POLITIK 10
Travemünde 19.03.2011
Verliert Lübeck 800.000 Euro Kurtaxe?
Krause sieht durch Bürgerschaftsbeschluss zum Kurbetrieb rechtliche Grundlage zur Erhebung der Abgabe gefährdet
Am Freitagabend fand das traditionelle Labskaus-Essen des CDU-Ortsverbandes Travemünde statt. Gastredner war der Vorsitzende der CDU-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Dr. Christian von Boetticher. Doch bevor von Boetticher zu landespolitischen Fragen sprach, ging der CDU-Kreisvorsitzende und Travemünder Ortsverbandsvorsitzende Ulrich Krause noch einmal auf ein kommunalpolitisches Thema ein: Die Diskussion um den Travemünder Kurbetrieb.
Vor knapp zwei Wochen hätte ja die linke Rathausmehrheit in Lübeck »mal eben beschlossen, unseren Kurbetrieb zu schließen«, erläuterte Ulrich Krause. »Auch wenn wir inzwischen aus der Zeitung entnommen haben, das sei alles nicht so gemeint gewesen und wir hätten bloß die Beschlüsse falsch gelesen«, meinte Krause in Anspielung auf eine kürzlich veröffentlichte Pressemitteilung von SPD-Fraktionschef Peter Reinhardt (TA berichtete). »Mag so sein, dass wir was falsch verstanden haben«, sagte Krause. »Beschlossen worden ist aber jedenfalls genau das: Den Kurbetrieb auf seine hoheitlichen Pflichtaufgaben zurückzuführen und organisatorisch in Lübeck anzugliedern.«
Nun hätte ein Kurbetrieb, wie alle außer den linken Rathausfraktionen wüssten, keine hoheitlichen Aufgaben, fuhr Krause fort. Die hätte er nie gehabt. Ein Kurbetrieb sei eine freiwillige Aufgabe einer Kommune. »Und was die Mehrheitsfraktionen offenbar ebenfalls übersehen: Ohne einen Kurbetrieb und die von ihm betriebenen Einrichtungen ist auch die rechtliche Grundlage für die Erhebung von Kurtaxe höchst zweifelhaft, wenn nicht gar entfallen.« Die Kurtaxe sei eine »Beitragsähnliche Entgeltsabgabe«, die nur für die Vorhaltung konkreter öffentlicher Leistungen erhoben werden könne. »Genauer: Kurleistungen. Und nicht irgendwelcher touristischer Marketingaufwendungen.« Damit stünden Einnahmen von rund 800.000 Euro auf dem Spiel. Davon abgesehen, meinte Krause, »müsste man sich mit dem Abwickeln des Kurbetriebes wohl auch Sorgen machen um den Erhalt des Seebad-Statusses für Travemünde.«
Dass das alles vor der Beschlussfassung nicht überlegt worden sei, führt Krause auf den Umstand zurück, dass der entsprechende Antrag gerade mal zwei Tage vor der entscheidenden Bürgerschaftssitzung eingebracht worden sei. Er sei in keinem Ausschuss vorberaten worden. Das Beispiel des Kurbetriebes sei nun ein Musterbeispiel dafür, warum es diese übliche Praxis der Vorberatung in den Ausschüssen gäbe. Krause: »Mal ganz einfach formuliert: Wenn ich von der Sache so gar keine Ahnung habe, dann ist diese Vorberatung eine hervorragende Möglichkeit, vor einer Entscheidung von solcher Tragweite einen fachkundigen Rat einzuholen und sich fachlich zu informieren.«
In Lübeck würde in jüngster Zeit, zuletzt im Zusammenhang mit Ikea-Dänischburg ja beklagt, Lübecks Interessen würden in Kiel ignoriert oder sabotiert. »Nun zeigt sich am Beispiel dieses Kurbetriebs-Beschlusses, dass wir Kiel für solche Faxen gar nicht brauchen«, meinte Krause. »Dass unsere linke Rathaus-Mehrheit durchaus selbst in der Lage ist, unserer Stadt ins Knie zu schießen.«
Abschließend verwies Krause auf die Kundgebung der Interessengemeinschaft »Rettet den Kurbetrieb für Travemünde« am Donnerstag, 24. März 2011, ab 11:00 Uhr auf dem Fährplatz und bat die Anwesenden, sich daran zu beteiligen »und unser Anliegen klarzumachen, den Kurbetrieb für Travemünde dringend zu erhalten.« TA
Kommentare
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Kommentar von Rudi Lichtenhagen am 19.03.2011 [0,0/0]
...und ganz ohne Satire: Der gesamte Ortsverein der Travemünder SPD nimmt an der Kundgebung teil; stellt einen heißen Draht nach Lübeck zum Roten Peter her und ruft ihm zu: »Stimmt dem Antrag TOP 4.11 nicht nur zu, sondern erweitert ihn um den Satz: Dem Kurbetrieb werden darüber hinaus die Aufgaben und das Personal des Stadtteilbüros übertragen.«
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Kommentar von Rudi Lichtenhagen am 19.03.2011 [0,0/0]
NACHTRAG: Eine Woche Vorbereitung bis zur Bürgerschaftssitzung am 31.03.2011 dürfte wohl genügen!!
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Kommentar von Hanseat am 20.03.2011 [0,0/0]
Leider haben die Travemünder samt Herrn Krause nicht den Artikel der LN aus ihre »neuen« Kreisstadt Eutin gelesen! Mit »Kur-« lockt man heute keinen Touristen mehr vom Sofa! Aber vielleicht wollen sie ja nun wieder ein tägliches Kurorchester in der Casino-Musikmuschel installieren!
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Kommentar von Wilfried Walter am 20.03.2011 [0,0/0]
Genau so ist es, »hanseat«, mit dem Präfix »Kur-« lockt man niemanden mehr an. Wenn ich schon die vielen »Kurworte« von »Kurdirektor« bis »Kurschatten«, von »Kurtaxe« bis »Kurmittelhaus« höre, erhöht sich bei mir der Brechreiz. Das klingt alles angestaubt, langweilig, aus dem letzten Jahrtausend stammend. (Schlimmer ist nur noch »Fremdenzimmer« ...) Dass sich nun ausgerechnet eine IG auf die Fahnen geschrieben hat, den »Kurbetrieb« und damit wohl auch diese Bezeichnung zu erhalten und nicht gleichzeitig Neuerungen ins Spiel bringt, klingt sehr danach, einfach nur das alte behalten zu wollen, im Gestrigen zu erstarren. Stattdessen sollten attraktive (auch namentliche) Alternativen ins Spiel gebracht werden, so könnten u.U. auch die »Kurbetriebsabwicklungsbefürworter« mit ins Boot geholt werden. Oder ist »Kur« alternativlos?
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Kommentar von Rolf Fechner am 20.03.2011 [0,0/0]
Hallo, Hanseat, hallo Herr Walter, es geht weder um die Bezeichnung noch um die Person, sondern allein um die Struktur! Ob die Institution »Travemünder Tourismusbüro/office/management« oder sprachlich noch griffiger genannt wird, ist egal. Entscheidend ist allein, dass die Entscheidungskompetenzen in Travemünde angesiedelt sind. Damit werden eben auch Doppelstrukturen vermieden und das, wie die erfolgreichen Nachbargemeinden zeigen, sogar gewinnbringend.
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Kommentar von Karl Erhard Vögele am 20.03.2011 [0,0/0]
Hanseat hat im Prinzip recht. Es gibt keine Kuren im klassischen Sinne mehr. Mit den Begriffen Kurdirektor und Kurbetrieb wird altes Vokabular bedient. Die roten in HL haben bewußt deren Angestaubtheit instrumentalisiert, um zu zeigen, wie unmodern in Travemünde doch alles ist. Dennoch soll die IG-Kurbetrieb vom Kurbetrieb sprechen. Der Bürger weiß so, was wieder sein soll. Siehe Kommentar von Rolf Fechner. Modernere Begriffe könnten verwendet werden, wie Tourismusdirektor, Tourismuszentrale, Management des Marketings, der Events, Touristenservice und Management der Infrastruktur. Das ist eine ganz andere Musik. Sie unterstreicht, was wir hier langfristig wollen. Bei der Kurtaxe heißt es eher »Kauf der OstseeCard«, das Kurkonzert ist out, neue erfolgreiche Ansätze gibt es bereits im Columbia. Das Kurmittelhaus ist weg und der Kurschatten ist längst in der Umgangssprache akzeptiert. Es gibt Gästezimmer, Appartements, Ferienwohnungen, Hotelzimmer usw. Wo sind Ihre Vorschläge Hanseat?
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Kommentar von Wolfram Plewa am 21.03.2011 [0,0/0]
Fakt ist und bleibt, dass die Interessengemeinschaft in den letzten Jahren eine Reihe von Pannen aus Lübeck erlebt hat (siehe Artikel in den Medien) und deshalb entsprechend aktiv geworden ist. Zusätzliche Vorschläge sind sicher immer gefragt.
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Kommentar von Hanseat am 21.03.2011 [0,0/0]
@Herr Vögele – Ich glaube nicht, dass z.B. das Zurückdrehen der von einem CDU-Senator eingeführten Zusammenlegung der Veranstaltungen überhaupt etwas bringt! Es muss ganz einfach festgestellt werden, das die Travemünder (Einwohner, Vermieter usw.) einfach die Entwicklung in den letzten 20 Jahren verschlafen haben! Wenn man nur die »Attraktivität« der Vorderreihe mit den vielen Drogeriemärkten usw. sieht und dann mit den östlichen Badeorten vergleicht, weiß man doch woran es fehlt! In diesem Sinne gibt es viel zu tun in Tavemünde, was dann aber von einer schlagkräftigen Organisation betrieben werden sollte! Man braucht keinen Kurdirektor, um Granitplatten auszusuchen, wo man es dann hinterher sowie nicht schafft, dass Wintergranulat wegzufegen!
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Kommentar von Klaus Hansen am 21.03.2011 [0,0/0]
Herr Vögele wenn sich Travemünder schon um die Begriffe wie »Kur« streiten und Vorschläge wie Tourismusagentur u.a. einbringen, dann sind wir doch schon bei der LTM. Die benutzen doch die Wörter Tourismus, Marketing u. Manager. Oder soll das vom eigentlichen Thema ablenken?
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Kommentar von Phil am 21.03.2011 [0,0/0]
Es ist alles so einfach: Wenn das Ostseebad Travemünde nichts bieten kann, bleiben die Touristen weg. Das ist Angebot und Nachfrage. Sehr viel bietet Travemünde bereits von Natur aus: Sonne, wenn es in Lübeck regnet, Schiffe und das Meer, den Ostseestrand. Das reicht aber nicht. Wir müssen uns zusätzlich anstrengen. Mit einem dynamischen Tourismus Management können wir Travemünde wieder zu einem blühenden und beliebten Ostseebad zu machen. Gemeinsam müssen wir es anpacken und uns über jede Kleinigkeit mit unseren Gästen freuen. Das Ziel ist klar, ein lebens- und liebenswertes Travemünde. Dafür müssen wir uns alle einsetzen (auch Parteiübergreifend).
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