenade unterwegs waren. Sie depperten den Einkaufswagen gegen die Fassaden der Häuser und Geschäfte und ich hatte freundlich darum gebeten, damit auf zu hören. Offensichtlich ‚erlebnisorientiert’, empfahlen mir, die Travemünder Polizei zu rufen, um noch ein wenig zu verharren, ob sie Sirenen hören würden. Dann wären sie schneller weg gewesen als ihr geschätzter Alkoholpegel hätte vermuten lassen. Wochenende Ende November urinieren betrunkene jugendliche Mädchen im Straßenlaternenlicht mitten an der Priwaller Promenade. Die waren zumindest erschrocken, dass sie gesehen wurden. Hab ihnen fest versprochen, das nächste Mal Fotos von dieser Ferkelei zu machen. Ja auch wir waren mal jung, haben uns aber nicht bis zur totalen Respekt und Hemmungslosigkeit so zugedröhnt.
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Kommentar von Pele am 04.12.2020[4,6/150]
Arroganter Geschäftsführer Scharmacher sollte sich auf seine Pflichten konzentrieren und nicht über in der Erregung entstandene Rechtschreibfehler. Ob dieser aggressive Schüler fehlerlos schreiben kann bezweifle ich. Warum stellen sich eigentlich immer alle, einschließlich des schlecht recherchierrnden NDR, auf die Seite der Täter?
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Kommentar von Grünstrandanbeter am 04.12.2020[4,5/106]
Es dürfte sich doch nun die Frage stellen, ob sich die Handwerkskammer sich einen derart arroganten Geschäftsführer leisten will. Für mich wäre der Herr Sch. untragbar.
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Kommentar von A. Götting am 04.12.2020[4,4/102]
"Arroganter Geschäftsführer Scharmacher" (s. Pele) Bis zu der Rechtschreibreform war ich auch noch (sehr) gut! Aber das tut ja nichts zur Sache! Auch, wenn er sich entschuldigt hat ("Die Mail war ein Irrläufer"), frage ich mich: - an wen hat er den "Irrläufer" geschickt / schicken wollen`? - Was ist das für eine Entschuldigung? - wie kann eine Person, die in der Öffentlichkeit steht und von der man meinen sollte, dass sie auch eine gewisse Sozialisation erfahren hat, so etwas schreiben. Es war ja nicht im Eifer der Gefechtes "nur so gesagt"! Da würde mich einmal interessieren, wann diese Formulierung gefallen ist (Uhrzeit).
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Kommentar von B.David am 05.12.2020[4,5/68]
Die Stellungnahme der Seemannsschule wirft Fragen auf. 1.Warum behauptet Herr Baehr, BBT, die Schüler, die Frau Lau verbal und bedrohlich angegriffen haben, seien definitiv Schüler der Seemannsschule? 2.Warum wurden bisher keine internen Untersuchungen vorgenommen zur Identifizierung, z.B.durch Abgleich aller Schüler mit Vorname, den Frau Lau und Sohn gehört hat. 3.Warum werden und wurden, wenn bekannt ist, das 10%der Schüler ein unsoziales Verhalten zeigen,keine Massnahmen zur Verhinderung derartiger Vorfälle, wie geschildert, von beiden Schulleitungen erarbeitet? 4.Warum wurde, wie von der Leserin Karin kommentiert, der Aussenrundgang des Wachdienstes, eingestellt? Die Stellungnahme vermittelt den Eindruck, "Verständnis für den Aerger der Bewohner ja, aber leider müssen sie die Bedrohungen, Ruhestörungen etc. bedingt durch Alkohol und Drogengebrauch ertragen"
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Kommentar von B.David am 05.12.2020[4,4/60]
Teil 2 Das Argument der Seemannsschule, man könne die Erziehungsversauemnisse des Elternhauses nicht in wenigen Wochen aufarbeiten, kommt einer Resignation gleich, die nicht hinnehmbar ist. Mir erschließt sich nicht, warum sich die Schulleitungen der Bitte und des Angebotes der Iniative betroffener Nachbarn verweigern, ein lösungsorientiertes Gespräch zu führen auf Basis eines Massnahmenkataloges der Schulen. Es ist nunmehr an der Zeit, klare und verbindliche Regelungen aufzustellen zur Verhinderung weiterer Vorfälle. Es wäre interessant zu erfahren, wie die Ausbildungsbetriebe und die HWK die vergangenen und jetzigen Vorfälle und die Hilflosigkeit der Schulen beurteilen. Ich bin der Meinung, die Schulleitungen tragen auch eine Verantwortung gegenüber den 90% ihrer Schüler, die sich vernünftig, aufgeschlossen, verantwortungsbewusst verhalten, damit sie nicht in Verruf geraten. Ich habe viele tolle Schüler und Dozenten z.B von den Bootsbauern, erlebt.Liegt es evtl.an deren positiven Einfluss?