ORTSGESCHEHEN 1 72
Travemünde 09.10.2018
Der Verrat vom Priwall
Wie ausgerechnet der Landschaftspflegeverein die Klage gegen Waterfront platzen ließ

Es mag ein Zufall sein, dass zeitgleich zwei Feiern stattfanden: Während Geschäftsführer Matthias Braun mit geladenen Gästen wie Manfred Bohlen vom Kieler Umweltministerium, Max Schön vom Vorstand der Possehl-Stiftung und Lübecks frisch gebackenem Bürgermeister Jan Lindenau (SPD) die Ehrung durch die UN und den 40. Jahrestag seines Vereins im Hafen vor der Waterfront begingen, traf sich die »Bürgerinitiative behutsame Priwall-Entwicklung« (BiP) am Feuerwehrhaus vor dem Naturschutzgebiet. Die Bürgerinitiative, die bis heute gegen das touristische Großprojekt kämpft, feierte zehnjähriges Bestehen.
Die alten Jugendfreunde Braun und Bruders hatten einst vereinbart, dass der Landschaftspflegeverein gegen das Waterfront-Projekt klagen solle. Aus juristischen Gründen war das der Bürgerinitiative selbst nicht möglich. Aber die Bürgerini hatte für die Finanzierung gesorgt und die Argumente passten sehr gut zu den Interessen der Landschaftsschützer: Besonders auf den Vogelschutz wird auf vielen Seiten des Entwurfs eingegangen, speziell unter anderem auf Waldohreule, Gänsesänger, Feldlerche und geschützte Fledermausarten.

Am 19. Februar 2016 war es so weit. Der Rechtsanwalt der Bürgerinitiative schickte den Entwurf des »Normenkontrollantrags« an Siegbert Bruders und Matthias Braun, mit der Bitte um Freigabe innerhalb der nächsten zehn Tage. Doch so lange brauchte der Landschaftspflegeverein nicht: Nach wenigen Stunden kam ohne jede Vorwarnung die Absage: »Aufgrund der beendeten politischen Diskussion um den B-Plan Waterfront Priwall ziehen wir unsere Vollmacht zur Führung eines Normenkontrollverfahrens hiermit zurück«, schrieb Matthias Braun im Namen des Landschaftspflegevereins.

Damit war es mit der Klage vorbei und mit der Freundschaft auch. Bei späterer Gelegenheit, wird erzählt, soll Bruders Braun nicht einmal mehr die Hand gegeben haben. »Ich habe es nicht verdaut. Ich bin nach wie vor verärgert«, sagte Bruders auch Jahre später noch auf der Jubiläums-Feier der Bürgerinitiative.

Politisch sind Matthias Braun und auch Vorstandskollegin Antje Jansen der GAL (Grün Alternativ Links) zuzuordnen, für die sie auch bei der jüngsten Kommunalwahl als Kandidaten angetreten sind.
Von Grünen, alternativen, linken Politikern mag man nicht unbedingt erwarten, dass sie aufgrund einer »beendeten politischen Diskussion« einfach so aufgeben. Andererseits hat sich die GAL (nach schwachem Wahlergebnis) durch Zusammenschluss mit den »Freien Wählern« zu einer Fraktion als durchaus kompromissfähig erwiesen.
Von seiner Historie her geht der Landschaftspflegeverein jedenfalls auf kampfeslustigere Akteure zurück: Auf seiner Website wird an »Besetzungen von Hafenerweiterungsflächen«, »polizeilicher Räumung« und »Bauwagen-Protestcamps« in den achtziger Jahren gesprochen. Das liest sich zumindest so, als wäre das Dummersdorfer Ufer heute eher Industriehafen als Landschaftsschutzgebiet, wenn sich die damaligen Aktivisten einfach so der politischen Mehrheit gebeugt hätten.
Die Zeiten haben sich geändert: In den 1980er Jahren schützten Idealisten die Natur am Dummersdorfer Ufer, heute haben Gehaltsempfänger das Sagen im Verein. Antje Jansen wohnt schon lange nicht mehr im Bauwagen und auch Matthias Braun kann man sich in einer rotgeklinkerten Doppelhaushälfte besser vorstellen als in einem Baumhaus im Hambacher Forst.
Der Landschaftspflegeverein vom Dummersdorfer Ufer hat seinen Einfluss auf dem Priwall in den vergangenen Jahren erheblich ausweiten können: Man hat von der Stadt ein Grundstück im Fliegerweg, gekauft, das gerade erweitert wird. Gleich neben dem Feuerwehrhaus, wo sich die Bürgerinitiative immer trifft. Der Landschaftspflegeverein bewirtschaftet die zentrale Wiese, pflanzt, zieht Zäune, organisiert Führungen durchs Landschaftsschutzgebiet, will eine Insel in der Pötenitzer Wiek aufschütten und vieles mehr.

Die Bürgerinitiative vom Priwall bereitet sich nun langsam auf eine Klage gegen den zweiten Bauabschnitt von »Priwall Waterfront« vor und muss sich einen neuen Partner suchen. Vom Priwallhafen bis zur Priwallfähre sollen nach Willen des Investors noch mehr Tourismus-Bauten entstehen, nach Willen der Bürgerinitiative bleibt es dort grün. Man setzt dabei auf die Anwohner, die diesmal Klagerecht haben. Aber ob die über die Jahre dabeibleiben? Bürgerschaftsmitglied Ulrich Krause (CDU) sprach kürzlich davon, dass vor dem Jahr 2025 über einen Bebauungsplan gar nicht entschieden wird.
Vielleicht, wird gemunkelt, gibt es bald einen neuen Naturschutzverein. Einen für den Priwall. TA
Matthias Braun, Geschäftsführer vom »Landschaftspflegeverein Dummersdorfer Ufer e.V., ist Live-Gast bei »Radio Travemünde«. Im Rahmen des 278. »Travemünder Journal« spricht Rolf Fechner von »Radio Travemünde« mit Live-Gast Matthias Braun. Die Sendung läuft am Dienstag, 09.10.2018, von 17:00 bis 18:00 Uhr im Offenen Kanal. Zu empfangen auf 98,8 MHz über Antenne, 106,5 MHz im Kabel und auch als Livestream unter www.okluebeck.de.