ORTSGESCHEHEN 4 438
Travemünde 26.07.2017
Stadt liegen zu Pagodenzelten keinerlei Unterlagen vor
Günter Wosnitza erstattet Strafanzeige

»Bei Zelten mit einer Grundfläche kleiner 75 m² ist keine Ausführungs-Genehmigung erforderlich«, heißt es in der Antwort der Stadt. »Ebenso wenig ist eine Anzeige über die Aufstellung und ein Einreichen eines Prüfbuches erforderlich. Es liegen uns daher zu den Pagodenzelten keinerlei Unterlagen vor. Für uns als örtliche Bauaufsicht gibt es daher keine gesetzliche Grundlage für eine Genehmigung/ Versagung oder eine Kontrolle der Prüfbücher.«
Ganz anders sieht das Günter Wosnitza aus Travemünde: »Gemäß der verschärften DIN Fliegende Bauten, die als Auszug (Erläuterung) beigefügt ist, sind die eng gestellten Pagodenzelte als ein Bauwerk (räumliche Einheit) anzusehen«, schreibt er in einer Strafanzeige, die er am Mittwochmittag bei der Einsatzleitung der Polizei auf der »Travemünder Woche« abgegeben hat.

»Hiermit erstatte ich Strafanzeige gegen verantwortliche Betreiber der ungesicherten Pagodenzelte und Verantwortliche der Genehmigungs- und Überwachungsbehörden wegen des Verdachtes, eine Gefährdung der Allgemeinheit (hier Besucher der Travemünder Woche) billigend in Kauf genommen zu haben«, schreibt Wosnitza in seiner Strafanzeige. Und nimmt besonders das Bauamt von Senatorin Joanna Glogau (parteilos) in die Kritik: »Bei den Verantwortlichen des Bauamtes der Hansestadt Lübeck kommt erschwerend hinzu, dass die verschärfte DIN Vorschrift fliegende Bauten ausdrücklich als Prüfinstanz benennt«, schreibt Wosnitza.
Die Verkaufszelte auf der »Travemünder Woche« hatten nach der windbedingten Schließung am Dienstag nun am Mittwoch wieder geöffnet. TA
Die LBO regelt in § 76 die Genehmigung sogenannter »Fliegender Bauten«. Danach wird in § 76 Abs. 2 Nr. 4 unterschieden zwischen Zelten, die eine Grundfläche unter bzw. über 75 m² haben. Bei Zelten mit einer Grundfläche kleiner 75 m² ist keine Ausführungs-Genehmigung erforderlich.
Bei Zelten mit einer Grundfläche ab 75 m² ist eine (auf höchstens fünf Jahre befristete) Ausführungsgenehmigung zu beantragen. Die Genehmigung wird von der Unteren Bauaufsichtsbehörde erteilt, in deren Bereich der Antragsteller seine gewerbliche Niederlassung oder seine Hauptwohnung hat. Zelte größer 75 m² dürfen nur in Gebrauch genommen werden, wenn ihre Aufstellung der örtlichen Bauaufsicht angezeigt wurde und das Prüfbuch vorgelegt wurde. Die Bauaufsicht kann die Inbetriebnahme von einer Gebrauchsabnahme abhängig machen.
In diesem Fall ist jedoch aufgrund der Größe unter 75 m² keine Ausführungsgenehmigung erforderlich. Ebenso wenig ist eine Anzeige über die Aufstellung und ein Einreichen eines Prüfbuches erforderlich. Es liegen uns daher zu den Pagodenzelten keinerlei Unterlagen vor. Für uns als örtliche Bauaufsicht gibt es daher keine gesetzliche Grundlage für eine Genehmigung/ Versagung oder eine Kontrolle der Prüfbücher.
Für die Einhaltung der Verkehrssicherheit der Pagoden ist also allein der Eigentümer bzw. Aufsteller verantwortlich.
Quelle: Auskunft von Pressesprecherin Nicole Dorel, Bereich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Hansestadt Lübeck (Mittwoch, 26.07.2017, 12:12 Uhr)
»Für mehrere dicht beieinander stehende Pagodenzelte auf Veranstaltungen wie zum Beispiel der Kieler oder der Travemünder Woche wird in der Regel dann ein Prüfbuch benötigt, wenn eine zusammenhängende Gesamtfläche von mehr als 75m² überdacht wird. Werden zwei oder mehrere Zelte zusammengestellt, die jedes für sich eine Ausführungsgenehmigung haben, so decken die einzelnen Ausführungsgenehmigungen nicht das Gesamtgebilde ab. Es ist grundsätzlich eine Ausführungsgenehmigung für das Gesamtgebilde erforderlich. Ob eine Ausführungsgenehmigung erforderlich ist, entscheidet die jeweilige zuständige Bauaufsichtsbehörde im Einzelfall. Die Entscheidung ist sowohl abhängig von den Möglichkeiten zur Verankerung und Ballastierung der Zelte(Statik), die sehr unterschiedlich konstruiert sein können, wie auch von der Brandschutzplanung vor Ort. Die Ausführungsgenehmigungen von Fliegenden Bauten werden dann seit dem 13. Januar 2017 durch das Prüfamt für Standsicherheit der Landeshauptstadt Kiel erteilt.«
Quelle: Auskunft Ministerium für Inneres, ländliche Räume und Integration des Landes Schleswig-Holstein vom 08.08.2017 auf Nachfrage von »Travemünde Aktuell«
Infos zur »Gebrauchsabnahme Fliegender Bauten« findet man online unter anderem vom Land Brandenburg. Was hat es damit auf sich? Die Antwort:
»Die Ausarbeitung »Gebrauchsabnahme Fliegender Bauten« soll den unteren Bauaufsichtsbehörden des Landes Brandenburg als Orientierung bei der Anwendung und Auslegung geltender Vorschriften dienen.
Das Bautechnische Prüfamt berät die unteren Bauaufsichtsbehörden des Landes Brandenburg in Fragen der Bautechnik und der Bauprodukte. Im Rahmen dieser Funktion werden auch immer wieder Fragen gestellt, die die Gebrauchsabnahme Fliegender Bauten betreffen. Oft sind es Fragen zu konkreten Einzelfällen, die in den Vorschriften nicht so eindeutig geregelt sind. Dann versucht das Bautechnische Prüfamt, bei der Auslegung und Anwendung der Vorschrift auf den konkreten Einzelfall zu beraten.
In der o.g. Ausarbeitung sind die Antworten auf Fragen zusammengestellt, die so oder ähnlich öfter gestellt wurden.
Es sind also keine Vorschriften an sich, sondern nur Hilfen zur Auslegung und Anwendung von Vorschriften des brandenburgischen Landesrechtes.
Die Ausarbeitung ist auch nicht mehr ganz frisch. Zwischenzeitlich wurde die Brandenburgische Bauordnung novelliert. Eine Anpassung der Ausarbeitung an die aktuelle brandenburgische Rechtslage steht noch aus.«
Quelle: Auskunft Landesamt für Bauen und Verkehr, Außenstelle Cottbus Reinhard Janetzko
Die Strafanzeige von Günter Wosnitza im Wortlaut:
Polizei Einsatzleitung
Travemünder Woche
Wasserschutzpolizeirevier
23570 Travemünde 26.7.2017
Strafanzeige
Sehr geehrte Damen und Herren!
Hiermit erstatte ich Strafanzeige gegen verantwortliche Betreiber der ungesicherten Pagodenzelte und Verantwortliche der Genehmigungs- und Überwachungsbehörden wegen des Verdachtes, eine Gefährdung der Allgemeinheit (hier Besucher der Travemünder Woche) billigend in Kauf genommen zu haben. Bei den Verantwortlichen des Bauamtes der Hansestadt Lübeck kommt erschwerend hinzu, dass die verschärfte DIN Vorschrift fliegende Bauten ausdrücklich als Prüfinstanz benennt. Alle Beteiligten der Hansestadt Lübeck waren nach dem Pressegesetz verpflichtet, die Presseanfrage vom 21.7.2017 hierzu zügig zu beantworten und hatten schon allein aufgrund der Fragestellung Kenntnis von einem möglicherweise existierenden Sicherheits-problem der Travemünder Woche (nicht verankerte Pagodenzelte). Aufgrund der sich dramatisch verändernden klimatischen Bedingungen muss allen Beteiligten bewusst gewesen sein, dass es vermehrt zu extremen Wetterbedingungen kommen kann, die bei der Sicherheitsfrage keinen Entscheidungsspielraum lassen!
Nach einer Begehung der Promenade am 25.7.2017 und Inaugenscheinnahme der dort eng aufgestellten Pagodenzelte, bei denen keine der vorgeschriebenen Verankerungen festgestellt werden konnten, hat der Unterzeichner die Polizei aufgesucht. Der zuvor eingeschaltete Sachverständige Architekt Walter Sauermilch hatte nach Schilderung dieses auch als sehr kritisch eingeschätzt.
Zudem war zu dem Zeitpunkt bekannt, dass eine diesbezügliche Presseanfrage vom Freitag den 21.7.2017 an das Presseamt der Hansestadt Lübeck immer noch nicht beantwortet wurde. Nach Befragung einiger Standbetreiber wird angegeben, dass alle Zelte von einer Firma gestellt wurden. Über die Standgenehmigung und die Lagepläne ist nichts bekannt. Alle Zelte weisen augenscheinlich eine Bauform aus, so dass von einer Baureihe und Baujahr ausgegangen werden kann. Gemäß der verschärften DIN Fliegende Bauten, die als Auszug (Erläuterung) beigefügt ist, sind die eng gestellten Pagodenzelte als ein Bauwerk (räumliche Einheit) anzusehen. In diesem Fall haben ältere Zelte nur einen Bestandschutz, um überhaupt noch gestellt werden zu dürfen, wenn ein lückenloses Prüfbuch vorgelegt werden kann. Es besteht daher der Verdacht, dass es sich hier um ein nicht genehmigungsfähiges Vorhaben handelt und darüber hinweg-gesehen wurde. Der Unterzeichner regt an, die beanstandete Pagodenzeltanlage vorübergehend als Tatort einzustufen, da nur so eine Aufklärung erfolgen kann. Immerhin besteht bei solchen nicht ordnungsgemäßen Anlagen die Gefahr, dass es zu schweren Unfällen kommen kann.
Mit freundlichen Grüßen
Günter Wosnitza