KUNST & KULTUR
Travemünde 28.02.2019
»William Turner trifft Johann W. v. Goethe«
Eine kunsthistorische Reise mit dem Verein für Kunst und Kultur im ATLANTIC Grand Hotel Travemünde
Die Überraschung war groß: bereits einige Zeit vor Beginn war der Saal voll und Direktor Kay Plesse, der dieser Premiere bewohnte, hatte alle Hände voll zu tun, weitere Stühle heranzuschaffen. Silke Scheunemann-Eichner konnte weit über 100 Zuhörer begrüßen. Der Verein für Kunst und Kultur zu Travemünde e.V. plane für das neue Jahr Kunstvorträge in den Räumlichkeiten des ATLANTIC Grand Hotel in Travemünde. Die heutige Premiere, so Silke Scheunemann-Eichner sei der Start dieses neuen Projektes, den Travemündern künftig vor Ort anspruchsvolle Veranstaltungen aus dem Bereich von Kunst und Kultur anzubieten.

Der Referent des Abends war Dr. Jochen Schröder vom »kunstforum matthäus«, Hamburg. Dr. Jochen Schröder studierte Kunstgeschichte, Archäologie, Mittellatein und Philosophie in Köln und Bonn und forschte zu Themen der mittelalterlichen Kunst und ihres geistesgeschichtlichen Umfeldes. Weitere Schwerpunkte sind die Kunst der Romantik und aktuelle Städtebaukonzeptionen. Dr. Schröder nahm die interessiert lauschenden Zuhörer mit auf die Reise, mit der hochentwickelten Sprache der Kunsthistoriker und vielen Bildbeispielen das Leben und Wirken des englischen Malers William Turner und seine damalige Einbindung in die Gesellschaft zu beschreiben, ferner die Besonderheit seiner Werke.

Wenn als Titel »Turner trifft Goethe« gewählt wurde, so wegen der Bedeutung der Farbenlehre Goethes für den damals als exentrischen Aufrührer geltenden William Turner. Goethe (1749-1832) und Turner (1775-1851) kannten sich nicht persönlich, schon die Sprachbarriere stand dagegen; doch beide hatten über Licht und Farbe tiefgründig nachgedacht und praktiziert. Als Elizabeth Rigby, nachmals Lady Eastlake, Goethes Farbenlehre nach 1835 sukzessive ins Englische übertrug, nahm Romantik-Maler Turner diesen Text für ein malerisches Manifest in Anspruch, das seinesgleichen sucht: die berühmten Sintflutbilder seines Spätwerks.
Dr. Schröder schilderte die Farbenlehre Goethes, der darin seine Überlegungen, Literaturstudien und Versuche über das Wesen der Farbe darzustellen suchte. Goethes Verdienst war es, das Phänomen Farbe nicht einseitig physikalisch sondern in seiner Gesamtheit zu erfassen und zu beschreiben. Anerkennung erreichte er jedoch nur mit dem Abschnitt »Physiologische Farben«, der die Erkenntnisse zur Farbwahrnehmung enthält. Doch während die Farbenlehre Goethes bei Künstlern wie William Turner Anklang fand, konnten sich seine Ansichten gegen Isaac Newtons hundert Jahre ältere Theorie des Lichtes in der Naturwissenschaft nicht durchsetzen.

Dennoch floß die Farbenlehre Goethes in den Malstil Turners ein. Ein Minimum an Gegenständlichem ist mit einem Höchstmaß an atmosphärischen Farb- und Helligkeitsabstufungen in seinen Werken wiedergegeben. Diese Gemälde sind es, die Turner als Vorläufer der Abstrakten Kunst erscheinen lassen. Turner gilt somit als Schlüsselfigur für den Übergang der Malerei zur historischen Moderne. Mit lange anhaltendem Beifall bedankte sich das Publikum bei Dr. Schröder und auch für die gelungene Premiere des Vereins für Kunst und Kultur zu Travemünde e.V.. KEV – Fotos Karl Erhard Vögele