POLITIK 3 155
Travemünde 03.11.2017
Auf der Zielgeraden
Interview mit Bürgermeister-Kandidatin Kathrin Weiher

Wenn am späten Sonntagabend die Stimmen ausgezählt werden, wird man sehen, wer richtig lag. »Travemünde Aktuell« führte ein längeres Interview mit der Kandidatin:
TA: Wie empfinden Sie den Wahlkampf bis jetzt?
Kathrin Weiher: Ich empfinde ihn als überaus engagiert. Jetzt mache ich ja fast ein Jahr Wahlkampf. Ich denke das ist auch wirklich ein absoluter Langstreckenlauf, den ich da hinlege. Neben der Arbeit finde ich das ganz schön anstrengend. Aber ich muss auch sagen, dass es unheimlich Spaß macht, weil ich doch noch mal ganz andere Leute kennen lerne, mich mit ganz anderen Themen beschäftige. Und weil es auch ein schönes Gefühl ist, von diesen fünf Parteien getragen zu werden.
TA: Mögen Sie das, auf Leute zuzugehen?
Kathrin Weiher: Ich mag das sehr, ich bin unheimlich gern in der Öffentlichkeit und mit Menschen zusammen. Und ich habe auch sehr gerne das Gefühl, dass ich Dinge mitgestalten kann. Von daher ist es für mich schon wirklich das Richtige, sowas zu machen. Ich erfahre auch ganz viel Zustimmung und positive Verstärkung. Das gibt mir wirklich ein gutes, optimistisches Grundgefühl.
TA: Gibt es auch Negatives?
Kathrin Weiher: Manchmal ärgere ich mich über Facebook. Diese Angriffe bleiben nicht aus. Das ist schon heftig, wie man sich teilweise beleidigen lassen muss, oder verleumden, oder angehen. Das finde ich überschreitet die Grenze dessen, was eigentlich der gute politische Geschmack sein sollte. Aber anscheinend gibt es den wohl nicht. Ich bemühe mich immer, fair und anständig zu sein. Und da will ich auch beibleiben.
TA: Sie reagieren manchmal recht heftig auf »Frau« und »Blond«. Sind Sie da wirklich von Mitbewerbern angegriffen worden oder schwingt das nur mit?
Kathrin Weiher: Letztens beim LN-Talk, da bin ich ja ein bisschen sehr angefressen gewesen und hab ja ein bisschen sehr nach vorne gestellt, was ich alles kann und gemacht habe. Weil Herr Stolzenberg gesagt hat: »Ich trau Ihnen das nicht zu, Frau Weiher.« Da habe ich mich doch wirklich angegriffen gefühlt und gedacht, rein von der formalen Qualifikation her habe ich die besten Eigenschaften. Ich bin die einzige die überhaupt Verwaltungserfahrung in großen Einrichtungen hat. Und ich bin auch die einzige, die an verantwortlicher Stelle seit Jahren ihren Job macht. Und ich behaupte, ich mache ihn gut. Bisher in drei Jahren gab es ja nicht allzu viel schlechtes in den Lübecker Nachrichten über meine Arbeit. Und dann plötzlich jemanden neben sich zu haben, der Landschaftsarchitekt ist, also wirklich nur ein kleines Tortenstück des ganzen Stoffes beherrscht, der in der Verwaltung erforderlich ist. Der selber ein Büro mit ein paar Mitarbeitern leitet und ansonsten bisher gar nicht in dieser Liga gespielt hat, der sagt dann plötzlich zu mir: »Das traue ich Ihnen nicht zu, Frau Weiher«? Das war schon wirklich komisch. Und da habe ich gedacht, warum nicht? Weil ich hier die kleinste bin unter den langen Männern, die rechts und links von mir stehen? Weil ich die einzige Frau bin? Weil ich blond bin? Oder was veranlasst ihn zu so einer Bemerkung?
TA: Aber er hat es nicht damit begründet, dass Sie eine Frau sind.
Kathrin Weiher: »Also Frau Weiher, Ihnen trau ich das nicht zu«, hat er gesagt. Warum er das gesagt hat, weiß ich nicht, aber an meiner Kompetenz kann es nicht liegen. Also wieso kommt er dazu, sowas zu sagen? Weil nach 875 Jahren Männerherrschaft sowas immer noch nicht vorstellbar ist, oder was hat ihn bewogen, das zu sagen? Das habe ich mich wirklich gefragt. Ich meine, er kann doch auch lesen und meinen Lebenslauf dem Internet entnehmen. Fachliche Fehler kann er mir auch nicht vorwerfen. Also wie kommt er zu sowas? Aber letztens hat er es auch wieder gesagt, da hat er sogar zu mir und Lindenau gesagt, dass er es uns beiden nicht zutraut. Und da habe ich gedacht, naja, das ist wahrscheinlich alles nur ein Spruch. Nimm die Dinge nicht so ernst.
TA: Gibt es noch mehr?
Kathrin Weiher: Manchmal ärger ich mich auch, weil ich ja immer gefragt werde: Die Weiher hat die tollen Ideen, wie wollen Sie das bezahlen, Frau Weiher? Ich bin die einzige, die das gefragt wird. Herr Stolzenberg, der noch einen extra Finanzsenator aufbauen will neben allen anderen, der wird nicht gefragt, wie er das bezahlen will. Ein Herr Misch, der dreihundert neue Stellen schaffen will, wird nicht gefragt, wie er es bezahlen will. Und ein Herr Lindenau, der X neue Stadtteilbüros schaffen will, wird auch nicht gefragt, wie er es bezahlen will. Von daher finde ich es manchmal ein bisschen komisch, dass ich solche Sachen gefragt werde und die Männer nicht. Letztens hat mir auch einer gesagt: »Ja haben Sie denn überhaupt da ein wirtschaftliches Verständnis?« Das finde ich manchmal schon ein bisschen heftig. Ich habe im Landkreis Goslar unter dem Landrat die Finanzen verwaltet. Er hat das Personal gemacht und ich die Finanzen. Also ich habe schon mal für eine sehr große Einrichtung die Finanzverwaltung getragen. Und dreizehn Jahre lang habe ich einen Betrieb mit hundertfünfzig Leuten völlig alleine geleitet. Und dann werde ich gefragt, ob ich ein wirtschaftliches Verständnis habe. Aber wenn ein Versicherungsmakler sagt, er traut sich das zu, dem glauben sie das. Das finde ich ein bisschen komisch. Da bin ich manchmal doch ein bisschen angefressen. Das gebe ich zu (lacht).
TA: Sie gehen von einer Stichwahl aus?
Kathrin Weiher: Ja, ich denke mal, dass Herr Lindenau und ich diesen Wettstreit bestimmen werden zum Schluss. Ich meine, er macht einen guten Wahlkampf, er ist unheimlich engagiert. Mit acht Wochen Sonderurlaub konnte er ja auch wirklich viele Termine wahrnehmen. Und er zieht ja alle Register: Also ich hätte keine Lederhosen angezogen. Ich hätte auch keinen Kopfstand vorm Holstentor gemacht. Und ich finde auch nicht, dass man unbedingt Bierfässer anstechen muss, damit man Bürgermeister wird.
TA: Wie gehen Sie vor?
Kathrin Weiher: Ich mach das ja anders, ich versuche sachorientiert und fair meinen Wahlkampf zu machen und hoffe, dass die Qualität die Leute überzeugt. Mal sehen.
TA: Ist das nicht so ein bisschen hinterherlaufen, wenn Herr Lindenau jetzt seine Plakate unter Ihre klebt?
Kathrin Weiher: Ich habe ja nach all den Wahlkämpfen, Landtags- und Bundestagswahlkampf, gedacht, jetzt schon wieder neue Versprechen, neue Aussagen, neue Köpfe, da haben die Leute doch wahrscheinlich langsam genug davon. Und dann wollten wir einfach mal was anderes machen. Und deswegen haben wir dann diese bunten Plakate mit den Fragen aufgehängt. Und ich habe schon ganz früh diesen Spruch gelernt: Wer fragt, der führt. Von daher habe ich mich wirklich amüsiert, dass Herr Lindenau meine Fragen beantwortet hat. Ich hab gedacht, dann klappt es ja schon ganz gut.
TA: Nun stehen bei Ihnen ja eine ganze Menge Parteien auf dem Wahlzettel. Wie schätzen Sie das ein: Wählen viele auch nach Partei, ist das ein Vorteil?
Kathrin Weiher: Ja, ich denke, dass das auf jeden Fall ein Vorteil ist. Und deshalb sage ich auch immer, ich bin nicht parteilos, obwohl ich ja kein Parteibuch habe. Sondern ich bin parteiübergreifend. Die fünf Parteien haben mich ja wirklich von der Basis her gewählt. Ich habe mich ja wirklich bei den Mitgliedern vorgestellt und bin da mit über 80 Prozent in allen Parteien gewählt worden. Von daher: Ich bilde mir wirklich ein, dass ich eine breite Basis aus den Parteien hinter mir habe. Und ich glaube, dass das ein gutes Fundament ist.
Die fünf Parteien stellen im Moment die Mehrheit in der Bürgerschaft. Gut, die Bürgerschaft allein wählt mich nicht. Das tun die Bürger direkt vor Ort. Aber die bringen halt ihre Mitglieder mit. Und das ist doch schon mal eine ganz schöne Summe. In der Verwaltung habe ich glaube ich auch ein gutes Standing. Da erhoffe ich mir auch, dass die Verwaltungsmitarbeiter mit ihren Familien mich vielleicht wählen. Und ich nehme wahr, dass viele Frauen mich gut unterstützen. Mir nette Emails schreiben. Oder mir was auf die Mailbox sprechen. Oder bei Instagram oder so sagen: »Ich unterstütze Sie« und »Eine Frau muss es jetzt endlich mal werden.« Das spielt auch eine kleine Rolle. Es ist aber nicht unbedingt das Ticket, auf dem ich jetzt reise.
TA: Wie stehen Sie zur SPD allgemein?
Kathrin Weiher: Ich bezeichne mich ja immer so von meinen Werten her als christlich, sozial und liberal. Ich mag gerne, wenn sich Menschen sozial engagieren. Und deshalb habe ich mit der SPD gar kein Problem. Und ich bilde mir auch ein, dass ich in den drei Jahren durchaus auch mit der SPD gut zusammengearbeitet habe. Von daher finde ich das ein bisschen schade, dass das jetzt im Wahlkampf dann doch so konfrontativ wird. Ich hoffe aber, dass es nach dem Wahlkampf auch mit der SPD wieder möglich sein wird, fachlich gut zusammenzuarbeiten.
TA: Haben SPD-Leute schon mal heimlich gesagt, dass sie Sie wählen wollen? Kommt sowas vor?
Kathrin Weiher: Ja, das kommt wirklich vor. Und ich meine, man muss daran erinnern, als Lindenau aufgestellt wurde, hat ja die Konstanze Wagner gegen ihn kandidiert. Und er hat ja nur 60 Prozent der Stimmen gekriegt. Er hat zwar gewonnen mit 60 Prozent, aber 40 Prozent hat Frau Wagner gekriegt. Das war also doch ein Zeichen dafür, dass nicht alle geschlossen hinter ihm stehen. Und dass es da doch Leute gibt, die gerne einen Wechsel gehabt hätten. Und die Wagner als Juristin hätte eben auch eine andere Kompetenz gehabt. Das muss man auch mal sagen. Allerdings fand ich sie auch ein bisschen jung. Von daher: Vielleicht kommt sie noch mal, wenn ich dann in zwölf Jahren aufhöre. Sie ist ja auch 38 oder so, also sie hätte ja durchaus eine Chance, danach nochmal anzutreten. Ich fand die so ganz gut.
TA: Eigentlich haben Sie Glück gehabt, dass es nicht Frau Wagner geworden ist.
Kathrin Weiher: Ein bisschen finde ich das auch, denn sie hat ja durch ihre Familie und Frau Menken einen Bekanntheitsgrad. Die hätte doch ganz gute Chancen gehabt. Und als Juristin, wie gesagt, auch keine allzu schlechte Ausbildung. Allerdings so junge Kinder noch zu haben, die Scheidung, und so wenig Berufserfahrung, ich glaube es ist für sie persönlich besser, wenn sie sich noch ein bisschen Zeit lässt mit einem solchen Amt. Aber zutrauen würde ich ihr das schon, mal meine Nachfolgerin zu werden.
TA: Was waren so ihre ersten Berührungen mit Travemünde?
Kathrin Weiher: Ich war schon als Kind hier mit meinen Eltern. Ich kenne Travemünde und Lübeck aus meiner Kindheit und Jugend. Meine Eltern sind immer nur in Deutschland verreist. Oder im Höchstfall in Österreich zum Wandern. Von daher waren wir sehr viel an der Ostsee und Nordsee. Mein Mann liebt das auch, genauso wie ich. Unsere Familien kommen auch beide aus Pommern. Wir haben das so ein bisschen im Blut, ein bisschen näher am Wasser zu sein. Von daher im Harz nur die Berge, das war uns immer ein bisschen zu eng. Wenn wir konnten, sind wir immer nach Großenbrode in unsere Ferienwohnung gefahren. Und waren auch zu der Zeit öfter schon in Lübeck und Travemünde. Man guckt sich dann ja auch die Gegend an und fährt mal woanders hin.
TA: Und nun wohnen Sie hier
Kathrin Weiher: Wir hatten immer die Idee, wenn wir mal nicht mehr arbeiten, dann gehen wir ganz hier hoch. Und dann war eben der besondere Tag, wo ich in den Lübecker Nachrichten diese Stellenanzeige für eine Senatorin las. Und mein Mann sagte: Mensch, ein bisschen eher wäre auch schön. Bewirb dich doch mal.
TA: Gab es schon Forderungen, dass Sie als Bürgermeisterin nach Lübeck ziehen müssen? Oder dürfen Sie in Travemünde wohnen bleiben?
Kathrin Weiher: Nein, Travemünde gehört zu Lübeck. Da kann ja nun keiner drüber meckern. Mein Mann und ich, wir wollen hierbleiben. Wir fühlen uns hier echt wohl und gut aufgenommen.
Hinweis: Dieses Interview wurde am 18.10.2017 geführt. Es ist in Auszügen bereits in der November-Ausgabe von »Travmeünde Aktuell« abgedruckt worden.
Der Ministerpräsident und CDU-Landesvorsitzende Daniel Günther kommt zur Unterstützung von Bürgermeisterkandidatin Kathrin Weiher nach Lübeck. Am Samstag, den 4. November wird er ab 12:15 Uhr den Wahlkampfstand der überparteilichen Kandidatin im Citti-Park besuchen.
Dort wird zum Wahlkampfabschluss zunächst allen Parteien kurze Gelegenheit für einen Wahlaufruf gegeben. Folgende Vertreter werden vor Ort sein: Annette Röttger (CDU-Kreisvorsitzende und Landtagsabgeordnete), Michelle Akyurt (Fraktionsvorsitzende der Grünen), Thomas Rathcke (Fraktionsvorsitzender der FDP) , Ragnar Lüttke (Die Linke, Bürgerschaftsmitglied) und Marcel Niewöhner (Fraktionsvorsitzender der Wählergemeinschaft Bürger für Lübeck -BfL).
Im Anschluss werden sich Daniel Günther und Kathrin Weiher direkt an die Lübeckerinnen und Lübecker wenden.
Den Abschluss des Besuchs des Ministerpräsidenten bietet am Nachmittag ein gemeinsamer Tür-zu-Tür-Wahlkampf mit Kathrin Weiher und weiteren Unterstützern aus den Parteien in einem nahegelegenen Wohngebiet. PM
Externe Links zum Thema: Artikel in der Tageszeitung »taz« zur Bürgermeister-Wahl in Lübeck sowie ein sehr gutes Audio-Interview, das die Politik-Profis Harald Denckmann und Balthasar Hümbs vom Offenen Kanal Lübeck (Lübeck FM) mit der Kandidatin führten.
1 http://www.taz.de/!5456918/
2 http://www.mixcloud.com/lrl/b%C3%BCrgermeister-check-kathrin-weiher-2017-10-20/