SPORT/POLITIK
Travemünde 29.09.2011
Sportstättennutzungsgebühr: Erhebung teurer als die Einkünfte?
Diskussion um Sportförderung mit den Bürgermeister-Kandidaten

»Die meisten Sportplätze, die hier die Vereine haben in Lübeck, sind städtisch«, erläuterte TSV-Chef Markus Hellwich. »Sie müssen zum Teil renoviert werden.« Die Hansestadt Lübeck hätte kein Geld und die Sportvereine müssten selbst sehen, wie sie Gelder kriegen. »Das meine ich jetzt für alle Sportvereine.«


Hellwichs Frage an die Bürgermeister-Kandidaten: »Wie stehen Sie zur Sportstättennutzungsgebühr? Der TSV Travemünde zahlt zum Beispiel jedes Jahr zehntausend Euro. Und kommen Sie mir bitte jetzt nicht mit Beitragserhöhungen«, sagte Hellwich und erntete Applaus vom Publikum. Die kreisfreie Stadt Flensburg hätte auch diese Gebühr gehabt, führte der TSV-Chef weiter aus. »Die hat die Stadt Flensburg wieder zurückgezogen, weil die Kosten für die Verwaltung viel zu hoch waren.«

Thorsten Fürter (GRÜNE) durfte als Erster antworten: »Klar ist, dass die Sportförderung bestehen bleiben muss, weil Sport in der Gesellschaft eine wichtige Funktion erfüllt«, meinte Fürter. In den Familien laufe heutzutage nicht alles richtig in der Gesellschaft. Da sei Sport ein Mittel, damit junge Menschen und ältere Menschen zusammenkommen. »Deswegen halte ich wenig davon, in diesem Bereich zu sagen, da muss jetzt irgendwie die Axt angesetzt werden.« Was die Finanzierung der Anlagen betreffe, müsse man sehen, wie man dazu kommt, mit günstigen Angeboten zu arbeiten, ohne dass das Geld an anderer Stelle fehlt, etwa um die Radwege zu verbessern. Der gesellschaftlichen Funktion des Sports gibt der begeisterte Sportler Fürter aber ein »klare Priorität.« Es sei ihm ein persönliches Anliegen, »dass da Möglichkeiten bestehen bleiben für eine gut funktionierende Gesellschaft.«

Alexandra Dinges-Dierig (CDU) war früher Hamburger Sportsenatorin. Ihre Einstellung hätte sich nicht geändert, sagt sie. Sie sei für eine Nutzungsgebühr, die aber lediglich die so genannten Betriebskosten abdecken sollte. Also abhängig vom tatsächlichen Verbrauch vor Ort. Wenn der Sportverein selbst Eigentümer der Flächen sei, sehe die Sache natürlich völlig anders aus. »Wobei die Übergabe der Sportplätze und Sportstätten an Sportvereine nur dann funktionieren kann, wenn diese Sportplätze auch in Ordnung sind«, sagte Dinges-Dierig. »Man kann keine maroden Flächen übergaben und dann noch sagen: So, jetzt macht mal. Das funktioniert nicht. So darf man nicht miteinander umgehen.« Weil der Sport ja für die Jugend eine ganz besondere Rolle spiele. Sie sei da ganz Dankbar, dass die Possehl-Stiftung die entsprechende Förderung hier mit ermögliche. Sie beobachte in dem Zusammenhang auch die Toto-Lotto-Staatsverträge sehr aufmerksam. »Wir alle wissen, dass wir aus diesen Toto-Lotto-Erträgen in hohem Maße den Sport finanzieren. Kultur auch, soziales auch, aber der Sport ist der größte Nutznießer.« Je nachdem, wie nun die Diskussion um den Staatsvertrag ausgehe, könnte es noch mal eine neue Basis geben.
Wichtig sei auf jeden Fall, dass die Beträge an die vom Landessportbund über den Kreissportbund an die Vereine fließen. »Dass die von der Berechnung her auch so in Ordnung sind, dass bei Ihnen möglichst viele Gelder ankommen. Das heißt dass möglicht wenig im so genannten Overhead der Landesportbünde verschwindet an Geldern wie sie dort auch vom Land zugeteilt werden.«

Jens Uwe Schulz (LINKE) meinte, dass Lübeck einen Breitensport brauche und dass der über die Vereine organisiert werde, darüber bräuchte gar nicht diskutiert werden. »Dafür brauchen wir eine Sportförderung.« Die Sportstätten der Stadt sollten auch von den Sportvereinen genutzt werden. Seiner Meinung nach könne man auch über eine Sportstättennutzungsgebühr reden. »Aber man kann dann nicht mehr darüber reden, wenn sie bedeutet, dass Sport nur noch was ist für Leute mit einem dicken Einkommen.« Auch die Vereine müssten ihre Arbeit organisieren können und dabei müsse auch die Leistungsfähigkeit der Vereine einbezogen werden. Wenn die Vereine in der Lage seien, Menschen aller Sozialen Schichten im Sport zusammenzubinden, dann müsse man Sportstättennutzungsgebühren unter diesem Gesichtspunkt sehen. »Dann ist es wichtiger, dass Sport getrieben wird, als dass diese Einnahmequelle als zusätzliche Einnahmequelle herangezogen wird. Der Aufwand überhaupt diese Gebühren einzuholen ist teilweise in überhaupt keinem Verhältnis mehr zu dem was damit zu holen ist.«

Harald Klix (Parteilos) antwortete auf die Frage des Moderators, ob er die 10.000 Euro Jahresgebühr erlassen würde: »Das ist ein ganz klares Ja. Wir brauchen den Sport, wir brauchen die Förderung, wir brauchen den Aufbau der Jugend.« Im Bereich Sport, auch was den Fußball betreffe, gäbe es sehr viele Verluste. Da müsse wieder aufgebaut werden. Beim VfB Lübeck fehle auch Geld. »Es wird überall Misswirtschaft betrieben. Es werden junge Spieler nicht herangeholt, es werden keine eigenen ausgebildet.« Geld fehle an allen Ecken und Enden. Man müsse sich in Zukunft an einen Tisch setzen und darüber reden, wie die Sportentwicklung in Lübeck wieder zukunftsorientiert gestaltet werden könne.
Matthias Erz (BUNT) meinte, da gäbe es keine einfachen Antworten. Es sei von 10.000 Euro für den TSV gesprochen worden. »Sofern sich das da um Tennis handelt muss man da wahrscheinlich anders mit umgehen als wenn sich das um einen Breitensport handelt in einem Migrantenviertel zum Beispiel.« Das schwierige für einen Verwaltungschef sei, »zu verantworten in einen Verein, zum Beispiel den Lübecker Yacht-Club, dem ich selbst angehöre, Geld hineinzugeben, als in andere Vereine, die es dringender nötig hätten.« Auch beim beliebten VFB Lübeck mache er sich gern unbeliebt, das sei ein Profi-Verein, der sein Geld selbst erwirtschafte. Die Kommune dürfe da keinen Cent zugeben. TA