ORTSGESCHEHEN 1 59
Travemünde 23.11.2019
Haus Seeblick in Gefahr: Kann man das 100 Jahre alte Gebäude verschieben?
Es ist ein richtig schönes, solides altes Haus, das da am Brodtener Steilufer steht. Noch, denn bis zum immer wieder mal abbrechenden Abgrund sind es nur noch acht Meter. Längst ist eine Diskussion darüber entbrannt, ob man es nicht nach hinten verschieben könnte. Denn vielen Menschen liegt das bekannte Gebäude am Herzen.
Immerhin seit 60 Jahren nutzen Kinder und Jugendliche das Gebäude für Freizeit, Bildung und Erholung. Dazu kommen die unzähligen Wanderer, die Tag für Tag an dem Gebäude vorbeigehen. Da ist es kein Wunder, dass das Haus eine Menge Fans hat, die es gerne retten würden.
Am Samstag hatten die Betreiber, die »Sozialistische Jugend Deutschlands – Die Falken« zu einem »Tag der offenen Tür« geladen (TA berichtete). Vom Strandbahnhof aus fuhr sogar ein kostenloser kleiner Shuttlebus zu dem Haus. So nutzten zahlreiche Besucher die Gelegenheit, sich das Gebäude mit der einfachen, aber gepflegten Ausstattung und dem umwerfenden Ausblick einmal (oder nochmal) von Innen anzuschauen.
Mit dem »Tag der offenen Tür« hatten die Falken auch auf die Situation des Hauses aufmerksam machen wollen. Nach Schätzungen der Betreiber wird das Haus nur noch zwei bis fünf Jahre nutzbar sein, wie Renate Paulien-Wittmaack, Lübecker Kreisvorsitzende der Falken, im Interview mit »Travemünde Aktuell« (siehe Kasten unten) erzählte.
Beim »Tag der offenen Tür« wurde über verschiedene Lösungsmöglichkeiten gesprochen, von einer Verschiebung des kompletten Gebäudes ins Landesinnere über die Wiederverwundung von Teilen nach einem Abbau bis zu einem einfacheren Neubau, der ja dann vielleicht nur fünfzig Jahre halten müsste. Bis das Steilufer wieder näher gerückt ist … TA
Interview mit Renate Paulien-Wittmaack, Lübecker Kreisvorsitzende der Falken
- TA: Als früher die Trave verbreitert wurde, hat man mehrere Häuser nach hinten verschoben. Geht das hier am Brodtener Steilufer nicht auch?
- Renate Paulien-Wittmaack: Man kann ein Haus verschieben. Wir würden das gerne tun, aber es gibt viele Vorschriften, die dem entgegenstehen.
- TA: Zum Beispiel der Landschaftsschutz?
- Renate Paulien-Wittmaack: Das ist das Landschaftsschutzgebiet Brodtener Winkel. Und unser Haus liegt im sogenannten Außenbereich. Das gehört nicht zur Ortschaft Brodten und Bauen im Außenbereich ist nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen möglich. Da müssen übergeordnete Interessen eine Rolle spielen. Wir meinen, hier sind übergeordnete Interessen vorhanden. Wenn wir das Haus woanders wiedererrichten, am Ende das Grundstückes, dann könnte der Europawanderweg direkt an der Küste weiter entlanggeführt werden. Und ein übergeordnetes Interesse ist Kinder- und Jugendarbeit, die dann weiterhin hier direkt an der Küste stattfinden könnte.
- TA: Nun ist das Haus ja einhundert Jahre alt, ist es noch kein Denkmal?
- Renate Paulien-Wittmaack: Nein, es ist kein Denkmalgeschütztes Haus. Selbst wenn es das wäre, hätte es nur Bestandsschutz und mehr nicht. Es darf noch so lange stehen bis die Küste sagt, nun nicht mehr.
- TA: Wie weit darf die Kante denn ran ans Haus, bevor es zu gefährlich wird?
- Renate Paulien-Wittmaack: Da gibt es gar keine besonderen Vorschriften. Das Haus muss sicher stehen. Und das müssen wir dann regelmäßig kontrollieren lassen.
- TA: Macht das ein Experte, ein Statiker vielleicht?
- Renate Paulien-Wittmaack: Im Augenblick noch nicht. Im Augenblick ist überhaupt keine Gefahr. Was wir wissen ist, dass von der Kurverwaltung jeden Tag regelmäßig jemand diesen Wanderweg abgeht. Und dadurch sind wir auch ganz sicher, dass nichts passiert.
- TA: Gibt es denn intern eine Schätzung, dass Sie vielleicht sagen drei Jahre noch, fünf Jahre noch …
- Renate Paulien-Wittmaack: Also unsere Schätzung ist zwei bis fünf Jahre. Wir können uns ja nicht genau festlegen. Aber es sind jetzt nur noch ungefähr acht Meter. Und man sagt ja, ein Meter pro Jahr bricht es ab. Aber manche Jahre bricht gar nichts ab und dann mit einem Mal drei bis fünf Meter. Und wann das sein wird, das wissen nur die Stürme, die auf uns zukommen.
- TA: Waren es denn letztes Jahr noch neun Meter?
- Renate Paulien-Wittmaack: Ja, letztes Jahr waren es hier vorne direkt hier vor dem Haus neun Meter. Da ist etwas abgebrochen. Und bei dem Sturm zum Jahreswechsel 2017/2018, da sind hier vorne ja fünf Meter abgebrochen. Da mussten wir auch die großen Bäume, die da standen, hinterher absägen. Weil die ja nicht mehr sicher standen und damit die Wanderer gefährdeten.
- TA: Gibt es denn schon eine Initiative »Rettet das Seeblick?« Ein bisschen druck muss man ja machen, sonst passiert da nichts, oder?
- Renate Paulien-Wittmaack: Wir sind in ganz engen Gesprächen mit Vertretern der Stadt. Wir waren auch schon vorstellig beim Land. Also Küstenschutz, Naturschutz, das war alles eher problemlos. Wir haben hier Probleme durch die Vorschriften des Baurechtes im Außenbereich. Und eben das Landschaftsschutzgebiet. Bei allen Baumaßnahmen hat die untere Naturschutzbehörde ja ein Mitspracherecht. Und die haben da starke Bedenken.