TOURISMUSWIRTSCHAFT
Travemünde 09.03.2011
Travemünde-Ausschuss, Travemünde-Senator oder lieber gleich die Ausgemeindung?
Stimmen vom Treffen der IG »Rettet den Kurbetrieb für Travemünde!« am Montag

»Wenn Urlauber dabei sind, umso besser«, meinte Thomas Schapke, einer der Sprecher der IG, am Montag auf der Versammlung im El Pueblo. »Wir haben am Samstag unsere große Aktion vor der Sparkasse gestartet und dort auch etliche Unterschriften erhalten von Kurgästen, die natürlich völlig entsetzt waren als wir ihnen erklärt haben, um was es hier geht.«
Johannes Pegel von der IG ergänzte: »Wichtig ist, dass jetzt in Lübeck gesehen wird, wir lassen uns hier nicht mehr alles gefallen.« Was sonst noch an Meinungen und Informationen ausgetauscht wurde am Montag:
Inge Hermann erinnerte an das Problem mit der Mehrwertsteuer bei Baumaßnahmen: Allein dadurch würde die Stadt mehr als eine Million Euro verlieren wenn die Bauverwaltung das übernimmt, allein bei der vom Kurbetrieb gebauten Strandpromenade. »Das ist doch kein Spareffekt. Und Frau Gastager beziehungsweise die LTM könnte solche Aufgaben nicht wahrnehmen.« Außerdem würden durch Waterfront ja 3.000 Betten, durch die Bebauung des Aqua-Top-Geländes noch mal 300 bis 400 Betten hinzukommen. Dadurch würde sich die Kurabgabeneinnahme, zur Zeit 800.000 Euro, verdoppeln.
Rolf Fechner erinnerte an die Info-Veranstaltung mit Kurdirektoren im Lübecker Yacht-Club. Dabei sei herausgekommen, dass bei einer kleinen Gemeinde ein Überschuss erzielt wird, und bei der großen Gemeinde gehe das Geld im Haushalt unter. Insofern sei man in Travemünde interessiert daran, möglichst viel selbst zu machen bei kurzen Wegen. Travemünde solle sich ein Vorbild nehmen an den Gemeinden, die es jetzt schon geschafft haben, selbst Gewinne zu erwirtschaften. Das käme dann ja auch den Lübeckern zugute.
Thomas Schapke meinte, es sollen ja Strukturen geändert werden. »Da fragen wir uns, warum sollen vorhandene Strukturen aufgelöst werden und neue sollen erstellt werden, wo ist da der Spareffekt?«
Wolfgang Hovestädt stellte ebenfalls den Spareffekt in Frage. Die Frage, was gespart werden solle wenn der Kurbetrieb aufgelöst wird, sei auch in Lübeck gestellt worden und bis jetzt offen geblieben. »Es ist nichts dabei herausgekommen.« Hovestädt widersprach den Aussagen von Senator Sven Schindler, dass nichts mehr zu ändern sei. »Wir haben immer noch Basisdemokratie«. Man wolle, könne und werde etwas ändern.
Klaus Petersen erinnerte, dass es in der Zeit von 1989 bis 1997 mindestens fünf Gutachten gegeben habe über Tourismus und Kurbetrieb. Von namhaften Firmen. »Das waren die big four der Wirtschaftsprüfungsgesellschaften in Deutschland.« Etwa KPMG, PWC und Wibera. Diese Gutachten hätten richtig Geld gekostet. »Und man ist zu dem Ergebnis gekommen, dass es am Ende besser alles so bleibt wie es ist. Das sind die wahren Sparmaßnahmen.« Und wenn man Parallelstrukturen verhindern wolle, warum sitze dann die Lübecker Verkehrsgesellschaft (LVG) in Travemünde, fragte Petersen. »Warum sitzen die nicht am Ratekauer Weg?«. Es sei doch eine Tochtergesellschaft des Stadtverkehrs. Petersen beantwortete die rhetorische Frage auch gleich: »Weil sie am Ort tätig sein will und weil sie am Ort tätig sein muss. Ich kann doch nicht einen Kurbetrieb von einem Bauhof in Lübeck leiten und hier ruft einer an der Strand muss gesäubert werden und dann geht’s den langen Weg nach Lübeck, wird vielleicht noch genehmigt werden müssen von dem Vorgesetzten und von dem Bereichsleiter, dann stinkt es hier in Travemünde vier Tage nach Seetang!«
Thomas Misch verwies darauf, dass der Kurbetrieb den Beschluss, dass in den Jahren von 2005 bis 2010 jeweils 20 Prozent eingespart werden sollten, voll erfüllt habe. Da hätte der Kurbetrieb hervorragend gewirtschaftet. »Er hat alle diese Sparvorgaben, die die Bürgerschaft damals beschlossen hat, voll erfüllt. Das ist wieder ein typisches Indiz: Diejenigen Betriebe, die vernünftig wirtschaften, sollen platt gemacht werden.« In anderen Bereichen werde das Geld rausgehauen und hier sollten »die 50 Cent gespart werden.« Alle anderen Kurorte hätten einen Kurbetrieb, es sei »desaströs, wenn wir das hier dichtmachen.« Misch sieht die Einnahmen aus dem Tourismus durch steigende Übernachtungszahlen gefährdet, wenn der Kurbetrieb geschlossen werde.
Klaus Petersen ergänzte, dass die Investitionen, die in Travemünde im Kurbereich getätigt worden seien, also Brügmanngarten, Godewindpark, Erneuerung der Brücken, Neubau von Toiletten, »alle diese Dinge sind nicht von der Stadt Lübeck, sondern sind über den Kurbetrieb investiert, finanziert und erwirtschaftet worden.«
Klaus Petersen meinte, für ihn sei Travemünde der prosperierendste Stadtteil Lübecks. »Zu uns gehören der Skandinavienkai mit einem Riesenumsatz und der Tourismus in Travemünde«. Der Tourismus in Travemünde mit 400.000 und in Lübeck mit 600.000 Übernachtungen sei ziemlich gleich. »Ich wüsste nicht, bis auf zwei, drei Firmen in Lübeck, was da noch richtig boomt. Das einzige was für mich in ganz Lübeck richtig boomt sind der Skandinavienkai und der Tourismus in Travemünde.« Zuvor war mehrfach die Frage gestellt worden, ob mehr Gelder aus Travemünde nach Lübeck abfließen oder umgekehrt.
Hans Kröger verwies darauf, dass beim Defizit des Kurbetriebes zum Beispiel etwa 800.000 Euro Einnahmen aus Zweitwohnungssteuer gegenüberstünden. Und dass ja auch Mittel über die Einnahmen der Wirtschaft wieder an die Stadt Lübeck zurückfließen. Kröger begrüßte, dass sich die Initiative gegründet habe, »bevor Entscheidungen abgeschlossen sind.« Es müsse jetzt ein deutliches Meinungsbild der Travemünder hergestellt werden. Man müsse aber auch sehen, dass eine Entscheidung getroffen worden sei, hinter der eine Mehrheit stehe. »Wir werden dann in der Zukunft genau sehen müssen, was aus diesem Vorhaben entsteht, um darauf dann entsprechend reagieren zu können. In Bezug auf die Zahlen ist sicherlich alles gesagt. Es geht nicht darum, dass etwas eingespart werden kann.« Wenn man sich die Orte ansehe, mit denen Travemünde konkurriere, dann seien das Orte, wo der Bürgermeister und die Verwaltung bis in die kleinste Kleinigkeit involviert seien. »Und wenn eine Bürgerschaft in Lübeck acht oder neun Stadtteile zu versorgen hat – und wir wissen ja allgemein, dass der Schwerpunkt der Lübecker Tätigkeit in der Bürgerschaft absolut nur am Rande bei Travemünde liegt – im Allgemeinen befassen wir uns ja zu zwei Dritteln mit Sozialfragen – dann ist es ausgeschlossen, dass Travemünde wettbewerbsfähig mit diesen konkurrierenden Orten operieren kann. Das geht nur, wenn wir hier den Stützpunkt und den Schwerpunkt haben, der unser Bad weiter entwickelt.« Was einen von viel Applaus begleiteten ersten Zwischenruf auslöste: »Oder wenn wir uns von Lübeck lösen könnten!« Woraufhin Hans Kröger ergänzte, das ginge den Travemündern ja nicht erst seit der Eingemeindung 1913 so, sondern seit dem Mittelalter. »Seit 1451 schlagen sich die Travemünder mit dem Vogt von Lübeck.«
Karl Erhard Vögele ging auf den letzten Satz ein, der auf den Unterschriftenlisten der IG steht. Dort heißt es, dass der Kurbetrieb ein Mitspracherecht beim Travemünde-Marketing haben muss. »Das geht mir nicht weit genug. Er muss ein Mitentscheidungsrecht haben!«. Weiter meinte Vögele, damit es in Travemünde weiter aufwärts geht und das Ostseebad nicht weiter unter den Prämissen der Finanznot einer Hansestadt Lübeck leidet, müsste Travemünde versuchen sich von dieser Finanzmisere abzukoppeln. »Und das bedeutet, dass noch mehr Entscheidungen, die auch die Infrastruktur und alles andere betreffen, hierherkommen. Natürlich wäre das weitestgehendste, dass man sagt, wir koppeln uns ab und werden Bestandteil von Ostholstein.« Was wieder mit viel Applaus quittiert wurde. Vögele meinte, darüber müsse noch vertiefend nachgedacht werden. »Es gibt viele Beispiele in Deutschland, wo sich Gemeinden ausgemeindet haben.« Das müsse geprüft werden, auch von den Konsequenzen für den Bürger her, einfach sei das nicht. »Es spricht sich im Moment sehr leicht aus und es geht auch in die richtige Richtung.« Neben der Ausgemeindung, die vielleicht eine Angelegenheit von 5 bis 10 Jahren sei, hätte Travemünde noch weitere Möglichkeiten. Etwa könne gefordert werden, dass Travemünde statt eines Kurbetriebsauschusses einen Travemündeausschuss bekomme, was ein großer Unterschied sei. Früher hätte das Ostseebad auch einen Senator für Travemünde gehabt. »Gut, es ist die Frage, ob wir das fordern wollen oder nicht«, meinte Vögele. Er rege aber an, darüber nachzudenken. Wichtig sei nicht nur, dass die Fremdenverkehrsangelegenheiten in Travemünde koordiniert würden. Solange nicht alle Zuständigkeiten in Travemünde liegen würden, sollte eine Bündelung der Travemünde-Angelegenheiten in einem Aufgabenbereich bei einem Senator liegen. »So dass die Hansestadt Lübeck nicht bloß durch ein paar Besprechungen versucht, alles zu koordinieren was hier ablaufen soll, sondern dass man auch jemanden fassen kann, der in Lübeck für Travemünde ganz speziell zuständig ist.« Wenn im Kreise der Inititative über diese Dinge nachgedacht und sie weiterentwickelt würden, sei Travemünde auf dem richtigen Weg.
Thomas Schapke erinnerte daran, dass eine Kuh, die gemolken werden soll, auch gefüttert werden möchte. »Denn wenn hier alles rausgezogen wird, dann ist sie irgendwann verhungert.« Mit Blick auf die für Lübeck geplante Bettensteuer meinte Schapke: »Komischerweise hört man da von der Travemünder Wirtschaftsgemeinschaft nichts. Da gibt es keine Reaktionen zu.« Woraufhin aus dem Publikum der Einwurf kam, die hätten ja auch keine Betten. »So ist es«, meinte Schapke.
Martin Grage erklärte, alle Vereine in Travemünde sollten jetzt ebenfalls mobilisiert werden. Da käme zusammen mit den Familien viel zusammen. »Ich denke mal, 2.000 bis 3.000 Menschen zu mobilisieren sollte gut und gerne machbar sein.« Frau Rieken regte in Ergänzung dazu an, möglichst bald loszumarschieren mit der Demo.
Klaus Petersen kündigte für die nächste Bürgerschaftssitzung einen Antrag an: »Sicherlich werden CDU, BfL und FDP, vielleicht auch Teile der SPD, einen Antrag stellen, der die Aufhebung dieses Beschlusses fordern wird. Und wenn der abgelehnt wird, dann werden wir wieder den Antrag stellen. Da sind wir erfahren drin, dass man dann zwei- dreimal den gleichen Antrag stellt. Aber jedes Mal hat man das Thema wieder auf der Tagesordnung und kann diskutieren.« Petersen empfahl, den Druck zu erhöhen, neben den Unterschriftenlisten sollten Demonstrationen organisiert und die Medien eingeschaltet werden inklusive Fernsehen. »Und dann schaffen wir das auch!«
Johannes Pegel meinte, er habe zum ersten Mal das Gefühl und den Eindruck, dass Travemünder »das erste Mal, zumindest solange ich hier wohne, wirklich bereit sind, für etwas zu kämpfen. Und zwar zusammen. Das freut mich ungemein. Und ich hoffe, dass wir nach diesem Anfang so weitermachen. Und wirklich mal den Lübeckern zeigen, dass wir nicht alles mit uns machen lassen.«
Meinhard Wichmann meinte, man müsse auch einmal über den Stellenwert sprechen, den der Travemünder Tourismus insgesamt für einige Verantwortliche in Verwaltung und Bürgerschaft habe. Wichmann nannte als Stichworte die früheren Diskussionen über die Fremdenverkehrsabgabe sowie den Beschluss zur Bettensteuer als investitionsfeindliche Aktionen, »die den Standort Travemünde nicht nach vorne bringen.« Im Gegenteil. Travemünde hätte kein Bad, was seit Jahren beklagt werde, sowie für Deutschland außergewöhnlich lange Entscheidungsprozesse. »Da kommt kein Investor mehr freiwillig hierhin.« Das müsse sich ändern und auch für einige Mitglieder der Bürgerschaft müsse deutlich werden, dass Tourismus ein erheblicher Wirtschaftsfaktor sei. Travemünde hätte eine große Tradition und beste Voraussetzungen.
Wolfgang Hovestädt empfahl, mit kleinen Schritten anzufangen und an der Schüler-Protestaktion für den Erhalt der Aula am Donnerstag, 10. März 2011, um 08:45 Uhr vor der Stadtschule teilzunehmen. »Das hat ja indirekt auch was mit unserem Kurbetrieb zu tun.« Denn die Aula solle für den Tourismus und auch für die Schule erhalten werden.
1 http://www.rettet-den-kurbetrieb.de