UMWELT & NATUR
Travemünde 27.09.2013
Eine Aufgabe für Jahrzehnte:
Landschaftspflegeverein will Info-Zentrum im Fliegerweg errichten und das Seevogelschutzgebiet Priwall wieder aufleben lassen
Der Landschaftspflegeverein Dummersdorfer Ufer e.V. will ein Grundstück auf dem Priwall kaufen und dort ein Info-Zentrum errichten. Von hier aus sollen über Jahrzehnte Maßnahmen begleitet werden, die »dieses ehemalige Seevogelschutzgebiet wieder zum Leben erwecken«, wie Matthias Braun vom Landschaftspflegeverein es beschreibt. Für das Projekt sind 1,3 Millionen Euro veranschlagt.
Der Verein plant die Aufschüttung einer zweiten, wesentlich größeren Brutinsel in der Pötenitzer Wiek (TA berichtete). Und will die Wiese auf dem Priwall so erweitern, dass Vögel ausreichend Distanz zu den umliegenden Bäumen haben, um hier zu brüten (siehe Info-Kasten). »Naturwerkstatt« nennt der Verein sein geplantes Info-Zentrum im Fliegerweg, das rechts vom Feuerwehr-Gebäude entstehen soll. Von hier aus soll das langfristige Projekt betreut, Besucher informiert und der Fortschritt dokumentiert werden. Auf dem Grundstück befindet sich derzeit eine baufällige Baracke aus dem Zweiten Weltkrieg Das Gebäude wird abgerissen. Die beiden großen Eichen auf dem Grundstück sollen stehen bleiben. Der geplante 450-Quadratmeter-Neubau soll unter anderem einen Vortrags- und Ausstellungsraum mit 25 Sitzplätzen beinhalten und ein Vogelwart-Büro. »So dass wir von hier aus wenigstens einmal täglich Führungen machen können«, sagt Matthias Braun. Besucher können sich dabei erst einen Vortrag anhören und die Ausstellung ansehen. Dann geht es auf das große Außengelände der Naturwerkstatt, wo vom Aussterben bedrohte Wildpflanzen wachsen. Auch kleinere Amphibienteiche für die Vermehrung von seltenen Amphibienarten sind angedacht. Nach dem Besuch des Gartens sind es nur ein paar Schritte ins Naturschutzgebiet. Hier können sich Besucher über vorhandenes, in Arbeit befindliches und geplantes informieren. Für festes Personal im Info-Zentrum sind außerdem Unterkünfte vorgesehen, wo Bundesfreiwillige und Absolventen des Freiwilligen Ökologischen Jahres untergebracht werden können. Die Gesamtkosten des Projekts für Neubau und Naturschutzmaßnahmen werden mit 1,3 Millionen Euro veranschlagt. Der Neubau entsteht möglicherweise in mehreren für sich funktionsfähigen Abschnitten, so dass nicht alle Kosten auf einmal anfallen. Verschiedene Stiftungen sollen allerdings schon Interesse gezeigt haben. Der Verein will das Grundstück im Fliegerweg möglichst noch in diesem Jahr von der Stadt kaufen. Möglicherweise entscheidet die Lübecker Bürgerschaft schon in der kommenden Sitzung darüber. TA#ia#»Regeneration des Seevogelschutzgebietes Priwall« Der Priwall hat als Seevogelschutzgebiet eine mehr als 100jährige Geschichte, allerdings nicht durchgehend. Bereits im Jahre 1909 wurde er als »Seevogelfreistätte« ausgewiesen. 1909 traf sich auch die Deutsche Ornithologische Gesellschaft in Lübeck. Am zweiten Tag der Tagung machte man einen Ausflug zum Priwall. Mit dabei Lübecker Naturschützer und bekannte Fachleute der Zeit wie etwa der Direktor des Berliner Zoos. »Die Creme de la Creme hat sich auf dem Priwall getroffen«, sagt Matthias Braun vom Landschaftspflegeverein Dummersdorfer Ufer e.V. Der Priwall sei das erste Schutzgebiet gewesen. »Es gibt kein Gebiet was in einem Jahr vor 1909 an der Ostseeküste als Seevogelfreistätte ausgewiesen wurde.«Natürlich lässt sich die Zeit nicht einfach zurückdrehen, der südliche Priwall ist seitdem durch Spülfelder kräftig gewachsen. Praktisch ein zweites Seevogelschutzgebiet, das in etwa zwischen 1948 und 1968 von Lübecker Ornithologen betreut wurde. Damals wurde der Priwall erneut zu einem bedeutenden Seevogelgebiet: Auf den sandigen Spülflächen (Sand aus der Travemündung) brüteten in Scharen die Strandvögel. In dieser Zeit war auf dem Priwall ein Außenposten der Vogelwarte Helgoland. Seevögel wurden hier beringt. Die Lübecker Ornithologen waren als ehrenamtliche Mitarbeiter dabei. Der Landschaftspflegverein will nun nicht das Bestehende komplett verändern, sondern optimieren. Untersuchungen hierzu werden schon seit 1975 durchgeführt. »Da kriegt man dann irgendwann auch mal einen Blick dafür, was ist an welcher Stelle möglich und sinnvoll und was nicht«, sagt Matthias Braun. »Der Fakt ist, dass die Seevögel hier weg sind, seit 1970 ungefähr. Das liegt daran, dass die nicht im Wald brüten und auch nicht auf einer Waldwiese.« Die Seevögel brauchen freie Sicht. Wald und Bäume meiden sie instinktiv. Am Kurstrand sind schon die Touristen. Und auf dem Priwall, um 1970 noch eher flach, wurden Bäume gepflanzt. Die will man nicht abholzen, sondern den Eingriff so minimal wie möglich halten. Damit Wiesen- und Seevögel wieder ein Brutgebiet vorfinden. Zwei Flächen mit Buschgelände müssten zur Wiese umgeformt werden (Bäume werden nicht gefällt). Die Geometrie der langgestreckten bereits bestehenden Wiese würde dadurch geändert, sie würde breiter. So haben die brütenden Vögel mehr Abstand zum Wald. Der Kiebitz etwa braucht nach Messungen des Landschaftspflegevereins die fünffache Baumhöhe als Abstand. Bei 35 bis 40 Meter hohen Bäumen wären das 200 Meter. Die Wiese misst 380 Meter in der Breite. Die Vögel brüten deshalb nur in einem kleinen Korridor in der Mitte. Die Wanderwege werden bis auf eventuell eine kleine Verlegung nicht verändert. Der Blick aufs Wasser wird sich durch das wegfallende Buschwerk sogar verbessern. Allerdings müssten Ausgleichsflächen geschaffen werden, weil das Gehölz als Wald gilt. Das heißt an anderer Stelle muss Gelände gekauft werden, um Gehölze aufzuforsten. Darüber muss dann das staatliche Forstamt entscheiden. Weitere Maßnahme wird dann die neue Brutinsel südlich der Priwallspitze in der Pötenitzer Wiek. Die Insel soll mit dem Sand aufgeschüttet werden, den das Wasser- und Schifffahrtsamt (WSA) alle drei Jahre aus der Travemündung baggert. »Der Sand wird im Moment 35 Kilometer in die Ostsee gefahren«, sagt Matthias Braun. Das neue Biotop mit Flachwasserzone und Insel wäre viel dichter dran. Allerdings würde das Aufschütten rund 30 Jahre dauern. Damit würden Rast- und Nahrungsgebiete für die Vögel entstehen. Auf der kleinen besehenden Seeschwalbeninsel werden schon bis zu 400 Kiebitze gezählt. »Dann kann man davon ausgehen, dass das hier sicherlich in die tausenden geht«, sagt Matthias Braun mit Blick auf die neue, viel größere Insel. Sie wird auch Brutgebiet für Küstenvögel wie Austernfischer und Seeschwalben. Die Obere Naturschutzbehörde hat bereits bescheinigt, dass sie das neue Inselprojekt für sinnvoll hält. »Das bezahlt aber letztendlich das Wasser- und Schifffahrtsamt«, sagt Matthias Braun. Dort würde man die Einsparungen gegenrechnen, wenn mit den Schuten nicht mehr auf die Ostsee hinaus muss. Begonnen werden soll im kommenden Jahr mit einer etwa 3,5 Hektar umfassenden neuen »Uferwiese«. Weiter soll ein Sponsor für einen neuen Aussichtsturm gewonnen werden. TA#ie#