ORTSGESCHEHEN 3 85
Travemünde 23.02.2017
Moislinger wollen nicht nach Travemünde

Auslöser war offenbar ein Schreiben der Stadt, das recht förmlich auf den anstehenden Umzug in die Ostseestraße hinwies. Die Flüchtlinge sind in Moisling allerdings mittlerweile gut integriert, etwa im örtlichen Fußballverein.
Am Donnerstag schob das Flüchtlingsforum eine Erklärung (siehe Infokasten) nach und hat für Freitag zu einer Pressekonferenz vor Ort geladen. TA
Die Pressemitteilung des Flüchtlingsforums im Wortlaut:
Geflüchtete aus der Unterkunft August-Bebel-Straße 10-14 (Moisling) protestieren gegen ihren Zwangsumzug nach Travemünde +++ Familien werden auseinandergerissen, Kinder aus den Klassen geholt, soziale Bezüge ignoriert +++
Gestern erhielten die BewohnerInnen und Bewohner der Unterkunft August-Bebel-Straße 10-14 ein amtliches Schreiben im barschen Befehlston. »Sie werden mit sofortiger Wirkung in die Unterkunft in 23570 Lübeck Ostseestraße 1 eingewiesen«, heißt es dort. Im nächsten Absatz dann »Die Maßnahme ist sofort vollziehbar, sie kann nicht mit dem Rechtsmittel des Widerspruchs angegriffen werden«. Dieser »Einweisungsverfügung« ist kein persönliches Gespräch vorausgegangen, keine Gelegenheit sich die neue Unterkunft anzusehen, keine Möglichkeit für die Geflüchteten, ihre persönliche Situation vorzutragen. Der Umzug soll schon ab Montag stattfinden.
Gemeinsam fordern die 33 Bewohner_innen, in Moisling bleiben zu können. Viele Kinder gehen hier zur Schule, persönliche Freundschaften sind entstanden, Menschen wohnen bei ihren Familien. Die einzige bekannte Begründung für das rabiate Vorgehen der Stadt ist ein Defekt an der Duschanlage in der August-Bebel-Straße.
-> Persönliche Stellungnahmen von Bewohner_innen finden Sie am Ende dieser Erklärung angehängt.
»Wir sind über die Art und Weise, wie hier mit Menschen umgegangen wird entsetzt. Die Geflüchteten werden wie Gegenstände verschoben und ihre Anliegen nicht einmal gehört. Deshalb schließt sich das Lübecker Flüchtlingsforum des Forderung der Betroffenen an, dass es zunächst ein Gespräch mit Verantwortlichen der Stadt, bei dem nach guten Lösungen gesucht wird. Menschen einfach per Verfügung an das entgegengesetzte Ende der Stadt zu verpflanzen, ohne auf ihre Situation Rücksicht zu nehmen, kann nicht mit einer defekten Dusche begründet werden. Der Zwangsumzug muss sofort gestoppt werden, bis ein Gespräch stattgefunden hat!«, erklärt Christoph Kleine vom Lübecker Flüchtlingsforum.
PERSÖNLICHE STELLUNGNAHMEN VON BETROFFENEN:
Ich heiße Abulmonem Farzat und wohne in Moisling. Meine Frau und 7
Kinder sind letzten Monat durch Familienzusammenführung in den Pavillon August-Bebel-Str. eingezogen.
Meine Kinder sind in der Heinrich-Mann-Schule angemeldet und besuchen die DaZ-Klassen.
Ich bin froh, dass meine Familie in meiner Nähe ist und ich sie jederzeit besuchen kann. Meine Frau und die Kinder sind sehr zufrieden und glücklich hier im Pavillon mit den anderen Flüchtlingsfamilien leben zu können. Wir sind sehr dankbar über die Hilfe und Unterstützung der Betreuer der Gemeindiakonie Lübeck.
Wir helfen uns hier auch gegenseitig z.B. bei der Hausreinigung, Aufsicht der Kinder, etc.
Ich heiße Sharaf Ali Khudaida und lebe seit einem Jahr zusammen mit meiner Ehefrau , unserer 2jähriger Tochter Yana und meiner 70jährigen Mutter im Pavillon. Meine Mutter muss regelmäßig zur Diabetes Kontrolle zum Arzt. Meine Frau ist in therapeutischer Behandlung beim ZIP/UKSH.
Hier in Moisling haben wir viele Verwandte, Freunde und Bekannten. Auch helfe ich im Verein Moisling hilft ehrenamtlich mit. Ich spiele bei Rot-Weiß Moisling Fußball.
Bitte, bitte, Wir wollen hier bleiben!
Ich heiße Zirah Khudede Ali und habe die Vormundschaft über dreimeiner Geschwister, weil unsere Eltern noch in der unsicheren Heimat sind. Mit meinem volljährigen Bruder Hussein leben wir seit einem Jahr im Pavillon und teilen uns mit unserer Oma und der Familie meines Onkels Sharaf ein großes Zimmer.
Wir sind sehr dankbar hier zusammen ein neues und friedliches Zuhause zu haben. Meine Geschwister haben hier gute Freunde in Moisling und Mitschüler aus der Heinrich-Mann-Schule gefunden. Wir sind sehr dankbar über unsere Betreuer Stefan und Kareem von der Gemeindediakonie Lübeck.
Ich bin Jawan und will nicht in ein anderes Heim. Ich liebe mein Heim und fühle mich Zuhause. Ich weiß nix, weil ich bin geistig behindert und habe Angst, weil ich meine bekannten Wege verliere.
Ich will hier bleiben und nicht weit weg ziehen. Kareem und Stefan die helfen mir immer und ich habe großen Respekt vor den Beiden. Bitte nehmen Sie meinen Brief wichtig.
Ich bin Frida Ibo. Ich bin gegen den Umzug und will in kein anderes Heim. Ich liebe Lübeck Moisling. Ich hoffe, ich muss nicht nach Travemünde ziehen. Meine Betreuer Kareem und Stefan sind sehr sehr gut
Vielen Dank.
Ich bin Zizi Mouhammad und bin gegen den Umzug, weil ich hier in Moisling bleiben möchte. Ich liebe mein Zuhause und gehe hier zur Schule. Ich will hier bleiben in der August-Bebel-Straße, zusamen mitKareem und Stefan, weil sie sehr sehr gut sind und wir ihnen viel vertrauen. Bitte nehmen Sie unseren Brief wichtig. Vielen Dank Zizi
Bitte, bitte sprechen Sie mit uns, damit wir es verstehen können und wir auch unsere Bedürfnisse und Vorschläge mitteilen können.
Quelle: Pressemitteilung Flüchtlingsforum 23.02.2017
PM: Protest hilft – Geflüchtete dürfen in Moisling
+++ Protest erfolgreich: Geflüchtete dürfen in Moisling bleiben +++ Zwangsumzug ist vom Tisch +++ Reparatur der defekten Dusche in der kommenden Woche zugesagt +++ Unterkunft soll bis Jahresende geschlossen werden
Die Freude unter den Bewohnerinnen und bewohnern der Unterkunft August-Bebel-Straße ist groß: In einem eilig vereinbarten Gespräch mit Vertreterinnen der Stadt wurde ihnen mitgteilt, dass der zwangsweise Umzug in die neue Unterkunft in der Ostseestraße (Travemünde) vom Tisch ist. Die defekte Duschanlage, die die offizielle Begründung für das Vorgehen der Stadt darstellte, soll in der kommenden Woche repariert werden. Gleichwohl soll die Unterkunft in Moisling bis zum Jahresende geschlossen werden.
»Das zeigt: Protest hilft! Geflüchtete müssen Anordnungen von Behörden nicht wiederspruchslos befolgen, sondern haben die Möglichkeit, ihre Rechte und Interessen zu vertreten. Dies zu unterstützen, ist eine wichtige Aufgabe des Flüchtlingsforums. Wir freuen uns mit den Menschen aus der August_Bel-Straße, dass es so schnell zu einer Lösung gekommen ist.«, sagte Christoph Kleine vom Lübecker Flüchtlingsforum zu der neuen Entwicklung.
»Nun geht es darum, dass die Menschen im Verlauf des kommenden Jahres reguläre Wohnungen beziehen können, damit sie nicht noch von einem heim zum nächsten umziehen müssen.«, so Kleine weiter.
Quelle: Pressemitteilung Flüchtlingsforum 24.02.2017