ORTSGESCHEHEN 4 4
Travemünde 31.01.2015
»Ohne Ausschreibung zum Dumpingpreis verkauft«
Investor bot 20.000 Euro mehr für Priwall-Wohnheim – Doch Senator Schindler lehnte ab
»Mein Angebot war: Sofort beurkunden, ohne Vorbehalt«, sagt der Lübecker Immobilienunternehmer Thomas Görß. Für das ehemalige Wohnheim auf dem Priwall bot er der Hansestadt Lübeck unbesehen 20.000 Euro mehr als ein anderer Kaufinteressent. Doch die Stadt lehnte ab und verkaufte zum geringeren Preis.
Er habe bei »Travemünde Aktuell« vom geplanten Verkauf des ehemaligen Wohnheims in der Wiekstraße für 240.000 Euro gelesen, schrieb Thomas Görß am 9. Dezember 2014 an den Lübecker Bürgermeister Bernd Saxe (SPD). Und machte ein Angebot, über das sich jeder andere Immobilienverkäufer wohl gefreut hätte, zumal wenn man so knapp bei Kasse ist wie die Hansestadt Lübeck: »Ohne nähere Unterlagen biete ich hiermit einen Kaufpreis in Höhe von 260.000 Euro für dieses Objekt, so wie es steht und liegt unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung.« Immerhin 20.000 Euro mehr für die klamme Hansestadt, die Schwierigkeiten hat, selbst die Toilettenanlagen in ihren Schulen in Ordnung zu halten. Doch der Lübecker Wirtschaftssenator Sven Schindler (SPD) lehnte das höhere Angebot ab und ließ den Verkauf zum geringeren Preis zu. Mit einem merkwürdigen Argument: Das Angebot von Thomas Görß sei »vage und völlig unverbindlich«, schrieb Schindler. Was an dem konkreten Angebot vage oder unverbindlich sein soll, erklärte der Senator nicht.Außerdem verwies Schindler darauf, dass die Lübecker Bürgerschaft den Verkauf an den ursprünglichen Interessenten bereits am 18. September 2014 beschlossen hatte. Allerdings aufgrund einer Vorlage der Verwaltung. Weiter argumentiert Schindler mit möglichen Schadensersatzansprüchen des Käufers, die die Stadt allerdings selbst verursacht hat: Die Stadt hatte dem Käufer schon erlaubt, das Grundstück in Besitz zu nehmen, bevor der Kaufvertrag überhaupt beim Notar unterschrieben war. Dort hätte der Käufer schon »Aufwendungen tätigen« können, argumentierte der Wirtschaftssenator. Was wiederum Schadensersatzforderungen nach sich ziehen könne, wenn nun der Kaufvertrag nicht zustande kommt. »Als Steuerzahler, nicht als Investor«, geht Thomas Görß nun an die Öffentlichkeit. Die Stadt hätte das Gebäude einmal für 972.000 Mark gekauft, erinnert er. »Und es dann für die Hälfte zu verscherbeln ist ein Skandal«, sagt der Immobilienfachmann. Er hat auch kein Verständnis dafür, dass die Stadt das Objekte weder ausgeschrieben noch in Zeitungsanzeigen oder Immobilienportalen im Internet beworben habe. Er könne neben seinem konkreten Angebot fünf bis zehn solide Interessenten nennen, die es ebenfalls kaufen würden.Kein Wunder bei einem Kaufpreis von 240.000 Euro für das bebaute 2.660-Quadratmeter-Grundstück. Der niedrige Kaufpreis errechnet sich aus einem drei Jahre alten Verkehrswertgutachten, das von einem Abriss des Gebäudes ausgeht. So geht die Rechnung der Stadt: + 319.200 Euro Wert des Grundstücks ohne Gebäude- 80.000 Euro Abrisskosten des Gebäudes= 240.000 Euro Verkaufspreis für das Grundstück inklusive WohnheimDer Käufer bekommt das Haus also quasi »umsonst« und muss es nur noch renovieren (wenn er es nicht abreißt), dazu bekommt er das Grundstück noch unter Grundstückswert, da die theoretischen Abrisskosten auch noch abgezogen wurden. Und als »Sahnehäubchen« obendrauf wahrscheinlich noch einen sicheren Mietvertrag mit der Stadt: Im Ortsrat will Wirtschaftssenator Sven Schindler diesen Monat über die Unterbringung von Flüchtlingen in Travemünde berichten. TA TA-Lesetipps zum Thema: Leerstand statt Verkauf: Stadt lässt ehemaliges Schlichting-Wohnheim zum Schandfleck verkommen (21.01.2014)Lukrativer Immobiliendeal: Stadt verkauft Wohnheim zum Grundstückswert ohne Ausschreibung – und mietet es zurück (07.12.2014)