Travemünde 3 161
Travemünde 27.08.2020
In sechs Jahren nichts dazugelernt
SPD machte Senatorenwahl erneut zur Farce – und diesmal spielt auch die CDU mit

Damals ging es darum, den damaligen SPD-Fraktionsvorsitzenden Jan Lindenau zum Kultursenator zu machen. Für den Posten war die SPD bereit, entsprechende Zugeständnisse zu machen in Bereichen, die mit Kultur nicht einmal was zu tun haben. Unter dem Papier mit dem »unmoralischen Angebot«, das sich an die CDU-Bürgerschaftsfraktion richtete, fanden sich unter anderem die Namen des heutigen Bürgermeisters Lindenau selbst und der immer noch amtierenden Stadtpräsidentin Gabriele Schopenhauer, ebenfalls SPD. Geschadet hat es den Karrieren in der Lübecker Lokalpolitik offenbar nicht. Doch immerhin ging die Sache damals gründlich schief: Jan Lindenau (SPD) verlor die Wahl gegen Kathrin Weiher (parteilos), deren Posten nun am Donnerstag (27.08.2020) zur Disposition steht.
Aus dem Skandal vor sechs Jahren wurden allerdings keinerlei Lehren gezogen: Die SPD macht sich nicht einmal die Mühe, auch nur den Anschein eines seriösen Auswahlverfahrens aufrechtzuhalten. Bereits im Vorfeld der Bürgerschaftssitzung gab man die Festlegung der Kandidatin Monika Frank (SPD) bekannt. Und die CDU als Koalitionspartner nickte die Sache ab. Mit der Folge, dass mehrere Bewerber ihre Kandidatur gleich wieder zurückzogen. Kandidaten, Politiker der anderen Fraktionen und nicht zuletzt die Wähler wurden damit um ein transparentes Auswahlverfahren gebracht.
Wie die Lokalpolitiker von SPD und CDU dabei trotzdem noch glaubhaft vermitteln wollen, im besten Interesse der Bürger zu handeln, ist vielleicht am Donnerstag den Redebeiträgen der Bürgerschaftssitzung zu entnehmen. Die Sitzung wird ab 16:00 Uhr live im Offenen Kanal (98,8 MHz über Antenne, 106,5 MHz im Kabel und auch als Livestream unter www.okluebeck.de) übertragen. TA
Senator*innen-Wahl: Grüne kritisieren Vorgehen der SPD
Der Kreisverband B90/Die Grünen Lübeck äußert sich vor der heutigen Bürgerschaftssitzung zur Wahl der Senatorin für den Fachbereich »Kultur und Bildung«. Dazu sagen Simone Stojan und Jasper Balke, Kreisvorsitzende der Lübecker Grünen: »Die heutige Senator*innen-Wahl hätte das Ende eines wichtigen und transparenten Auswahlprozesses bedeuten können. Vor dem Hintergrund der Bedeutung der ausgeschriebenen Stelle und den verschiedenen fachlichen Anforderungen an die Bewerber*innen, wäre ein intensives und bürger*innennahes Verfahren angebracht gewesen. Dabei hätten die Eignung, Leistung und Fähigkeiten der Bewerberinnen und Bewerber im Mittelpunkt gestanden. Auch hätten die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Lübeck durch Fragen beteiligt werden können, um so die Kandidatinnen und Kandidaten schon vor der Wahl besser kennenzulernen. Durch die Vorfestlegung der SPD und die schnelle Zustimmung der CDU haben die Kooperationsparteien ein solches Verfahren ad absurdum geführt. Dass schon vor dem offiziellen Hearing eine Presseerklärung veröffentlicht wurde, in der Frau Frank indirekt zur künftigen Senatorin erklärt wird, offenbart einen fragwürdigen politischen Stil. Vor allem aber ist dies nicht nur unfair den Bürgerinnen und Bürgern, sondern auch den anderen Bewerberinnen und Bewerbern gegenüber, die so trotz teilweise hoher Qualifizierung indirekt schon eine Absage noch vor dem ersten Hearing erhalten haben. Die deutliche Ansage »Ohne das richtige Parteibuch seid ihr hier nicht erwünscht« und »wir entscheiden, wer von uns die Pöstchen bekommt« wurde offensichtlich auch von Pressemitteilung einigen Bewerberinnen und Bewerbern genauso aufgefasst. Viele haben ihre Bewerbung daraufhin leider zurückgezogen. Leider wirft dieser läppische Umgang hinsichtlich des Auswahlverfahrens der künftigen Senatorin nicht nur ein schlechtes Licht auf die Lübecker SPD. Die hohe Qualifizierung der SPD-Bewerberin für die Stelle wird nun durch die Tatsache überschattet, dass ihre eigene Partei sie in der Hauptsache anscheinend nicht für ihre Eignung, sondern für ihr Parteibuch ausgewählt hat. Wir freuen uns trotzdem auf eine konstruktive Zusammenarbeit mit Frau Frank und heißen sie in Lübeck herzlich willkommen. Für den nächsten Auswahlvorgang würden wir der SPD raten, sich einfach nicht vorher auf eine Kandidatin festzulegen. Dass das Parteibuch für die SPD am Ende vielleicht dann doch wieder das erste Kriterium sein wird, wird höchstwahrscheinlich nicht zu verhindern sein. Dennoch würden wir von einer voreiligen Kommunikation und Vorfestlegung abraten, denn ansonsten besteht erneut die Gefahr, dass die Stadt Lübeck in Zukunft viele hochqualifizierte Bewerberinnen und Bewerber schon im Vorfeld verliert.«
Quelle: Pressemitteilung GRÜNE vom 27.08.2020
Pressemitteilung der Wählergemeinschaft »Die Unabhängigen« zum Thema
Unabhängige fordern neue Ausschreibung für die Fachbereichs-leitung Kultur und Bildung – Parteibuch geht vor Qualifikation
Die Unabhängigen fordern eine neue Ausschreibung bei der Senatorenwahl für die Fachbe-reiche Kultur und Bildung. Sie üben scharfe Kritik am Vorgehen der SPD beim Auswahlver-fahren. Sie halten die von der SPD vorgeschlagene Kandidatin im Bereich Kultur für völlig ungeeignet.
Hierzu erklärt der Fraktionsvorsitzende der Unabhängigen Detlev Stolzenberg: »Das bundesweite Interesse für die Nachfolge der Lübecker Kultursenatorin ist groß. Auf die Stellenausschreibung der Position haben sich 38 Bewerberinnen und Bewerber gemeldet. Sieben Kandidaten und Kandidatinnen wurden zur persönlichen Vorstellung eingeladen. Nachdem sich die SPD allerdings bereits in der vergangenen Woche in einer Presseerklärung auf ihre Parteikollegin Frank aus Bremen festgelegt, und die CDU Zustimmung zu dieser Auswahl erklärt hatte, haben vier hochqualifizierte Persönlichkeiten aus naheliegenden Gründen die Teilnahme am Hearing abgesagt und ihre Bewerbung zurückgenommen.
Das ist Demokratie zum Abgewöhnen. Durch die öffentlichkeitswirksame Vorfestlegung auf ihre Parteigenossin Monika Frank noch vor der Präsentation der von anderen Fraktionen eingeladenen Bewerberinnen und Bewerber, wurde das Auswahlverfahren zu einer Farce. Qualifizierte Persönlichkeiten haben aus der folgenden Presseberichterstattung ihre Schluss-folgerungen gezogen und von ihren Bewerbungen Abstand genommen.
Es ist bedauerlich, dass der Bürgerschaft durch dieses unfaire Verfahren als das für die Wahl allein zuständige Organ die Möglichkeit genommen worden ist, aus dem Kreis der Bewerbe-rinnen und Bewerber die geeignetste Persönlichkeit auswählen zu können.
Das ist vorliegend umso schmerzhafter, weil die von der SPD nominierte Kandidatin für den Bereich Kultur offenkundig völlig ungeeignet ist. Sie ist kulturpolitisch ein unbeschriebenes Blatt. Ihre Biografie weist weder fundierte Erfahrungen noch Kenntnisse auf diesem für Lübeck so wichtigen Politikfeld auf.
Lübeck wirbt im neuen Tourismuskonzept mit der Marke »Kulturstadt Lübeck« und bekommt von der SPD eine Bewerberin vorgeschlagen, die auf diesem Gebiet nicht die geringsten Er-fahrungen und Referenzen aufweisen kann. Zudem hat sie auch in ihrer persönlichen Vor-stellung nicht erkennen lassen, dass sie dennoch in der Lage wäre, der Kulturstadt Lübeck wichtige und innovative kulturpolitische Impulse vermitteln zu können.
Das ist für Lübeck eine deprimierende Perspektive und typisch für die Personalpolitik der Lübecker SPD: Parteibuch geht vor Qualifikation.
Eine solche Fehlentscheidung hat die Kulturstadt Lübeck nicht verdient. Ein Ausweg aus die-sem Dilemma ist deswegen nur über eine neue Ausschreibung möglich, bei der ein faires Auswahlverfahren sicherzustellen ist.«
Quelle: Pressemitteilung »Die Unabhänigen« vom 20.08.2020
FDP nominiert Kathrin Weiher
Die FDP Lübeck wird für die Wahl zur Senatorin/zum Senator für den Fachbereich IV – Kultur und Bildung Amtsinhaberin Kathrin Weiher vorschlagen.
»In einem durch CDU und SPD manipulierten Auswahlverfahren steht für uns nach dem offiziellen Hearing fest, dass die Amtsinhaberin die qualifizierteste Bewerberin ist«, so der Fraktionsvorsitzende Thomas Rathcke. »Wir bedauern den Verlauf des bisherigen Verfahrens, dem CDU und SPD einen bedenklichen Stempel aufgedrückt haben. Eine öffentlichkeitswirksame Vorfestlegung auf eine Kandidatin, noch bevor sich weitere Bewerberinnen und Bewerber im offiziellen Hearingtermin vorstellen konnten, war diesen gegenüber nicht fair und hätte es nach unserem Verständnis nicht geben dürfen. So wurde das Auswahlverfahrens zur Farce«. Wir setzen auf Führungserfahrung, Sach- und Fachverstand und nicht auf ein Parteibuch. Die Herausforderungen dieser Tage verlangen zudem nach Verlässlichkeit und Beständigkeit. In einem schwierigen und politisch geprägten Umfeld hat Frau Weiher sich in den letzten 6 Jahren behauptet. Sie war stets bemüht, mit den vorhandenen Ressourcen verantwortlich umzugehen. Und sie hat den Mut, Dinge zu hinterfragen, andere Meinungen zu vertreten und neue, auch visionäre Wege zu gehen. Mit diesem konsequenten Vorgehen hat sie sich nicht immer Freunde gemacht. Es war aber ganz im Sinne ihrer Aufgabe, die sie für die Hansestadt wahrgenommen hat. Auch als erste stellvertretene Bürgermeisterin hat sie sich in den Dienst der Sache gestellt und die Hansestadt in vielen Gremien und bei vielen Veranstaltungen würdig vertreten. Wir danken Frau Weiher für ihr bisheriges Wirken und laden auch andere Bürgerschaftsmitglieder dazu ein, am kommenden Donnertag in einemehrlichen und fairen Verfahren das Stimmrecht wahrzunehmen und für eine neue, eine zweite Amtszeit von Frau Senatorin Weiher zu stimmen.
Quelle: Pressemitteilung FDP Lübeck vom 25.08.2020
DIE LINKE. Lübeck kritisiert die Wahl der Senatorin
»Eine echte Wahl haben wir nicht!« stellt Katjana Zunft, stellv. Fraktionsvorsitzende der LINKEN, entrüstet fest. »Die Groko hat die Posten schon unter sich aufgeteilt und so bestimmen sie alleine, wer es wird. Da geht es dann ausschließlich um das Parteibuch. Das schadet meiner Meinung nach den Kandidierenden, denen wir erstmal keine Qualifikation absprechen möchten. So werden sie aber immer wieder zu hören bekommen, dass sie nur wegen des Parteibuchs zu dem Job gekommen sind.«
Gestern hat DIE LINKE in einem Hearing die SPD-Kandidatin und die beiden verbliebenen Bewerber:innen angehört und befragt. Viele Bewerber:innen hatten ihre Kandidatur zurückgezogen, nachdem die SPD ihre Kandidatin benannt hat.
»Wir haben für uns ein klares Bewertungssystem aufgestellt, nachdem wir den Posten besetzten wollen,« erklärt Andreas Müller, Vorsitzender der Linken Lübeck. »Demnach stehen für uns neben einer hohen Kompetenz, Soziales, Inklusion, Kinder- und Jugendarbeit im Mittelpunkt. Nach diesen Kriterien haben wir die verbliebenen Bewerber:innen angeschaut und nicht nach der Parteizugehörigkeit, dennoch muss man feststellen – die SPD hat einen guten Vorschlag unterbreitet.« so Andreas Müller weiter.
In einer abschließenden Bewertung haben Partei und Fraktion beschlossen, ihre Stimmen der SPD-Kandidatin Monika Frank zu geben.
»Wir trauen Frau Frank zu den großen und schweren Fachbereich zu leiten und erwarten von ihr, dass sie ihre Vorstellungen gerade im Bereich der Inklusion umsetzt und sich uns und den Vereinen und Verbänden gegenüber offen und kommunikativ verhalten wird. Wir wünschen uns eine konstruktive Zusammenarbeit, die auf Augenhöhe stattfindet«, erklärt Andreas Müller weiter.
Quelle: Pressemitteilung Die Linke, Lübeck
Externer Link zum Thema: Artikel zur Nominierung der SPD-Kandidatin vom 08.08.2020 auf HL-live.de
1 http://www.hl-live.de/text.php?id=139738