ORTSGESCHEHEN 3
Travemünde 10.02.2015
Mit Millionenaufwand saniert:
Lässt die Bahn den Strandbahnhof jetzt verschimmeln?
Die Bahn hätte ihnen einen Aufhebungsvertrag mit Stillschweigeklausel angeboten, erzählen Inge Hagemann und Jessica Lichtl von der »Sky Sportsbar Gleis 23« im Travemünder Strandbahnhof. Doch die Travemünder Gastronominnen wollen nicht stillschweigen: Feuchtigkeitsschäden zwingen sie, ihre wirtschaftliche Existenz aufzugeben. Es geht um Wasserschäden, defekte Toiletten und Schimmelpilze. Am Sonntag informierten sie die Politik.
Auf schwarzen Schimmel reagieren die Menschen unterschiedlich: Tränende Augen, ein belegter Gaumen und gereizte Atemwege gehören dazu. Sicher ist, dass so etwas gesundheitsschädlich ist. Und die Decke vor allem auf dem Damen-WC ist übersät mit Schimmel. Nie würden die erfahrenen Gastronominnen einen Gast auf diese Toilettenanlagen lassen. Doch offenbar sind Schlüssel im Umlauf, auch am Sonntag wurde das WC benutzt.Trotz des Schildes der Bahn, das von einer vorübergehenden Schließung wegen Renovierungsarbeiten spricht. Für die Gastronomen muss das »vorübergehend« wie Hohn klingen, sie erzählen, dass die Anlage seit einem Jahr geschlossen sei. Am Sonntag informierten sie Bürgerschaftsmitglied Thomas Thalau (CDU) über die Vorgänge im Strandbahnhof. »Die Toilettenanlagen müssen offiziell geschlossen werden«, fordert Thalau angesichts der Schimmelpilze. »Das darf gar nicht in die Atemluft rein.« Und dann hofft er, dass die Bahn die Anlagen renoviert, wie es auf dem Schild steht. Die Gastronomen, deren Gäste die öffentliche WC-Anlage eigentlich mit nutzen sollen, glauben allerdings nicht mehr daran. Eine Bahnmitarbeiterin hätte gesagt »Wir machen hier gar nichts mehr«, erzählt Jessica Lichtl. Für die Gastronomen käme die Renovierung ohnehin zu spät, sie machen im Mai zu. Sie sprechen von Umsatzeinbußen bis zu 80 Prozent. Für das Inventar der Sportsbar suchen sie jetzt Käufer. Und sie suchen einen neuen Gastronomiebetrieb, um weitermachen zu können. Ihre wirtschaftliche Existenz ist bedroht. »Die Bahn ist dafür verantwortlich«, sagt Thomas Thalau. Das sehen auch die Gastronomen so, die einen Rechtsanwalt eingeschaltet haben und Schadensersatz fordern.Feuchtigkeitsschäden gibt es nicht nur in der WC-Anlage, sondern auch in der Halle an den Wänden daneben. Und auch in der Sportsbar selbst: Die Gastronomen berichten von Wasser, das über die Automaten gelaufen sei. An der Wand, die an das Tourist-Büro grenzt, haben sie Markierungen mit Datum angebracht. Die zeigen, wie ein Wasserfleck immer größer wird.Bürgerschaftsmitglied Thomas Thalau wirft der Bahn vor, das Gebäude zu vernachlässigen. Er will jetzt mit der Bahn sprechen und auch mit dem Leiter der städtischen Marketinggesellschaft, die im Bahnhofsgebäude die Touristinfo (»Welcome-Center«) betreibt.Die Sportsbar wird aufgrund des SKY-Anschlusses gern von Fußball-Fans besucht. Auch Gäste aus den umliegenden großen Hotels sehen sich dort gern Spiele an. Nach dem Auszug wird es in der Halle nur noch zwei Mieter geben: Das Tourist-Büro und einen Imbiss/Kiosk. Schon gibt es Gerüchte, dass die Halle ganz geschlossen wird. »Was hat die Bahn dafür getan, das hier Leben rein kommt?«, will Thomas Thalau jetzt wissen. #ia#Fünf Fragen an die Bahn Auf Nachfrage von »Travemünde Aktuell« beantwortete eine Bahnsprecherin am Montag (09.02.2015) fünf Fragen zum Thema Strandbahnhof: TA: Geht vom Schimmelbefall eine Gesundheitsgefahr für Passanten in der Halle aus? Antwort: Eine Beeinträchtigung der Gesundheit durch Schimmelbildung ist nicht zu verzeichnen.TA: Wann werden die WC-Analgen renoviert?Antwort: Es laufen im Moment Angebotsabfragen, Frühestens in ca. drei Wochen sollen uns die Angebote vorliegen.TA: Wann werden die übrigen Feuchtigkeitsschäden (undichtes Dach?) behoben?Antwort: Punktuell sind in den letzten 12 Monaten mehrere Dachreparaturen vorgenommen worden. Es läuft auch hierzu noch eine Angebotsanfrage zur Sanierung des Flachdaches. Dies sollte uns auch in ca. drei Wochen vorliegen.TA: Hält die Bahn noch am im August 2014 angekündigten Verkauf des Strandbahnhofes fest?Antwort: Von den bundesweit rund 5.400 Bahnhöfen verfügen etwa 3.000 über ein Empfangsgebäude. Rund 1.300 davon befinden sich noch im Eigentum der DB Station&Service AG. Oft sind sie in der Größe überdimensioniert und daher nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben. Derzeit gibt es zum Strandbahnhof keine Entscheidung.TA: Besteht die Absicht, die Bahnhofshalle komplett zu schließen? Antwort: Derzeit besteht keine Notwendigkeit, die Bahnhofshalle zu schließen.#ie#Der denkmalgeschützte Travemünder Strandbahnhof wurde im Jahre 2006 auch mit öffentlichen Geldern saniert: Auch die Hansestadt Lübeck, der Bund, das Land sowie die Possehl-Stiftung hatten zu den 2,3 Millionen Euro Sanierungskosten beigetragen. TA#ia#Kleine Zitatsammlung zum Strandbahnhof:- »Wir haben erkannt, dass attraktive Bahnhöfe elementarer Bestandteil eines schönen Reiseerlebnisses sind«, sagte Ute Plambeck, Konzernbevollmächtigte der Deutschen Bahn AG für Hamburg und Schleswig-Holstein. Lübecker Stadtzeitung, Mai 2006.»Die gelungene Synthese aus historischer Bausubstanz und zeitgemäßem Angebot macht den Strandbahnhof wieder zu einer attraktiven Visitenkarte von Travemünde«, so Ute Plambeck. Luebecknews.de, 26.05.06»Das Bauvorhaben sieht eine Neuordnung des Erdgeschossbereichs zur Schaffung qualitätsvoller, vermietbarer Flächen, die Instandsetzung, Aufwertung und Wiederbelebung des Gebäudes und seines Umfeldes und die Modernisierung der haustechnischen Anlagen vor«. www.mai-architekten.de, 16.03.06»Mit der Neugestaltung des Travemünder Strandbahnhofes verbessern wir die Servicesituation im Bahnhof und Umfeld deutlich. Der neue Bahnhof wird sich als gelungene Synthese aus historischer Substanz und einem modernen, kundenfreundlichen Bahnhof präsentieren. Der Strandbahnhof wird damit wieder zu einer attraktiven Visitenkarte von Travemünde.« (Norbert Hinrichs, DB), hl-live.de, 17.01.05»Die Neugestaltung des Strandbahnhofs wird ein Ambiente schaffen, das ein Versprechen an den Gast sein wird, willkommen zu sein, um sich wohl zu fühlen.« Lübecks Bürgermeister Bernd Saxe, hl-live.de, 17.01.05