MENSCHEN & MEER
Travemünde 13.02.2020
Travemünder und Touristen
Als Lothar Schwedler 1948 in die Travemünder Altstadt zog, war die Kurgartenstraße voller Kinder. Als seine Straße vor einigen Jahren saniert wurde und ein Fernsehsender eine Eigentümerfamilie mit Haus und Kindern interviewen wollte, war niemand zu finden. »Es gab nicht eine Familie«, erzählt Lother Schwedler. Die Kurgartenstraße verändert sich. Ein Drittel sind schon an Urlauber vermietet, schätzen die Schwedlers.
Lother und Anita Schwedler können sich noch an die Zeiten erinnern, als die Geschäftsinhaber über ihren Läden wohnten und Zimmervermieter den Sommer über in den Heizungskeller zogen. Was immer da war, war die lebendige Nachbarschaft. Jetzt, meint Anita Schwedler, stirbt der Ort aus. Die Gebäude würden von den Kindern oft nicht mehr übernommen. »Die Häuser sind zu klein und Travemünde hat sehr wenig Berufsmöglichkeiten.« Wenn früher ein Haus gekauft wurde, meint Anita Schwedler, seien die Käufer wenigstens zum Teil eingezogen. Heute sind die Travemünder Häuser nur noch Geldanlage. »Die Käufer sanieren sehr gut, aber es geht dann nur an Sommergäste.« Dass die historischen Häuser so erhalten bleiben, ist für die Eheleute das positive an der Sache. Was sie vermissen, sind die Kinder. Es gibt nur noch die alten Travemünder und die Touristen.
Dabei stören die Reisenden die beiden überhaupt nicht. Oft gucken sich Urlaubsgäste das schöne kleine Haus von 1899 an. »Mein Mann winkt alle rein«, erzählt Anita Schwedler. So lernen die beiden auch die Besonderheiten der internationalen Gäste kennen. »Die Japaner finden das ulkig, wenn man vorne gießt«, erzählt Anita Schwedler. »Wahrscheinlich haben die nicht genug Wasser in Japan«, vermutet sie. Und die Amerikaner würden immer Steiff Tiere kaufen wollen. Die gäbe es in Travemünde aber nicht mehr, seit vor Jahren Gärtner in der Rose geschlossen habe.
Manchmal gibt es lustige Begebenheiten mit den Touristen. So haben die Schwedlers am Haus ein Schild mit der Aufschrift »Willkommen« in finnischer Sprache. Als ein Nachbar die Schwedlers besuchte, ging ihm ein finnisches Ehepaar einfach hinterher. In der Annahme, es handele sich um ein aus der Heimat bekanntes kleines Haus mit Außencafé. Lother Schwedler wiederum war sich nicht sicher, ob es sich nicht um Verwandte handle, die er nur nicht kannte. Also bot er Kaffee an. Der Mann wollte lieber ein Bier, und der Travemünder servierte in der Küche. Erst als die beiden nach der Rechnung fragten, klärte sich der Irrtum auf: »Nee, Zahlen gibt’s hier nicht«, sagte Lothar Schwedler. Verwandt oder nicht, das Bier und den Kaffee hätten sie bei ihm so oder so bekommen. TA