KUNST & KULTUR
Travemünde 25.08.2019
Vernissage zum Smartphone und Leben
Fotografik und Fotografisches von und mit Thomas Radbruch
Sich eine Vernissage zur besten TV-Zeit an einem Samstag um 19 Uhr zu leisten, ist wie ein Akt des Selbstbewusstseins, das von der Kunst auszuströmen scheint und mit dem man wie selbstverständlich die Fangemeinde zum Empfang in die Bertlingstraße bittet. Kunstwerkerin Ninette Mathiessen ließ vor reichlich versammeltem Publikum leere Weingläser erklingen. Die Gespräche verstummten und sie erzählte spontan von einem Mann, der in den Abendstunden interessiert die Schaufester ihrer Galerie inspizierte. Eine Ansprache nach der kundenfreundlichen Norm »Kann ich Ihnen helfen« ergab, dass seine Aufmerksamkeit den ausgestellten Kunstwerken und wohl auch der Galerie galt.
Der so angesprochen sagte, sein Name sei Radbruch. »Herr Radbruch« meinte dann die Kunstwerkerin, und verblüfft nachschiebend mit Fragezeichen »DER Radbruch aus Lübeck?« Ja, so war es. Und dies war der Schlüssel, der die Tür zum heutigen Abend öffnete. Ninette Mathiessen bat Thomas Radbruch zu sprechen. Seine Rede galt dem Handy, auch Smartphone, als einem Ding, zu dem man sagen könne, viel ginge auch ohne dieses. Aber auch, dass man ihm den Mantel eines Lebensabschnittpartners umhängen könne, so präsent sei es und so eng sei es mit dem eigenen Leben verbunden.
Die Fotografiken um ihn herum und seine Worte vorgelesener Prosa verschmolzen zu einem Gesamtkunstwerk. Der Vorschlag von ihm, auch Kostproben eines in Arbeit befindlichen literarischen Werkes zu zitieren, besorgte Ninette Mathiesen durch einen gekonnten Eingriff in den Ablauf des Geschehens. Die kurze Lesung begann sofort und führte wie sich bald zeigte, zu einem sehr lohnenden Fortgang der Vernissage.
Herr Radbruch nahm die anwesenden Menschen mit auf eine Reise in einem Weltraumschiff. »Stellen Sie sich das mal vor, im Jahre 2098, wenn der Berliner Flugplatz gerade fertig geworden ist, fliegen Sie mal übers Wochenende zum Abenteuerspielplatz auf den Mars. Und auf dem Rückflug fällt einem der Passagiere der ganze Müll auf, der am Schiff vorbeizieht. Alles entsorgte Smartphones …« wobei man eigentlich wieder beim Thema der Vernissage gewesen wäre, wenn das Zitieren aus seinem neuen literarischen Texten die Menschen nicht noch weiter fasziniert und fast schon in philosophische Sphären geführt hätte. Mal zum Schmunzeln, mal Ernstes einfordernd.
Das Thema »20 WAYS TO LEAVE YOUR SMARTPHONE« war mit dem Zitat zum vorbeiziehenden Müll wieder allgegenwärtig geworden. Immer wieder kam Staunen auf, mit welcher grafischen Phantasie so viele kaputte Smartphones ein Bild, ja eine Fotografie für ihn wert waren um diese in Bilder zu formen, die Fotografien zu verfremden und zu einer Vernissage zusammenzuführen. Und nicht immer erweckten diese digitalen Konstrukte den Eindruck, dass sie geborsten, gebrochen oder gar ganz zerstört sind, es war auch, als schienen sie einfach nur modifiziert. Es verbleibt Mahnendes aus seinen Werken. Mal Pause machen mit dem Stress aus Smartphones und dem Fortschritt der künstlichen Intelligenz. Thomas Radbruch: »Es ist irrsinnig was wir treiben.« Ein kurzer Satz, sein Fazit. KEV – Fotos Karl Erhard Vögele