UMWELT & NATUR 1 28
Niendorf/Travemünde 11.08.2016
Ostsee-Müll in Fischernetzen:
Jetzt wird der Unrat auch in Travemünde und Niendorf organisiert gesammelt – und Stück für Stück erfasst
»Ziel ist, die Meere vom Müll zu befreien«, sagt Timmendorfs Bürgermeisterin Hatice Kara (SPD). Mit Rüdiger Krüger vom örtlichen Fischereiverein und Nils Möllmann vom Naturschutzbund sitzt ist am Donnerstag auf der Pressekonferenz zum Thema »Fishing for litter«. Auch Fischer aus Niendorf und Travemünde sollen gefangenen Müll der Ostsee organisiert entsorgen können. Der Unrat wird sogar wissenschaftlich untersucht.
»Ohne die Mithilfe der Fischer wäre das nichts«, dankt Bürgermeisterin Hatice Kara den Fischern. Die sollen den Ostsee-Müll in spezielle Säcke packen und in einem Container im Niendorfer Hafen sammeln.
Dann gibt die Bürgermeisterin das Wort an Nabu-Mann Nils Möllmann. Der erzählt, dass weltweit jährlich zehn Millionen Tonnen Plastik im Meer landen. Und Tiere das Material fressen. Das habe Folgen, auch für die Gesundheit von Mensch und Tier. Ins Meer gelange der Müll auf unterschiedlichsten Wegen. »Auch durch Tourismus- und Freizeitaktivitäten«.
Die Fischer hätten ein Entsorgungsproblem, erzählt Nils Möllmann weiter. Nun wird der Müll gesammelt und einmal im Jahr sortiert und erfasst, jedes Teil einzeln. Die Daten gehen an die EU, die das Projekt unterstützt. Es soll aber auch festgestellt werden, ob man aus Plastik, das lange im Salzwasser gelegen hat, »noch etwas machen kann«.
Das Projekt befasst sich also mit Müllentsorgung und Wissenschaft. Noch ist der Datenbestand für die Ostsee nicht so toll. »Die Ostsee hat einen höheren Metallschrottanteil als die Nordsee«, kann Nils Möllmann aber sagen.
Erfahrungswerte kann dafür Fischer Rüdiger Krüger beisteuern: »Die Grundidee ist super«, sagt er. »Nur: Wir haben den Müll schon immer mitgebracht.« Es hätte auch keinen Sinn, ihn über Bord zu werfen, weil er dann am nächsten Tag wieder in den Netzen sei. Aber das Projekt bringe nun eine finanzielle Entlastung.
Müll hätte man schon vor 30, 40 Jahren in den Netzen gehabt, berichtet der Fischer weiter. Es sei seitdem weniger geworden. Auch ein Döntje kann er beisteuern: Als von Neustadt aus noch alte Autos verschifft wurden, seien mitunter mehr Autoreifen als Fische im Netz gewesen.
Für den Pressetermin hat der Fischer Krüger seit März den Müll aufgehoben und nun eine Fischkiste voll. Der Müllsack wird fürs Foto vom Schiff geholt.
Dann wird der Müll gemeinsam in den großen Container mit der Aufschrift »Fishing for Litter« entleert.
In dem Niendorfer Container soll auch der Müll der Travemünder Kutter gesammelt werden. Dass auch der Travemünder Fischereihafen mitmacht, darauf soll noch ein Plakat hinweisen. In etwas sechs Wochen soll es aufgehängt werden. TA
Die Pressemitteilung zum Thema im Wortlaut:
GEMEINSAME PRESSEMITTEILUNG NABU UND MELUR – 11. AUGUST 2016
Einsatz gegen Müll im Meer: Fischer aus Niendorf und Travemünde beteiligen sich an »Fishing for Litter«
Land Schleswig-Holstein sichert Finanzierung des NABU-Projektes für weitere drei Jahre
Niendorf (Ostsee) – Seit dem heutigen Donnerstag können Fischer in insgesamt sechs schleswig-holsteinischen Häfen gefischten Meeresmüll kostenlos entsorgen. Mit den Häfen Niendorf und Travemünde stoßen zwei weitere Stationen zum »Fishing for Litter«-Projekt des NABU. Insgesamt sind nun 14 Häfen an der deutschen Nord- und Ostseeküste beteiligt, mit mehr als 150 Fischern.
Die Idee von »Fishing for Litter« ist so einfach wie effektiv: Fischer können den Müll, der sich unweigerlich in ihren Netzen verfängt, mit an Land bringen und ihn dort kostenfrei und fachgerecht in extra bereit gestellten Containern entsorgen. Anschließend werden die gefischten Abfälle auf ihre Zusammensetzung und Wiederverwertbarkeit hin untersucht.
Die Ergebnisse verraten auch, woher der Müll in Ost- und Nordsee kommt. Anhand dieser Erkenntnisse können schließlich effektive Strategien zur Vermeidung von Meeresmüll entwickelt werden, wie es unter anderem die 2008 verabschiedete EU-Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie vorsieht.
»Müll im Meer ist ein gigantisches Problem. Das Projekt ist ein wertvoller Ansatz und ein Paradebeispiel dafür, wie Fischerei und Umweltverbände Hand in Hand den Schutz unserer Meere vorantreiben. Genau das ist das Ziel des Europäischen Meeres- und Fischereifonds (EMFF). Mithilfe der Mittel hat das Projekt nun auch längerfristige Planungssicherheit«, sagte Schleswig-Holsteins Umweltminister Robert Habeck anlässlich der Einweihung der neuen Container.
Mit der Förderung steht das »Fishing for Litter«-Projekt für die kommenden drei Jahre auf sicheren Beinen. Die knapp 115.000 Euro, die das schleswig-holsteinische Umweltministerium über Mittel des Europäischen Meeres- und Fischereifonds (EMFF) zugesichert hat, ermöglichen es dem NABU, das Netzwerk der teilnehmenden Häfen mit lokalen Partnern weiter auszubauen.
»Wir freuen uns sehr über die Unterstützung des Landes Schleswig-Holstein und der Fischer vor Ort. Damit kommen wir unserem gemeinsamen Ziel, ein flächendeckendes System zur Sammlung und Entsorgung von Meeresmüll an Deutschlands Küsten aufzubauen, einen entscheidenden Schritt näher«, sagte NABU-Präsident Olaf Tschimpke.
Die Ursachen für die Verschmutzung der Meere sind vielfältig. Ein Großteil des Mülls wird von Land, beispielsweise über die Flüsse, eingetragen. 75 Prozent der Abfälle, die im Meer landen, bestehen aus Kunststoffen. Das ist besonders dramatisch, da Plastik durch Salz, Reibung und Sonneneinstrahlung nach und nach in kleine Partikel zerfällt. Diese sind dann kaum mehr aus den Meeren zu bergen.
Die ökologischen und wirtschaftlichen Folgen der Meeresverschmutzung sind immens. Viele Tiere verfangen sich in Netzen oder Seilresten, fressen Plastik, das ihren Verdauungstrakt verstopft, und verenden qualvoll. Auch für Menschen stellt der Müll ein Gesundheitsrisiko dar. Denn Plastik reichert Schadstoffe an, die – über Fische und Meeresfrüchte – letztlich auch auf unseren Tellern landen können. Auch die Küstenkommunen wenden Jahr für Jahr erhebliche Mittel auf, um Strände vom Müll zu reinigen.
»Fishing for Litter ist ein wichtiger Baustein zur Reduzierung von Meeresmüll. Darüber hinaus müssen wir auch dringend die Ursachen der Verschmutzung effektiver bekämpfen. Bund und Länder sind hier weiter in der Verantwortung: Wir brauchen bessere Strategien, um Einträge von Müll ins Meer zu vermeiden, bessere Kontrollen, mehr Ressourceneffizienz, langlebigere Produkte und insgesamt weniger Plastik und Verpackungen«, so NABU-Präsident Olaf Tschimpke.
Hintergrund:
Das Projekt »Fishing for Litter« wurde im Jahr 2011 vom NABU gemeinsam mit schleswig-holsteinischen Fischern ins Leben gerufen. Seit dem heutigen Donnerstag sind insgesamt 14 Häfen an der deutschen Küste beteiligt. Bis heute wurden rund 20 Tonnen Müll durch die deutsche Küstenfischerei aus den Meeren geholt.
Mehr Infos: www.fishing-for-litter.de // www.meere-ohne-plastik.de