POLITIK 3
Lübeck 07.04.2011
Zwei Meinungen über Todesschüsse?
CDU forderte Entschuldigung von Antje Jansen wegen Äußerungen zur DDR-Grenze

In der Bürgerschaftssitzung am 31. März hatte die Fraktionsvorsitzende der Linken Antje Jansen zum Grenzmuseum erklärt: »Das ist ja nicht die Aufarbeitung der ehemaligen DDR, sonders es ist die Aufarbeitung der Grenze. Das was an der Grenze passiert ist. Und das ist, denke ich mir, nicht die Aufarbeitung, sondern nur, was ist an der Grenze geschehen. Da gibt’s unterschiedliche Meinungen, da gibt’s unterschiedliche Positionen, das sehe ich auch. Aber wenn man die Aufarbeitung der ehemaligen DDR hat, dann muss man auch die sozialen Aspekte, die in der DDR letztendlich mal gewesen sind, auch mit benennen.«
Lars Rottloff (CDU) klärte die Fraktionschefin der Linken auf: »Frau Jansen, Sie haben gesagt, Sie wissen nicht, was an der Grenze passiert ist: Da müssen Sie nur ein Geschichtsbuch aufschlagen. Frau Jansen, es weiß ja jeder. Und Ihre Geschichtsverleugnung, die ist wirklich unglaublich. Hunde, Wachzäune, Minen, Tote. Das kann ich Ihnen so sagen.«
Der Fraktionsvorsitzende der CDU Andreas Zander sprach ebenfalls zum Grenzmuseum und wandte sich zum Schluss mit einer Bemerkung an Antje Jansen: »Sie sind ja angeblich am letzten Samstag beschimpft worden als Schande des Parlaments. So wie Sie sich heute hier aufgeführt haben, bin ich geneigt Ihnen zu sagen, Sie sind auch eine Schande der Lübecker Bürgerschaft.«

Sofort wurde nach dem Ältestenrat gerufen, der mehr als eine Stunde lang über Zanders Äußerung beriet. Stadtpräsidentin Gabriele Schopenhauer als Leiterin der Bürgerschaftssitzungen nutzte die Pause, um noch einmal die Aussage von Andreas Zander im Originalton zu hören und zitierte Zander schließlich mit den Worten: »So bin ich geneigt zu sagen, Sie sind eine Schande der Lübecker Bürgerschaft«
Schopenhauer wandte sich dann an Zander: »Ich bitte Sie, Herr Zander, hier heute zu erklären, wie Sie das gemeint haben. Ob Sie wirklich gemeint haben, Frau Jansen sei eine Schande der Lübecker Bürgerschaft.«
Zander entgegnete: »Sie haben doch eben vorgelesen, was ich gesagt hab. Und ich denke, damit ist alles gesagt. Ich bin jetzt nicht bereit, mit Ihnen hier öffentlich darüber zu diskutieren, wie ich etwas gemeint habe. Aber wenn Sie es unbedingt wissen wollen, ich habe im Ältestenrat bereits erklärt, dass es nicht meine Art ist, dass es mir auch fern liegt, einzelne Leute und Mitglieder der Lübecker Bürgerschaft persönlich zu beleidigen. Wenn das so angekommen ist, das habe ich auch im Ältestenrat so bereits gesagt, dann täte mir das leid. Allerdings, Sie haben vorgelesen, was ich gesagt hab, und Sie müssen dann auch bitteschön noch mal, wenn Sie so lieb sind, vorlesen, was Frau Jansen erzählt hat, was mich überhaupt erst zu diesen Aussagen veranlasst hat. Vielen Dank.«
Die Stadtpräsidentin verweigerte die Bitte: »Das werde ich nicht tun, Herr Zander«, sagte Schopenhauer, und befasste sich dann weiter mit Zanders Äußerungen: »Es ist durchaus nicht einhellig in diesem Sinne verstanden worden, wie Sie sich erklärt haben. Ich hab jetzt zur Kenntnis genommen, dass Sie dies doch bedauern und ich bitte Sie, in der fortgesetzten Zeit der Sitzung deutlich sich in ihren Äußerungen zurückzunehmen und derlei Aussagen zu unterlassen.«
Die Aussagen von Antje Jansen wurden auf der Bürgerschafts-Sitzung nicht weiter thematisiert.

In einer Pressemitteilung erhebt Zander nun auch Vorwürfe gegen Stadtpräsidentin Gabriele Schopenhauer in Bezug auf Jansens Grenz-Äußerungen: »Dass diese Aussagen von der Stadtpräsidentin nicht gerügt worden sind, stattdessen aber die Antwort der CDU-Fraktion darauf, deutet ein weiteres Mal darauf hin, dass Frau Schopenhauer ihr Amt parteilich ausübt«, so Zander.
Von Antje Jansen erwartet er eine öffentliche Entschuldigung: »Wir erwarten von Frau Jansen, dass sie sich für ihre Äußerung gegenüber der Öffentlichkeit entschuldigt. Es gibt keine ’zwei Meinungen’ bezüglich der Todesschüsse an der innerdeutschen Grenze. Sie war eine zynische, menschenverachtende, gewalttätige Anlage, die das Leben der Menschen im Norden und Osten Lübecks über Jahrzehnte beeinflusst hat.« TA
Pressemitteilung der CDU-Fraktion Lübeck vom 07.04.2011 im Wortlaut:
Grenzmuseum: Linke muss sich erklären
Die Diskussion der Bürgerschaft zur Zukunft des Grenzmuseums war aufschlussreich – zumindest, was die Beiträge der Fraktion Die Linke angeht. Hierzu erklärt der Vorsitzende der CDU-Fraktion in der Lübecker Bürgerschaft Andreas Zander:
»Die Fraktion Die Linke hat während der Debatte um das Grenzmuseum in Schlutup in der letzten Sitzung der Bürgerschaft versucht, die laut gewordenen Vorwürfe, sie wolle aus ideologischen Gründen keine Erinnerung an die Mauertoten, zurückzuweisen. Der Versuch schlug gänzlich fehl.
Als zunächst Linken-Fraktionsvize Hans-Jürgen Martens neben den Beschwichtigungsversuchen von einem ›Missbrauch’ des Grenzmuseums für ›politische Ziele’ sprach, den es zu verhindern gelte, hat dies die Bürgerschaft bereits aufhorchen lassen.
Noch klarere Worte kamen dann allerdings von der Fraktionsvorsitzenden Antje Jansen, MdL. Ihrer Auffassung nach gebe es bezüglich der Vorgänge an der innerdeutschen Grenze ›unterschiedliche Meinungen, unterschiedliche Positionen’ was von Anfang an ihre Skepsis zum Grenzmuseum begründet habe.
Dass diese Aussagen von der Stadtpräsidentin nicht gerügt worden sind, stattdessen aber die Antwort der CDU-Fraktion darauf, deutet ein weiteres Mal darauf hin, dass Frau Schopenhauer ihr Amt parteilich ausübt.
Wir erwarten von Frau Jansen, dass sie sich für ihre Äußerung gegenüber der Öffentlichkeit entschuldigt. Es gibt keine ›zwei Meinungen’ bezüglich der Todesschüsse an der innerdeutschen Grenze. Sie war eine zynische, menschenverachtende, gewalttätige Anlage, die das Leben der Menschen im Norden und Osten Lübecks über Jahrzehnte beeinflusst hat.«
Externe Links zum Thema: Bericht über den ersten »Schande«-Vorwurf auf der Seite der Linken SH; Wikipedia-Lexikoneintrag über Antje Jansen; Internetauftritt des Grenzmuseums Lübeck