POLITIK
Lübeck 17.10.2015
Handeln oder Verhandeln?
Pressemitteilungen zur symbolischen Inbetriebnahme der Häuser des Grünflächenamtes
Wie schwer wiegt der Buchstabe des Gesetzes noch, wenn Kinder auf der Straße frieren? Zur »symbolischen Inbetriebnahme« einer städtischen Immobilie durch das Lübecker Flüchtlingsforum am Samstag (TA berichtete) gibt es unterschiedliche Pressemitteilungen und Stellungnahmen.
»Wir brauchen die Häuser und zwar jetzt!«, sagt etwa Jana Schneider, Pressesprecherin des Flüchtlingsforums in einer Mitteilung vom Samstagnachmittag.
Offener Brief des Lübecker Flüchtlingsforums vom Freitag (16.10.2015):
Sehr geehrter Bürgermeister Herr Saxe,
sehr geehrte Senatoren Herr Schindler, Herr Boden und Herr Möller,
wir bedauern wirklich sehr, dass wir bisher zu keiner gemeinsamen Lösung für die zeitnahe Nutzung der weiteren Häuser des Grünflächenamts kommen konnten, obwohl wir seit mehreren Wochen die Notwendikeit der Häuser in vielen Gesprächen und E-Mails deutlich gemacht haben.
Trotz unserer Bemühungen Ihnen Vorschläge für die derzeitigen Nutzer_innen dieses Gebäudes zu präsentieren, wurde uns von Ihrer Seite eine Absage bezüglich der Nutzung der Häuser am gestrigen Tag mitgeteilt.
Wie Sie in unserer Pressemitteilung vom 15. Oktober entnehmen können, sehen wir die sofotige Zurverfügungsstellung als notwendig an, um die menschenwürdige Versorgung und Verpflegung der Transitgeflüchteten in Lübeck sicher stellen zu können. Tagtäglich erreichen seit fünf Wochen weiterhin zwischen 200 und 400 Geflüchteten den Lübecker Bahnhof, da sie von Lübeck-Travemünde ihre Reise nach Schweden fortsetzen wollen. Die Begleitung dieser Menschen ist eine Arbeit die in der Alternative von freiwilligen Helfer_innen aus Lübeck und Umgebung geleistet wurde und wird.
Aufgrund der kommenden Wintermonate und der Notwendigkeit den Kulturbetrieb in der alternative wieder aufzunehmen, sind wir hier seit Wochen an unsere logistische Kapazitätsgrenze gekommen.
Nach wie vor sind wir an einer sofortigen und gemeinsamen Lösung interessiert, die eine Eskalation vermeidet. Diese kann aber nicht heißen, dass die Alternative ihre Funktion als soziokulturelles Zentrum für die Stadt Lübeck aufgeben muss, um die notwendige Unterstützungsarbeit für die Geflüchteten in der Hansestadt leisten zu können.
Folgende Vorschläge haben wir bisher übermittelt und sehen sie nach wie vor als realistische Alternative für die Verlegung des Grünflächenamtes:
Eine gemeinsame Nutzung der Freiligen Feuerwehr und des Grünflächenamtes in den Räumlichkeiten der Freiweilligen Feuerwehr, Auf der Wallhalbinsel 15
Das leerstehende Gebäude hinter dem Gewerkschaftshaus, Holstentorplatz 1-5
Die ehemalige Polizeiwache in der Schwartauer Alle 37
Die leerstehenden Bürogebäude der Stadtwerke in der Moislinger Allee
Eine Prüfung der Kooperationsmöglichkeit mit dem TSO Motorradhändler, für eine gemeinsame Nutzung der dortigen Gebäude, Auf der Wallhalbinsel 35-37
Die ehemalige Deutsche Bundesbank, Holstentorplatz 2
Wir erwarten eine Rückmeldung bis spätesten um 10.30h am Samstag den 17. Oktober 2015.
Mit freundlichen Grüßen
Lübecker Flüchtlingsforum e.V.
alternative e.V.
Ganz anders sehen das die »Freien Wähler«. Deren Mitglied Bruno Böhm erklärte in einer Pressemitteilung: »Die illegale Hausbesetzung durch die Walli zeigt, die großzügige Nachsicht der Behörden führt dazu, dass der Rechtsstaat offenbar nicht mehr ernstgenommen wird. Die bisherige Nachsicht war falsch. Man reicht einen Finger, die linken Aktivisten nehmen die ganze Hand.«
Ragnar Lüttke von den Linken wiederum greift den amtierenden Bürgermeister an: »Das der Bürgermeister erst durch seinen Senator und andere SPD Mitglieder überredet werden muss, das Gebot der Stunde zu sehen und Menschen zu helfen ist ein Trauerspiel und macht ihn für Lübeck in seinem Amt untragbar«, nimmt Lüttke Bezug auf einen Besuch von SPD-Vertretern auf der Veranstaltung. TA
Pressemitteilung des Lübecker Flüchtlingsforums vom 17.10.2015
150 Aktivist_innen haben, wie angekündigt, die Häuser des Grünflächenamtes symbolisch in Betrieb genommen
Friedliche, solidarische Einweihungsfeier lief ohne Probleme
Kooperationsbereitschaft für Verhandlungen mit der Stadt bis Mittwoch
Gemeinsam mit 150 Aktivist_innen haben wir heute in friedich-solidarischer Stimmung die Häuser sowie das gesamte Gründstück des Grünflächenamtes symbolisch in Betrieb genommen. Wir haben damit deutlich gemacht, dass die Situation wie wir sie in den letzten Wochen geschildert haben, einer schnellen und unkonventionellen Lösung bedarf.
»Wir brauchen die Häuser und zwar jetzt!«, sagt Jana Schneider. »Das hat auch die vergangene Nacht wieder gezeigt. Mehrere Familien mit kleinen Kindern sind spät nachts noch am Lübecker Bahnhof angekommen, für die wir keine räumlichen Kapazitäten mehr hatten. Alle Plätze in der alternative, dem bisher zur Verfügung gestellten Gebäude des Grünflächenamtes sowie dem Gemeindesaal der Kirchengemeinde St. Lorenz Nord waren belegt.«
Es wurde, wie angekündigt, um 11h das Gründstück des Grünflächenamtes betreten und die Häuser geöffnet. Auf dem Hof wurde ein Zelt mit einem Buffet aufgebaut. Darüber hinaus wurde mit dem sofortigen aktiven Bautenschutz begonnen. Der Wein, welcher in den Dachstuhl und die Dachrinnen gewachsen war, wurde zurück geschnitten. Fahnen und ein Transparent wurden sichtbar zur Straße hin angebracht. Musik und Redebeiträge begleiteten die Aktion.
»Wir möchten an dieser Stelle noch verdeutlichen, dass wir solidarisch mit den Mitarbeiter_innen des Grünflächenamtes sind. Es soll ihnen so wenig Umstände, wie in dieser Situation möglich sind, bereitet werden. Es wurden keine Gegenstände aus dem Gebäude entfernt oder bewegt. Wir achten darauf, dass nichts abhanden kommt.« sagt Britta Kloss.
Selbstverständlich wird den Mitarbeiter_innen des Grünflächenamtes am Montag die Möglichkeit geboten Ihrer Arbeit nachzugehen.
Gemeinsam mit den anwesenden Vertreter_innen der SPD und Stadt wurde sich im Anschluss zu Verhandlungen zusammen gesetzt. Um zu einer einvernehmlichen Lösung zu kommen, wird das Grünflächenamt bis Mittwoch als symbolisch besetzt angesehen. Dieser Zeitraum soll der Stadt die Möglichkeit geben, einen alternativen Standort für die Mitarbeiter_innen des Grünflächenamtes herzurichten und uns die Nutzung der Gebäude schriftlich zuzusichern.
»Wir haben uns auf dieses Zeitfenster eingelassen, um den Mitarbeiter_innen und der Stadt zu ermöglichen, eine vorbereitete Verlegung des Grünflächenamtes in die vorhandenen Alternativstandorte, durchführen zu können.« sagt Britta Kloss.
Jana Schneider sagt weiterhin: »Sollte die Stadt sich nach wie vor nicht in der Lage sehen, dies zu ermöglichen, werden wir daraus unsere Konsequenzen ziehen. Ich kann an dieser Stelle nur noch einmal verdeutlichen, dass Notsituationen auch die Möglichkeit für neue Handlungsoptionen bieten müssen. Wir handeln aus der Not heraus und werden unsere Unterstützungsarbeit nicht kriminalisieren lassen. Wir können nicht auf noch kältere Nächte und den ersten Schnee warten, um eine menschenwürdige Unterbringung der Geflüchteten in Lübeck zu schaffen.«
Lübecker Flüchtingsforum e.V. , alternative e.V.
Pressemitteilung der »Freien Wähler« vom 17.10.2015
FREIE WÄHLER schenken Innenminister und Justizministerin das Aufenthaltsgesetz
Bruno Böhm: »Wir wollen an geltendes Recht erinnern und zu seiner Durchsetzung motivieren.«
Nun hat die »Walli« ein städtisches Gebäude illegal besetzt um ihre Kapazitäten noch zusätzlich auszuweiten. Diese rechtswidrige Handlung nehmen die Freien Wähler zum Anlass und schenken Innenminister Studt (SPD) und Justizministerin Spoorendonk (SSW) den Text des Aufenthaltsgesetzes. Das Geschenk geht am Samstagnachmittag auf den Postweg.
Bürgerschaftsmitglied Bruno Böhm (FREIE WÄHLER) erklärt zum Geschenk:
»Unser Geschenk ist ein Symbol. Wir wollen an geltendes Recht erinnern und zu seiner Durchsetzung motivieren. Die aktuellen Entwicklungen fordern die Landesregierung zu beweisen, wie sie zum geltenden Recht steht.
Die illegale Hausbesetzung durch die Walli zeigt, die großzügige Nachsicht der Behörden führt dazu, dass der Rechtsstaat offenbar nicht mehr ernstgenommen wird. Die bisherige Nachsicht war falsch. Man reicht einen Finger, die linken Aktivisten nehmen die ganze Hand. Auch in Krisenzeiten muss das Recht gelten und nicht Nützlichkeitserwägungen. Gerade wenn man von Flüchtlingen zu Recht verlangt, unsere Gesetze zu achten, kann man nicht vor ihren Augen massive Rechtsverstöße dulden und den Zustand ewig fortdauern lassen.
Das Vorgehen der linken »Walli«-Aktivisten, ohne Rücksicht auf Eigentum und Gesetz, droht die ehrenamtliche Flüchtlingshilfe im Allgemeinen in Verruf zu bringen. Das darf nicht zugelassen werden. Es gibt viele Vereine, Initiativen und Einzelpersonen, die mit viel Engagement und Kraft aus der Mitte der Gesellschaft heraus gute und richte Angebote geschaffen haben um Not und Elend zu mindern. Ihnen gilt unser herzlicher und aufrichtiger Dank.
Die Hansestadt Lübeck als Vermieter des Grundstücks muss ernsthaft überlegen, ob sie künftig an eine Organisation vermieten will, die städtische Gebäude widerrechtlich besetzt. Solche Vertragspartner sind nicht vertrauenswürdig. Für künftige Mietverträge wird es unsere Stimme in der Bürgerschaft nicht mehr geben.«
Quelle: Pressemitteilung Freie Wähler
Pressemitteilung der LINKEN vom 17.10.2015
DIE LINKE zu Saxe: Freigabe oder Rücktritt
Heute haben zahlreiche Lübecker Bürgerinnen und Bürger die Gebäude des Grünflächenamtes für Beherbergung für durchreisende Flüchtlinge beschlagnahmt. Aus Rücksicht auf den Bürgermeister, der die Räume den Flüchtlingen nicht zur Verfügung stellen will, vorerst jedoch noch nicht genutzt.
Senator Schindler und andere SPD Politiker baten um Zeit, um den Bürgermeister noch zur offiziellen Freigabe zu überreden. Sollte der Bürgermeister sich jedoch weiterhin weigern, werden ab Mittwoch Flüchtlinge in den Gebäuden untergebracht.
»Die Arbeit auf der Alternative / Walli wird seitens der Stadt nicht nennenswert unterstützt. Woche um Woche schaut der Bürgermeister bewusst weg. Für uns stellt diese Ignoranz unterlassene Hilfeleistung da,« empört sich Katjana Zunft, Vorsitzende der Lübecker LINKEN.
»Das der Bürgermeister erst durch seinen Senator und andere SPD Mitglieder überredet werden muss, das Gebot der Stunde zu sehen und Menschen zu helfen ist ein Trauerspiel und macht ihn für Lübeck in seinem Amt untragbar.« stellt Ragnar Lüttke, Mitglied der Bürgerschaft fest.
Bleibt der Bürgermeister bei seinem Nein zur Freigabe der Gebäude, dann ist der Tatbestand der unterlassenen Hilfeleistung erfüllt und wir werden Strafanzeige stellen. Sollte der Bürgermeister die Hilfe der Bürgerinnen und Bürger weiterhin behindern, ist er auch im Amt für uns nicht mehr tragbar und muss zurücktreten«; stellt Katjana Zunft klar.
Quelle: Pressemitteilung DIE LINKE Lübeck