ORTSGESCHEHEN 5
Travemünde 14.11.2014
Klimawandel an der Ostsee
»Wenn wir so weitermachen wie bisher, ist ein ungebremster Klimawandel die Folge.«

Dr. Meinke führte aus, dass weltweit ein Temperaturanstieg von 0,85° in den letzten 30 Jahren zu verzeichnen ist. Im Sommer sind die Temperaturen in Schleswig Holstein 1,2° höher als noch vor 50 Jahren, die Niederschlagsmenge hat jedoch in dieser Periode nicht wesentlich zugenommen.
Im Norden können wir uns daher über mehr »Badewetter« erfreuen: Es kommt doppelt so häufig vor als noch vor 50 Jahren. Unsere Vegetationsperiode ist vier Wochen länger und es ist ein deutlicher Rückgang des Niederschlags um 15% zu beobachten. Auch unsere Winter sind wärmer trotz der Ausschläge nach unten, die wir in den letzten drei Jahren erlebt haben. Langfristig können wir mit mehr Regen, z.B. mit zwei Starkregentagen mehr im Winter, rechnen als früher.
Die globale Erwärmung lässt sich fast ausschließlich auf menschliche Ursachen zurückführen: Mit seiner Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Energieversorgung und Wirtschaft, Verkehrsaufkommen sowie Wohn- und betriebsgebäuden produziert der Mensch Kohlendioxid, Lachgas und Methangas, was den Treibhauseffekt vorantreibt. Natürliche Ursachen, wie z.B. Vulkanausbrüche, fallen da nicht so ins Gewicht.
Das gesamte Ostseegebiet ist sturmflutgefährdet. Obwohl die Wasserstände der Sturmflut 1872 seither nicht mehr erreicht worden sind, bleiben alle Gebiete an der Ostseeküste unter 300 cm über Normalnull überflutungsgefährdet.
An der südwestlichen Ostsee, auch an der Trave, ist der Wasserspiegel in den letzten 100 Jahren um 30 cm gestiegen. Obwohl Stürme sich nicht häufiger als vor 100 Jahren ereignen, laufen sie jeweils höher auf. Ein Meter über NN ist schneller erreicht als vorher.
Das Norddeutsche Klimabüro hat einen Norddeutschen Klimaatlas mit 16 Kleinszenarien erarbeitet unter Berücksichtigung der Parameter Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum, Energiequellen, usw. (Mehr Information unter www.norddeutscher-klimaatlas.de).
Daraus geht hervor, dass Küstenschutz ganz deutlich für den Priwall notwendig ist. Auch auf dem Priwall hat das Hochwasser nie mehr den Pegel von 1872 wieder erreicht. An insgesamt 2700 qm an der Ostseeküste fehlt adäquater Küstenschutz. Voraussichtlich wird der Wasserstand global bis 2100 um 30 bis 80 cm ansteigen. Für die Ostsee wird mit einem Wasserstand von 60 cm höher als heute gerechnet. Hochwasser würden windbedingt 10 cm insgesamt höher als heute auflaufen.
In den Treibhausszenarien werden diverse Klimamodelle eingespeist: Die Erderwärmung global um 1,4 bis 6° höher wird sich noch beschleunigen. Für SH ist keine Abkühlung vorauszusehen, es wird zwischen 1,3 und 4,6° wärmer, es werden bis zu 22 mehr Regentage geben, unsere Sommer werden 1,5° bis 4,7° wärmer. Im Sommer 2003, als die Durchschnittstemperatur nur 2 bis 3° wärmer als normal war, starben 3500 Menschen aufgrund der Hitze. Bis 2100 ist mit bis zu 9 zusätzlichen Hitzetagen zu rechnen, im Süden jedoch bis zu 60 Tagen. Im den Winterjahren 2071 bis 2100 wird es mehr Regen und weniger Schnee geben. Im Norden allerdings wird der Klimawandel nicht so extrem ausfallen wie im Süden Deutschlands oder im Mittelmeerraum.
»Klimawandel findet statt und wird sich in der der Zukunft noch verstärken – auch hier in Travemünde.« Damit endete Dr. Meinke ihren Vortrag.
Frau Dr. Kühn: Aufgaben der Unteren Naturschutzbehörde: Daten sammeln, und Maßnahmen prüfen und umsetzen. Ziel der HL ist den CO2 Ausstoß um 8 Tonnen zu verringern und Gesundheit und Lebensqualität zu erhalten. Dabei sind Gewässer, Pflanzen, Tiere und Wald mit Siedlungen und Tourismus in Einklang zu bringen. Auf Flächen der öffentlichen Hand können Maßnahmen umgesetzt werden: Hochwassergefährdete Flächen in Travemünde und auf dem Priwall müssen bei jeder Planung berücksichtigt werden.
Erholungsgebiete, z.B. Brodtener Ufer, Priwall und Dummersdorfer Ufer, sollen erhalten bleiben und für mehr Angebote gesorgt werden, um mehr Tourismus anzuziehen. Mit der Klimaerwärmung wird der Süden weniger attraktiv, mehr Touristen werden in den Norden kommen. Allerdings je mehr Tourismus, desto weniger Erholung, daher sollen im Hinterland mehr Angebote für Touristen entwickelt werden.
Neue Waldflächen sollen erschlossen werden, auf dem Priwall sollen die Niederungen, z.B: Grommelts Wiese erhalten bleiben. Bei Hochwasser bietet die Wiese eine Ausweichfläche. Moore sollen renaturiert werden, z.B. Krummesse Moor. Ersatzflächen für Tiere und Pflanzen sollen ausgewiesen werden, bei mehr Bebauung.
Maßnahmen, die die Naturschutzbehörde empfiehlt: Nutzungskonzepte sollen Wohnen, Gewerbe, Biovielfalt mit den Anforderungen des Klimawandels »vernetzen«. Stadtradeln soll fortgesetzt werden, Tourismus, Gewerbe und Wohngebiete, Verkehr sollen klimafreundlicher gestaltet werden – mehr Grün und weniger Energieverbrauch. Bürger sollen selber aktiv werden. Die HL bietet einen kostenlosen »Energie-Check« an. Sanieren muss der Hauseigner selber. Die CO2 Bilanz der HL wird fortgeführt.
Auf Hochwasserschutz in neuen Bebauungsplänen, z.B. wird geachtet. Ohne Schutzmaßnahmen, keine Baugenehmigung. Ausnahme: Waterfront. Es gibt keine Bebauungsgebiete in Ostsee nahen Erholungsgebieten.
Im Anschluss während der offenen Diskussion, Fragen aus dem Publikum: »Wenn das Wasser steigt, was tut die Stadt Lübeck?« Das ist kein Thema für die HL. Bürger müssen für sich selber sorgen. Kommentare aus dem Publikum. Hochwasserschutzanlagen in allen benachbarten Gemeinden, Dassow, Niendorf, Timmendorf und Scharbeutz, z.B., nur nicht in Travemünde, obwohl Travemünde und der Priwall als hochwassergefährdete Gebiete ausgewiesen sind.
Frage aus dem Publikum zu Waterfront: Dazu Frau Kühn: »Wir haben unsere kritische Vorstellung dazu«. Kommentar aus dem Publikum zu Waterfront: Eingaben der Naturschutzbehörde wurden im B-Plan nicht berücksichtigt. Die Fachbehörde wurde nicht angehört, eine Entscheidung zur Bebauung wird Laien überlassen. Fr. Dr. Kühn: Die Naturschutzbehörde befindet sich in einer »sehr schwierigen Verteidigungsposition.« Bürger sollen aufstehen und sich Gehör verschaffen: »Ich glaube, dass Bürger eine Macht haben.«
Text: Johanna Rosenwald
1 http://www.luebeck.die-lernende-stadt.de