MEDIEN/POLITIK 3 112
Travemünde 30.04.2017
Zu früh gefreut
SPD-Chef geht Online-Ente auf dem Leim

Ihren Anfang nahm die Geschichte mit einer Pressemitteilung: Die Lübecker Thomas-Mann-Schule hatte am Samstag (29.04.2017) eine Wahlumfrage durchgeführt und gab nun ihre Ergebnisse bekannt. »Der Umfrage zufolge legt die CDU in Lübeck um 5,3 Prozentpunkte zu, wohingegen die SPD 4,3 Prozentpunkte verliert. Damit bestätigt sich der in anderen Umfragen berichtete allgemeine Aufwärtstrend der CDU.« So weit, so eindeutig.

Der Pressemitteilung lag auch eine Tabelle bei, die zum Vergleich die Ergebnisse aus dem Jahre 2012 enthielt. Und da muss ein Redakteur der »Lübecker Nachrichten« in der Zeile verrutscht sein. Statt 32,4 Prozent verkündete die Schlagzeile »SPD siegt mit 36,7 Prozent« das Ergebnis von 2012, womit die Partei dann ja ihre Werte gehalten hätte.
SPD-Chef Jan Lindenau verlinkte den Artikel im sozialen Netzwerk »Facebook« und kommentierte freudig: »Schon mal ein guter Anfang – jetzt heißt es weiter überzeugen und nicht ausruhen!«
Der SPD-Landtagskandidatin Kerstin Metzner fiel immerhin die Diskrepanz zwischen den Zahlen der Nachrichten-Portale HL-live.de und LN-online.de auf. Und anders als Finanzsenator in spe Lindenau rechnete sie nach: »Eigenartig! Bei der LN sind es in der Summe mehr als 100 %«, wunderte sie sich auf Facebook. Und stellte fest: »Das HL-live Ergebnis ist nicht so SPD-freundlich, aber wenigstens rechnerisch glaubhaft.«

Nun kann auch einem Politik-Redakteur mal eine falsche Zahl durchrutschen und in der Print-Ausgabe am Sonntag wurde das Ergebnis denn auch korrekt wiedergegeben. Die Onliner waren etwas langsamer als Print und korrigierten ihre Schlagzeile erst am Sonntagmorgen.
So konnte die kleine Online-Ente einen Samstagabend lang für Diskussionsstoff im Netz sorgen. Politiker rätselten über die Zahlen oder verfolgten amüsiert die Kommentare.
Das reichte bis hin zu Verschwörungstheorien über die Medien: So kommentierte Bürgerschaftsmitglied Andreas Sankewitz (SPD) den Hinweis, dass HL-live über andere Zahlen berichte mit nur einem Wort: »Passt!« TA
Im Rahmen des Wahlprojektes der Thomas-Mann-Schule befragten am 29.4.2017 ca. 100 Schüler an 17 Standorten in Lübeck rund 1500 wahlberechtigte Lübecker nach ihrer voraussichtlichen Wahlentscheidung bei der Landtagswahl am 7.5.2017.
Die Umfrage ist im strengen Sinne nicht repräsentativ. Wegen der vergleichsweise hohen Zahl an Befragten ergeben sich dennoch starke Hinweise für den Ausgang der Landtagswahl.
Um Rückschlüsse auf das mögliche Landesergebnis zu ziehen, muss man die Gewinne und Verluste gegenüber dem Lübecker Ergebnis der letzten Landtagswahl 2012 betrachten.
Der Umfrage zufolge legt die CDU in Lübeck um 5,3 Prozentpunkte zu, wohingegen die SPD 4,3 Prozentpunkte verliert. Damit bestätigt sich der in anderen Umfragen berichtete allgemeine Aufwärtstrend der CDU.
Die PIRATEN liegen bei nur noch 1,1 %, die LINKE klettert über die 5% Hürde und die in anderen Umfragen sonst stärkere AFD erreicht in Lübeck nur 2,7 Prozent.
Im Rahmen der Umfrage wurde auch das Alter und das Geschlecht der Befragten erfasst:
Es gibt mit einer Ausnahme keinen signifikanten Unterschied im Wahlverhalten von Männern und Frauen. Nur bei den Grünen gibt es einen deutlichen Unterschied: Die Wählerschaft der Grünen ist zu 60% weiblich.
Untersucht man die Altersjahrgänge nach ihren Wahlpräferenzen, so macht man die bekannten Beobachtungen: In der Altersgruppe der 16 – 30 jährigen sind die Grünen (21%) und die Linken (13,4%) überproportional stark vertreten, wohingegen in der Gruppe der über 60-jährigen die CDU (36,4%) die Nase vorn hat.
Mit der Frage, wer nächster Kanzler werden soll, wurde auch schon ein Ausblick auf die nächste Bundestagswahl gewagt: Hier liegt Merkel mit 51,5 % knapp vor Schulz, der 48,5% Zustimmung erhielt.
Untersucht man, wie die Kandidaten bei der eigenen Wählerklientel ankommen, so ergibt sich, dass von den CDU-Wählern 90 % Merkel auch als Kanzlerin wollen, wohingegen von den SPD-Wählern nur 77% Schulz als Kanzler wollen.
Das Wahlprojekt gibt es seit nunmehr über 20 Jahren. »Ziel dieses Projektes ist es, junge Menschen an Politik heranzuführen und erste Einblicke in die Welt der Umfragen und der damit verbundenen statistischen Methoden zu geben«, sagte der Projektleiter Rolf Pribnow .