POLITIK
Lübeck 07.05.2014
Flughafen: Bürgerschaftsbeschluss durch Verschweigen verhindert?
»Sie interpretieren da etwas rein« – Bürgermeister Bernd Saxe (SPD) weist Vorwurf von Ragnar Lüttke (LINKE) zurück
Vor dem Lübecker Rathaus stehen am Dienstagnachmittag zwei Fernsehleute mit großer Kamera und befragen zufällige Passanten: »Wie soll es jetzt weitergehen mit dem Flughafen?«. Drinnen spucken zu dem Zeitpunkt die Drucker gerade die Antworten aus. Das Papier ist noch warm, als die Blätter den Mitgliedern des Hauptausschusses in die Hand gedrückt werden.
»Die Antworten sind leider erst vor einer halben Stunde in die Systeme eingespielt worden«, sagt der Ausschuss-Vorsitzende Jan Lindenau (SPD) lediglich. Und fragt, ob man trotzdem in die Befragung einsteigen wolle. Zu den ersten, die sich melden, gehört Ragnar Lüttke (DIE LINKE). Er ist bei Antwort Nummer 20 hängen geblieben: »Da verstehe ich jetzt hier die Schlussfolgerung nicht«, sagt er. In Frage Nummer 20 soll der Lübecker Bürgermeister Bernd Saxe (SPD) erklären, warum die Politik erst Mitte April über die Flughafen-Mahnungen informiert wurde. »Es wird ja eigentlich nur gesagt, es ist ja besser so, dass dies Gremium nichts erfahren hätte«, sagt Ragnar Lüttke (LINKE). Weil ja sonst ein Beschluss hätte gefasst werden können »der dann zur Aufgabe des Flugbetriebes geführt hätte«, so Lüttke weiter. Nun ist es am Lübecker Bürgermeister Bernd Saxe (SPD) als Verantwortlicher der Verwaltung, darauf zu antworten: »Also das ist weitgehend Interpretation, was Sie da vortragen«, entgegnet Saxe. In der Antwort werde ausgeführt, dass bei Kündigung des Pachtvertrages der Flugbetrieb sofort eingestellt werden müsse. »Weil die Yasmina als Flughafenbetreibergesellschaft dann keine Fläche mehr gehabt hätte, auf der die Flugzeuge starten und landen können«, so der Verwaltungschef weiter. »Das hat aber mit dem 31. nichts zu tun, das wäre zu jedem Zeitpunkt so gewesen, zu dem die Stadt möglicherweise – selbstverständlich mit Bürgerschaftsentscheidung – diesen Pachtvertrag gekündigt hätte.«Ragnar Lüttke (LINKE) hakt nach: »Aber wir konnten es nicht entscheiden, weil wir es nicht wussten. Das ist der Punkt, über den ich mich beschwere. Und die Schlussfolgerung nicht nachvollziehen kann, weil sie im Grunde undemokratisch ist. Denn das Gremium, das das hätte entscheiden müssen, wurde nicht informiert. Und das steht hier drin.« Lüttge erinnert noch einmal daran, dass es in Frage 20 darum geht, warum der Hauptausschuss als Gremium erst Mitte April informiert wurde. »Und die Antwort lautet ja, man hätte ja etwas entscheiden können, was sozusagen zur Folge gehabt hätte, dass der Flugbetrieb geschlossen werden müsse. Und deshalb wurden wir nicht informiert.«Der Lübecker Bürgermeister Bernd Saxe (SPD) wiederholt daraufhin seine Antwort: »Ich sag nochmal, Sie interpretieren da etwas rein, was da nicht steht.«Das sieht Ragnar Lüttke (LINKE) anders: »Naja, es steht schon«, sagt er, und zitiert: »Die außerordentliche Kündigung des Pachtvertrages durch Entscheidung der Bürgerschaft nach dem 31.12.2013 hätte die unmittelbare Einstellung des Flugbetriebs zur Folge gehabt und die Rückforderung von Fördermitteln von etwa 4,7 Mio. € durch das Land.« Das sei eine Schlussfolgerung auf die Frage, warum man nicht informiert wurde. »Weil wir das nicht entscheiden sollten. Das steht ja da drin.« Darauf gibt es keine weitere Erwiederung und der Vorsitzende Jan Lindenau (SPD) ruft den nächsten Fragenden auf. TAFrage 20 und die dazugehörige Antwort aus dem Fragenkatalog der CDU im Wortlaut: #ia#Frage 20: Warum hat der Bürgermeister die kommunalpolitischen Entscheidungsträger bzw. Gremien (z.B. Hauptausschuss) erst Mitte April von dem eingeleiteten Mahnverfahren gegen die Betrei- bergesellschaft des Flughafens informiert? Antwort: »Die andauernde Diskussion über die Zukunft des Lübecker Flughafens hat spätestens seit dem Ausstieg von Infratil im Jahr 2009 immer wieder zu einer großen Verunsicherung bei den Fluggesellschaften und den Endkunden/Passagieren geführt, die zu Lasten der wirtschaftlichen Situation des Flughafens ging. Mit der Privatisierung des Flughafens Ende 2012 war ebenso die Hoffnung verbunden, den Flughafen aus der öffentlichen Diskussion heraus zu bekommen. Eine frühzeitigere Information über Zahlungsrückstände hätte aller Wahrscheinlichkeit nach eine neuerliche öffentlich ausgetragene Debatte über die Zukunft des Flughafens ausgelöst. Die Stadt hätte in dem Fall aktiv darauf hingewirkt, die wirtschaftliche Situation der Yasmina am Markt und die Chancen in der rechtlichen Auseinandersetzung über das Planfeststellungsverfahren negativ zu beeinflussen. Bis Anfang April ist die Verwaltung immer davon ausgegangen, dass die offenen Forderungen durch die Yasmina beglichen werden. Der Zahlungsverzug wurde als ein vorübergehendes Phänomen eingeschätzt. Hierzu gehört auch der Umstand, dass im Falle von finanziellen Schwierigkeiten da- von auszugehen war, dass die Yasmina ohne Weiteres zum 31.12.2013 vom Kaufvertrag zurückgetreten wäre. Vom heutigen Kenntnisstand aus gesehen, hat die Verwaltung die Situation falsch eingeschätzt und hätte den Zahlungsverzug frühzeitig als Alarmzeichen für eine drohende Zahlungsunfähigkeit werten müssen. Gleichwohl wäre auch in dieser Situation die Frage zu stellen, welche Alternativen der Hansestadt Lübeck zur Verfügung stehen, wenn eine Übernahme der Betriebspflicht durch die Stadt oder ein städtisches Tochterunternehmen ausgeschlossen bleiben sollte. Die außerordentliche Kündigung des Pachtvertrages durch Entscheidung der Bürgerschaft nach dem 31.12.2013 hätte die unmittelbare Einstellung des Flugbetriebs zur Folge gehabt und die Rückforderung von Fördermitteln von etwa 4,7 Mio. € durch das Land. Auch ein privater Verpächter würde ggf. davon absehen, die ausstehenden Forderungen zu voll- strecken bzw. den Pachtvertrag zu kündigen, weil die Alternative wäre, wieder selbst die Betreiberfunktion des Flughafens zu übernehmen oder den Flugbetrieb einzustellen mit der Folge einer Entwertung (Abschreibung) des Infrastrukturvermögens und der drohenden Rückzahlung von Förder- mitteln. Der Hauptausschuss und die Haushaltsrunde der Fraktionsvorsitzenden wurden über den Zahlungsverzug bei der Pacht und Miete informiert, als davon auszugehen war, dass diese offene Forderung nicht mehr bedient wird. Vor Bekanntwerden der gesellschaftsrechtlichen Veränderungen bei 3Y und der Yasmina handelte bereits wie vorstehend erwähnt die Verwaltung im guten Glauben, dass die ausstehenden Forderungen beglichen werden. Noch am 04.04. hat der Rechtsberater von Prof. Radyamar gegenüber den RAen von Latham & Watkins auf Nachfrage erklärt, dass es keine Anhaltspunkte für eine finanzielle Schieflage bei 3Y und Yasmina gibt. Zu dem Zeitpunkt war der Hansestadt Lübeck noch nicht bekannt, dass 3Y verkauft und ein neuer Geschäftsführer bei der Yasmina bestellt worden ist.«Quelle: Antworten auf den Fragenkatalog zur aktuellen Entwicklung am Flughafen Lübeck vom 06.05.2014 (Hervorhebung von uns)#ie#