KUNST & KULTUR
Travemünde 14.02.2015
»Der kaltwütige Herr Schüttlöffel«
Thomas Freitag im Kulturbahnhof Travemünde
Theaterchef Wolfgang Hovestädt begrüßte ein weiteres Mal in Folge ein ausverkauftes Haus. Gerade an einem Freitag den bekannten und vielgefragten Vertreter des politischen Kabaretts Herr Freitag zu begrüßen sei ein Zufall. Aber hierauf und dann noch an einem Freitag, dem 13. hinzuweisen, wolle er sich nicht nehmen lassen und wünschte dem erwartungsvollen Publikum einen interessanten und aufregenden Theaterabend.
Seit 30 Jahren arbeitet er in einer Stadtbibliothek, die nun geschlossen werden soll: »Der kaltwütige Herr Schüttlöffel« ist außer sich, er nimmt seine Bücher als Geiseln und verbarrikadiert sich. Schüttlöffels Wut richtet sich gegen Zeitgeist und politischen Irrsinn, gegen angebliche Alternativlosigkeit, gegen das Sparen an der Kultur, Schnäppchenjagen, Kapitalismus und Gleichmacherei. Und er führt vor, wie schwer es ist, mit bayrischen Landwirtsfingern ein iPhone zu bedienen.
Für Thomas Freitag bietet sich jede Menge Gelegenheit, sein hohes schauspielerisches Können auszureizen und dem Stück bei aller Ernsthaftigkeit einen hohen Unterhaltungswert zu geben.
Es ist politisches Kabarett in Vollendung: trittsicher balanciert Thomas Freitag auf dem schmalen Grat zwischen intelligentem Witz und bitterem Ernst, bringt das Publikum zum Lachen und zum Denken. Er versteht es unnachahmlich, die Moralkeule auszupacken, ohne als Moralist dazustehen. Davor bewahren ihn Sarkasmus und feine Ironie. Geradezu klammheimlich muss man als Zuschauer immer wieder zugeben, dass man mitunter auch zu jenen gehört, die auf der einen Seite anprangern, aber auf der anderen Seite zu bequem oder zu geizig sind, um selbst etwas zu ändern. Hochabwechslungsreich und komödiantisch zerpflückt und zerpflügt Freitag die letztlich selbst verantworteten Malaisen unserer Gesellschaft, amüsant, bissig und intelligent. PM/KEV
Fotos: Karl Erhard Vögele