MARITIMES
Travemünde 21.05.2016
Äquatortaufe anno 1955
Wie Kapitän Peter Schulthes als Schiffsjunge die raue Zeremonie auf der »Pamir« erlebte

»Es ging los, dass man in den Kettenkasten vorn gesperrt wurde«, erzählt Peter Schulthes. Die ganze Nacht musste er darin verbringen. »Ohne Essen und in völliger Dunkelheit«. Am nächsten Tag wurde er rausgeholt. Und gleich wieder eingesperrt: In einen der Schweinställe, die sich backbord und steuerbord hinter der Back befanden. Immerhin: »Zu der Zeit hatten wir keine Schweine mehr«, erklärt er. Als nächstes wurden die Klappen der Ställe geöffnet und die Täuflinge mit dem Schlauch abgespritzt. »Da waren wir erstmal schön nass, aber es war ja warm.« Dann wurde Peter Schulthes aus seinem Käfig geholt und musste durch einen großen Schlauch kriechen. Von vorne und von hinten wurde Wasser reingespritzt. »So dass man da schon halb ertrunken war.« Es war mittlerweile gegen zehn Uhr am Vormittag, als er auch da herausgeholt wurde. Meeresgott Neptun saß mit seiner Frau und Helfern schon bereit. Die Füße von Neptuns Frau waren dick mit Lebertran bestrichen. »Dann wurden wir gezwungen, der Dame die Füße zu küssen«, erzählt Peter Schulthes. Eine Bewegung mit dem Fuß sorgte dafür, dass er die ganze Schmiere im Gesicht hatte. Jetzt gab es noch ein traniges Getränk und selbstgepresste »Tabletten«, die unter anderem Pfeffer, Salz und Tran enthielten. »Das waren große, ganz fürchterlich schmeckende Tabletten. Die musste man kauen. Da wurde manchen schon schlecht«, erinnert sich der frühere Schiffsjunge.
Erst jetzt kam die eigentliche Taufe: Auf einer Luke wurde ein großes, mit Wasser gefülltes Becken aufgebaut. Einer von Neptuns Helfern tauchte Peter Schulthes unter. »Dadurch war man zumindest erstmal etwas sauberer.« Anschließend durfte er sich ausrechen. »Anschließend gab es das übliche Trinkgelage. Dabei war einem schon schlecht genug…«
Seine Urkunde vom 21. Juli 1955 hat er immer noch. Sie bestätigt, dass er nach äquatorialem Ritus »vom Schmutz der nördlichen Halbkugel gereinigt« und auf den Namen »Hering« getauft worden sei. TA