ORTSGESCHEHEN
Travemünde 11.11.2012
Erichs Mütze
Mit einer Seebestattung vor Travemünde begann eine ungewöhnliche Geschichte
Erich liebte die Möwen und er liebte seine rote Mütze mit dem Möwen-Logo, die ihm seine Frau bei einem der vielen Besuche im Nordseebad St. Peter-Ording gekauft hatte. Er hat die Mütze so oft getragen, dass sie schon ganz ausgeblichen war. Auch auf seiner letzten Reise soll sie ihn begleiten. Mit der Seebestattung beginnt die ungewöhnliche Geschichte von Erichs Mütze:
Zuhause in Travemünde nimmt Erichs Witwe einen Kugelschreiber und schreibt einen letzten Gruß in die Mütze: »Eine letzte Umarmung, ein letzter Kuß, Lebewohl mein Schatz«. Und sie schreibt auch ihre Adresse hinein, warum weiß sie nicht. »Das habe ich im Unterbewusstsein gemacht«, wird sie später sagen.
Mit der MS »Sven Johannsen« geht es dann zur Seebestattungsstelle auf der Ostsee. Während der Trauerrede platzt ein herzförmiger roter Luftballon mit einem Knall. Langsam wird die Urne ins Wasser gelassen. Erichs Witwe beschwert die Lieblingsmütze mit einem Stein und sieht beides im Meer versinken. Ein Glas Sekt und ein paar Rosenblätter folgen.
»Das war hübsch irgendwie«, erinnert sie sich ein paar Wochen später in ihrer Travemünder Wohnung. Eine ganz eigenartig nette Feier sei das gewesen. Auf dem Tisch vor ihr liegt Erichs Lieblingsmütze. Die Seebestattung war am 1. September. Am 27. September hat ein Spaziergänger die Mütze am Strand der Insel Poel gefunden. Und mit einem kurzen Brief zurück nach Travemünde geschickt: »Habe beiliegende Mütze am Strand der Insel Poel Anfang September gefunden«, schreibt er. Mehr nicht. Die Adresse stand ja in der Mütze. Was er sich gedacht hat beim Lesen der anderen Inschrift, weiß man nicht.
Natürlich war Erichs Witwe überrascht über die Post von der Insel Poel. »Ich hab doch an die Mütze nicht mehr gedacht«, sagt sie. Jetzt kriegt Erichs Lieblingsmütze einen Ehrenplatz in der kleinen Travemünder Wohnung. TA