MARITIMES
Travemünde 02.11.2015
Tschüss Priwall – Tschüss Travemünde
Der einsame Abschied der Priwall IV nach 50 Jahren
Denn von dort aus muss die Priwall IV noch einmal auf die Travemünder Seite wie es auf dem kleinen Zettel im Fenster des Fahrstandes steht: »Letzte Abfahrt ab Priwallanleger 17:50 Uhr«. Das ist in der Spätsaison die letzte Möglichkeit nach Travemünde zu kommen. Schiffsführer Frank Lender, seit 1992 bei den Fährbetrieben, muss vor der letzten Fahrt noch die Bedienfläche der Fahrkartenautomaten mit einer Metallhaube verschliessen und das Licht der Laternen an der Anlegestelle abschalten.

In der Tat: der Letzte macht das Licht aus. Schiffsführer Frank Lender war am Sonntag, dem 1. November 2015 nicht nur der Letzte dieser Schicht, er war nicht nur der Letzte der letzten Schicht am Ende einer Saison. Nein, er war, was es nur einmal im Leben dieser kleinen Fähre gibt der letzte Schiffsführer überhaupt, der am Ende des offiziellen Dienstes einer Fähre nach 50 Jahren diese auf ihrer letzten Reise in den Ruhestand fahren durfte.

»Ein wenig geht es einem schon nahe« meinte er kurz und bündig. Viele Worte sind seine Sache nicht. Automaten dicht, Licht aus und dann ließ er die Schraube kurz achter aus laufen, löste den Festmachertampen und hängte ihn am Dalben ein. Maschine voraus, Ruder Steuerbord legen und nochmal rüber zur letzten Fahrt an den Travemünder Anleger. Fahrgäste gab es keine mehr. Die Anleger menschenleer.

Auch dort die Fahrkartenautomaten dicht machen, Laternen aus, ablegen und über Steuerbord weit auslandend nochmal ein Stück Richtung dunklen Priwall. Ein kurzes »Tschüss« rief er zum Anleger durch das kleine Fenster im Fahrstand. Die Priwall IV nahm volle Fahrt auf, fuhr an der Passat vorbei rüber auf die rechte Seite des Fahrwassers und ab ging es nach Hause.

Lange noch konnte man die Hecklaterne des jüngsten maritimen Ruheständlers sehen und das typische Tuckern seiner kleinen Maschine hören. Es wurde immer leiser und die kleine Priwall IV verschwand hinter der Huck, dort wo immer die Angler stehen just an der Ecke, wo die Kanuten auf dem Priwall ihren Stützpunkt haben. Damit schienen völlig unspektakulär 50 Jahre Fährdienst der kleinen Personenfähre endgültig zu Ende zu sein, auch wenn im nächsten Jahr ihre Fans noch einmal von ihr Abschied nehmen können. Doch eine letzte Reise gibt‹s dann nicht mehr. Sie gibt es nur einmal: sie war am 1. November 2015 um 17:50 Uhr ab Priwall.
Die Nacht war ruhig und leise war alles geworden, doch als drei lange Töne vom Horn der Autofähre zu hören waren, und die Priwall IV drei langen Tönen zurück tutete und von beiden noch einmal ein kurzer Ton den letzten maritimen Gruß bestätigte, ja, dann war wirklich diese schöne Zeit zu Ende. Tschüss Priwall IV, und denn mal bis zum nächsten Frühjahr. Dann wird sie dabei sein, wenn die »Neue«, die Priwall VI in ihrem Fahrwasser schippern und ihren Fährdienst aufnehmen wird. KEV
Fotos Karl Erhard Vögele