ORTSGESCHEHEN 7 620
Travemünde 07.01.2021
600.000 Bücher verlassen den Priwall
Auf dem Gelände des Bibliotheks-Depots soll preiswerter Wohnraum entstehen
Allzu viele Menschen dürften sie nicht zu Gesicht bekommen haben, die 600.000 Bücher, die in einem Trakt des ehemaligen Priwallkrankenhauses an der Mecklenburger Landstraße gelagert sind. Auf der Travemünder Halbinsel befand sich 35 Jahre lang ein Depot der Stadtbibliothek. Seit Montag zieht der historische Lesestoff nach Lübeck um.
Dass die alten Gebäude, die erst Kaserne und dann Krankenhaus waren, nicht der beste Platz für wertvolle Drucke aus dem 16. Jahrhundert sind, dürfte jedem einleuchten. »Die sind nicht annähernd angemessen untergebracht«, sagte Angela Buske, stellvertretende Leiterin der Stadtbibliothek, bei einem Pressetermin am Donnerstag.
Etliche Bände haben bereits Feuchtigkeitsschäden. Sie werden zwar aus Kostengründen nicht restauriert, aber im neuen Gebäude der ehemaligen Lübecker Maschinenfabrik (LMG) in der Einsiedelstraße immerhin richtig gelagert. Mit Klimaanlage und Folien vor den Fenstern.
Das Gelände des Außenmagazins der Bibliothek will die Stadt verkaufen. Es soll laut Bürgermeister Jan Lindenau mit Gebäudebestand ausgeschrieben werden. Dort sollen Wohnraum entstehen. »Insbesondere bezahlbares, preisgünstigeres Wohnen für Menschen, die im Tourismus arbeiten«, erklärte der Lübecker Bürgermeister am Donnerstag. »Denn wir wollen sicherstellen, dass Menschen, die hier eben auch durch den weiter wachsenden Tourismus arbeiten, auch die Möglichkeit haben, hier vor Ort zu wohnen. Da in der Regel im Tourismus ja nicht die größten Einkommen erzielbar sind, muss natürlich auch sich entsprechend das Mietgefüge daran anpassen.« HN
Die Pressemitteilung der Stadt zum Thema:
600.000 Bücher der Stadtbibliothek Lübeck ziehen vom Priwall in die Einsiedelstraße
Auf- und Abbau von 3280 Regalmetern ist logistische Herausforderung – Ausleihe von Magazin-Medien eingeschränkt
Rund 600.000 Bücher, darunter auch historische Bände aus dem 16. Jahrhundert, umfasst das Magazin der Stadtbibliothek Lübeck. Bisher lagerten diese Medien im Magazin auf dem Priwall. Seit Montag, 4. Januar 2021, werden nach und nach alle Exemplare in das neue Magazin in die Einsiedelstraße transportiert. Eine logistische Herausforderung für das Umzugsunternehmen Grohmann Logistik Berlin, denn es gilt 3280 Regalmeter in Travemünde abzubauen und in St. Lorenz Nord vor allem in der korrekten Reihenfolge wieder aufzubauen.
»Mit dem Umzug der Bestände der Stadtbibliothek ermöglichen wir eine den zum Teil historischen Büchern angemessene Lagerung im neuen Magazin und schaffen Raum für dringend benötigten bezahlbaren Wohnraum für insbesondere im Tourismus tätige Arbeitnehmer:innen. Wir wollen es möglich machen, dass Menschen auch dort leben und wohnen können, wo sie arbeiten und andere Urlaub machen,« erklärt Bürgermeister Jan Lindenau.
Die Medien werden Meter für Meter in Kartons verpackt. Zwei LKWs pendeln dann bis März zum neuen Standort in der Einsiedelstraße, wo die Regale auf insgesamt fünf Stockwerken wieder aufgebaut und die Bücher eingestellt werden. Zwei Teams sorgen dafür, dass die Bücher, die zum großen Teil zum wertvollen Altbestand gehören und Zeugnisse Lübscher Geschichte sind, sorgfältig ein- und ausgepackt werden. An jedem Standort ist eine Mitarbeiter:in der Stadtbibliothek anwesend, die bei Fragen unterstützen kann. Da die Bücher abschnittsweise verpackt und transportiert werden, sind jeweils ganze Themenbereiche zeitweise für die Nutzung gesperrt. Es wird daher um Verständnis gebeten, wenn es zu Verzögerungen bei der Bereitstellung von Büchern kommt, die in den Bibliotheken bestellt wurden.
Der Umzug wird voraussichtlich zehn Wochen, also bis in den März 2021dauern. »Aufgrund der Bedeutung des Bestandes sind beide Standorte selbstverständlich alarmgesichert. Besonders freuen wir uns, dass in dem neuen Magazin endlich eine professionelle Klimatisierung den Schutz der Bücher gewährleistet«, Angela Buske, Leiterin der Abteilung Altbestand.
Hintergrund
Seit den 1980er Jahren ist das Magazin der Stadtbibliothek auf dem Priwall in zwei Gebäuden auf rund 6200 Quadratmetern der ehemaligen Kaserne der Reichsluftwaffe untergebracht. Der derzeitige bauliche Zustand ist nicht optimal. Eine Sanierung der Gebäude zur längerfristigen Weiternutzung würde zu erheblichen Kosten führen. Zudem sollen die vorhandenen Flächen zur Schaffung für bezahlbaren Wohnraum für im Tourismus Beschäftigte genutzt werden.
Das Gebäude in der Einsiedelstraße ist seitens der Bibliothek gut erreichbar. Es wurde speziell nach den Anforderungen der Stadtbibliothek technisch hergerichtet. Neben Klimatechnik, Heizung, Brandschutz und anderen technischen Anlagen wurden beispielsweise alle Fenster mittels Folierung verdunkelt. Zudem entfallen die zeitaufwändigen und kostenintensiven Anfahrtswege zum bisherigen Magazin auf dem Priwall einschließlich der Nutzung der Fährverbindung. PM
Quelle: Pressemitteilung Lübeck Pressedienst
Kommentare
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Kommentar von Heino Haase am 07.01.2021 [3,0/105]
Es ist gut, dass der Bücherschatz endlich gehoben wird und zukünftig in entsprechenden Räumen untergebracht wird. Nun geht es um die Frage, was geschieht mit der Immobilie ? BM Lindenau gibt den Plan weiter, der vor gut 2 Jahren bereits im Bauausschuss besprochen wurde. Schaffung von bezahlbarem Wohnraum. Es ist zu hoffen, dass Gebäude und Grundstück vorrangig den Lübecker genossenschaftlichen Wohnungsunternehmen und der Trave zum Kauf angeboten wird. Bzw. diese zu einer Angebotsabgabe aufgefordert werden. Nur diese sind in der Lage, preiswerten Wohnraum auf den Markt zu bringen. Auf keinen Fall darf Hollesen wieder mit einem supergünstigen Preis zum Zuge kommen. Wie seinerzeit mit einem Grundstückspreis von EURO 78.00 pro qm.
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Kommentar von Skagerrak am 07.01.2021 [3,2/128]
Meiner Meinung nach brauchen wir auf dem Priwall keinen weiteren Wohnraum. Die Fähren sind im Sommer sowieso schon überlastet, Parkplätze sind nicht in ausreichender Zahl vorhanden und bei Hochwasser werden wir hier zur Insel. Diese genannten Probleme sollten vorrangig gelöst werden. Stattdessen fabuliert die Stadt hier schon wieder von irgendwelchen Wohnblöcken. Das diese Wohnungen dann ausschließlich den Mitarbeitern aus der Gastro vorbehalten werden sollen, halte ich für eine Nebelkerze, es wird auch rein juristisch nicht möglich sein, hier andere Bewerber auszuschießen. Das wäre doch jetzt einmal eine Möglichkeit, die Bewohner des Priwalls direkt zu befragen ob sie hier noch mehr Wohnraum haben wollen oder nicht.
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Kommentar von E. Noge am 08.01.2021 [2,4/68]
@ Heino Haase und Skagerak: rechtlich wird es durchaus möglich sein, einen Teil eventueller preiswerter Neubauwohnungen nur an Bedienstete der Tourismusbranche zu vermieten. Ja diese Menschen verdienen nicht viel und sind möglicherweise ein halbes Jahr oder etwas weniger arbeitslos, weil die Vermietungen außerhalb der Saison runtergehen. Ob dann überhaupt diese Zielgruppe als Mieter in Frage kommen, bezweifle ich. Auf jeden Fall soll dem Vorschlag von Heino Haase gefolgt werden, den Lübecker genossenschaftlichen Wohnungsbauunternehmen den Zuschlag zu erteilen und überwiegend sozialen Wohnungsbau zu realisieren. Da künftig auch das Gelände der Berufsbildungsstätte für Planungen zur Verfügung stehen wird, erhebt sich die Frage, ob diese Flächen insgesamt für eine Entwicklungsplanng des Priwall außerhalb des Tourismus unterzogen werden sollen. Schon wieder alles in "Klein Klein" in Angriff nehmen ohne das im Auge zu haben was insgesamt auf dem Priwall noch kommen könnte, wäre falsch.
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Kommentar von Christian Jäger am 08.01.2021 [1,7/78]
Das städtische Vorhaben "bezahlbaren, preisgünstigen Wohnraum für Menschen, die im Tourismus arbeiten" zu schaffen wird kläglich scheitern. Investoren investieren i.d.R. um Geld zu verdienen und nicht um die hausgemachten Probleme anderer (Waterfront/Beach Bay, Stadt Lübeck) zu lösen. Der Standort eignet sich auch viel besser für die Errichtung von Eigentums- oder Ferienwohnungen. Warum hat man den preiswerten Wohnraum nicht schon längst an einem anderen Standort auf dem Priwall geschaffen?
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Kommentar von Naupar am 08.01.2021 [2,2/82]
Dann darf man mal gespannt sein, wo das ganze Personal für Herr`n Hollesen her kommt!!! Denn Travemünde sucht auch ständig Personal für die Gastronomie und Reinigung. Und in Mecklenburg sieht es nicht anders aus. Schon erstaunlich, Herr Hollesen baut ein ganzes Beton Dorf , aber es fehlen Arbeitskräfte. Was im Grunde jeder normale Bürger vorausgesehen hat. Nun bekommt er dafür auch noch Wohnungen hingesetzt. Was im Grunde unter anderen Umständen gut wäre. Lübeck hat sich all die Jahre nicht um preiswerten Wohnsitz gekümmert. Es wird ja auch noch was an der Mecklenburger Landstrasse, Ecke Pötenizer Strasse gabaut... auch darauf ist man schon ganz gespannt. Der Priwall wird überrannt, kann dem Herrn Bürgermeister egal sein... er wohnt hier ja nicht.
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Kommentar von Skagerrak am 08.01.2021 [3,4/103]
@Naupar: Herrn Hollesen ist nicht der Betreiber der Gastronomiebetriebe auf dem Priwall. Wenn die Gastronomie preiswerte Wohnungen für ihre Niedriglohn Saisonarbeiter braucht, können sie ja die Wohnungen direkt anmieten und dann an ihre jeweiligen Mietarbeiter untervermieten. Stellt sich mir allerdings die Frage, was passiert dann im Winter mit den Wohnungen, wenn hier nur wenige Gäste sind und nur ein kleiner Teil des Personals benötigt wird. Wer soll dann die Mieten bezahlen? Meine Vermutung ist, daß hier Wohnungen für ganz andere Bewohner geschaffen werden soll. Mein Vorschlag wäre: Reisst die alten Gebäude ab und forstet das Grundstück auf, daß wäre dann ein Ausgleich zu den, durch Beachbay verloren gegangenen Bäumen und Grünflächen.
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Kommentar von wolf werner am 08.01.2021 [3,2/56]
Diese hier bisher geführten Diskussionen sind überflüssig. Die einzige und relevante Lösung besteht im Bau von Mietwohnungen mit bezahlbaren Mieten. Und diese Wohnungen sind für alle Bewohner und nicht nur für die Gastronomie- und Tourismusmitarbeiter. Und auf jeden Fall den Auftrag an die Lübecker genossenschaftlichen Wohnungsunternehmen. Wir brauch nicht noch mehr "Hollesenbauten"
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