TRAVEMÜNDER WOCHE
Travemünde 20.07.2019
Alle zwanzig Minuten klingelt der Wecker
Lina Rixgens segelt auf der »Travemünder Woche« – Und in zwei Jahren allein über den Atlantik
Im Alter von 15 Jahren ist Lina Rixgens das erste Mal über den Atlantik gesegelt, im Rahmen eines Schulprojektes. 14.000 Seemeilen legte sie mit 35 Mann an Bord auf dem Traditionsschiff »Johan Smidt« zurück. Damit war das Interesse an Hochseeregatten geweckt. Zurzeit trifft man die Seglerin auf der »Travemünder Woche«.
Lina Rixgens stammt aus Köln, wo man auf kleinen Baggerseen segelt. Regattaerfahrung sammelte sie dann auf der Ostsee. Ihre Bootsklasse ist das »Mini 6.50«, die Zahl steht für die Schiffslänge von 6,50 Metern. Damit ist sie im Jahre 2017 ihre erste »Mini-Transat«, eine Einhand-Transatlantikregatta, gesegelt. Allein von Frankreich nach Martinique, mit Zwischenstopp auf den Kanaren. Zwei Jahre lang hatte sie sich intensiv darauf vorbereitet, ist dafür extra ein halbes Jahr nach Frankreich gezogen. »Weil da sehr viele von diesen Bootstypen liegen und man da zusammen trainieren kann«, erzählt sie im Gespräch mit »Travemünde Aktuell.« Eine intensive Vorbereitung: »Man muss wissen, wofür alle Strippen da sind, das sind doch recht viele für so ein kleines Boot«, erklärt die Segelsportlerin. Außerdem müsse man ohne elektrischen Kartenplotter navigieren können. GPS ist an Bord, dann wird mit klassischen Seekarten aus Papier gearbeitet. »Und dann muss man es vor allem managen können, so lange alleine klarzukommen und so lange mit so wenig Schlaf klarzukommen, weil man nur zwanzig Minuten am Stück schlafen kann«, erklärt sie. Zwanzig Minuten ist in etwa die Zeit, in der sich ein Schiff vom Horizont nähert. »Im schlimmsten Fall fährt man irgendwo gegen«, sagt sie. Also klingelt an Bord alle zwanzig Minuten der Wecker. Dann checkt sie den Schiffsverkehr rundherum und die Windbedingungen. Und vor allem, weil es ja eine Regatta ist, ob man immer noch schnell ist«, sagt Lina Rixgens. Wenn der Wind sich geändert hat, muss vielleicht ein anderes Segel gesetzt werden. 18 Tage hat sie vor zwei Jahren allein auf See verbracht. Die anderen Teilnehmer hat sie beim Start gesehen und dann so gut wie gar nicht mehr. Nur Wasser bis zum Horizont. Am Mast wird ein Gaskocher aufgehängt, das ist dann die Bordküche, denn das »Mini 6.50« ist nicht ausgebaut. Es gibt gefriergetrocknetes Tütenessen. »Das schmeckt besser als es klingt«, sagt Lina Rixgens. Den Gerichten wurde das Wasser entzogen. An Bord muss sie dann nur Wasser aufkochen und es damit übergießen. Denn je nachdem, wie die Bedingen auf See sind, kann alles sehr schwierig werden, selbst das Aufkochen von Wasser. Ihr Lieblingsgericht ist Beef Stroganoff. »Das ist sehr gut«, sagt Lina Rixgens .
Privat studiert die Kölnerin derzeit im Grundstudium Medizin in Belgien, macht im Juli aber ein Praktikum an der Lübecker Uniklinik, derzeit in der Anästhesie. So kann sie Abends ihr Boot vorbereiten für die »Travemünder Woche«. Das ist brandneu, ist vor einer Woche erst ins Wasser gekommen und kommt auf der TW das erste Mal zum Einsatz. Am Freitag gleich nach Eröffnung der Veranstaltung wurde es am Steg im Passathafen getauft. »Ich bin noch nicht damit gesegelt«, sagt Lina Rixgens im Gespräch mit »Travemünde Aktuell«.
Auf der »Travemünder Woche« ist bei der Double Handed Offshore Deutschen Meisterschaft (25. bis 28. Juli 2019) dabei. Dabei ist auf der Ostsee seine Wettfahrt über 100 Seemeilen zu bestreiten, bei der die Teilnehmer auch nachts unterwegs sein werden. Dazu gibt es noch mehrere Kurzstrecken um die 30 Seemeilen. Immerhin ist man da zu zweit an Bord.
Weil sie auf ihrem neuen Boot noch nicht gesegelt ist, kann sie ihre Konkurrenz in Travemünde schlecht einschätzen. Zwölf Boote gehen an den Start, darunter ein weiteres Mini 6.50. »Wenn man jetzt schön Wind von hinten hat die ganze Zeit, dann läuft das super. Aber wenn man viel kreuzen muss, wenn der Wind von vorne kommt, dann ist man sehr langsam«, sagt die Seglerin. Das liegt an der besonderen Bauform Bootes. Bei 6,50 Meter Länge und 3 Metern Breite hat es ein sehr großes Cockpit, wiegt nicht mal eine Tonne und die Hälfte des Gewichtes ist nur im Kiel. »Wenn der Wind von hinten kommt, ist es dadurch extrem schnell, kommt schnell ins Gleiten«, sagt Lina Rixgens.
Die »Travemünder Woche« kennt sie noch aus dem Jollenbereich, war in früheren Jahren bei der deutschen Meisterschaft und der Europameisterschaft mitgesegelt. Und danach? »Ich werde wahrscheinlich auch den Rest der Saison hier lieben bleiben mit dem Boot«, sagt sie. Sie möchte noch ein paar Langstreckenregatten auf der Ostsee fahren. Im August in Dänemark und im Herbst von Polen aus um Gotland herum und zurück.
Das »Mini 6.50« (Bildmitte, mit der Nummer 982) in ganz neuem Design liegt im Passathafen, wurde am Eröffnungsabend der »Travemünder Woche« getauft. Lina Rixgens ist gespannt auf ihre erste Regatta mit dem Boot. Foto: TA
Ihr großes Ziel ist dann wieder der Atlantik: Bei der »Mini Transat 2021« möchte sie nochmal dabei sein. Etwa 80 Teilnehmer wird es geben, jeder ist allein auf seinem Boot. Von Frankreich geht es über die Kanaren und dann, das steht noch nicht ganz fest, entweder in die Karibik oder nach Brasilien. Dann klingelt wieder alle zwanzig Minuten der Wecker. Findet man danach überhaupt wieder in einen normalen Schlafrhythmus? Die junge Segelsportlerin hat damit kein Problem: »Selbst nach über zwei Wochen auf See in dem Rhythmus kann ich sofort wieder zehn Stunden durchschlafen«, sagt sie. TA
1 http://www.linarixgens.de