KUNST & KULTUR
Travemünde 05.12.2010
Kunst in Travemünde – Anja Es’ Predigt zu Martin Jagodzinski
»Liebe Gäste, Freunde der Künstlerei und Kunstsinnige! Es ist doch erstaunlich, wie unterschiedlich Künstler die Welt sehen. Natürlich – jeder Mensch sieht die Realität auf seine Weise – aber ihre Transformation in Kunst bedarf doch neben einer wie auch immer gearteten Interpretation einen authentischen Kern. Ein ›Inneres‹, das nach außen projiziert fühlbar macht, was für den Künstler substantiell ist. Dabei geht es nicht um die Frage ›Was will der Künstler damit sagen?‹ sondern vielmehr darum, dass im Betrachter selbst Emotionen geweckt werden, die ihm eine neue, manchmal befremdliche, immer aber bereichernde Sicht auf die Welt vermittelt.
Das ist auch das Spannende daran, neue Menschen kennenzulernen. Wenn sie es zulassen, dass man ihnen ins Herz schaut, kann das ungeheuer bereichernd sein. Allerdings muss man sich natürlich darum bemühen. – Über Smalltalk hinaus einem Menschen wirklich zu begegnen, dauert etwas und ist absolut nicht immer inklusive. – Ein besonderes Geschenk. – Ein Geschenk, das uns Künstler ganz ohne Umschweife machen, indem sie uns ihre Bilder zeigen.
Martin Jagodzinski präsentiert uns mit seinen Arbeiten eine seltsame Realität. Eine, in der Vergangenheit und Zukunft zu einer irrealen Gegenwart verschmelzen, in der es dunkel ist und gleichzeitig hell, in der die Luft wie Wasser schwillt und die uns traumgleich entgegen schimmert. Seine Bilder erscheinen wie Sequenzen einer Erinnerung; wie ein Dejavu-Erlebnis.
Der Blick aufs Meer wirkt vertraut und gleichzeitig befremdlich; manchmal, wenn Rot aufgischtet, bedrohlich, lustvoll oder traurig. Selbst eine Gruppe Badender, die im Wasser planschen kommt angesichts des dräuenden, tiefen Himmels über ihnen eher bedrückend daher. Es ist nicht, was es ist. Die Bilder Martin Jagodzinskis sind Landschaften auf den ersten Blick. Seestücke, Bauten, Menschen … mit fast fotografischer Genauigkeit portraitiert und hervorragend gemalt. Aber irgendetwas stimmt nicht. Auf jedem Bild. Es ist schwer fassbar, was das ist; man kann es vielleicht vergleichen mit dem Gefühl, das einen beschleicht beim nächtlichen Weg durch einsame Straßen auf dem Weg von einem Fest nach Hause. – War da was? Oder mit der Spannung, die in der Luft liegt wenn man irgendwo eingeladen wird und das Paar hat sich gerade gestritten.
Man spürt förmlich, wie es knistert, in den Bildern von Martin Jagodzinski – aber wenn man nachsieht, ist da nichts. – Vielleicht nur eine Spiegelung… Man wendet sich ab, aber muss immer wieder zurücksehen, zu dem spießigen Einfamilienhaus und sich fragen: Was ist da passiert? Überhaupt kann man seinen Blick schwer abwenden, denn die Bilder sind gleichzeitig von großer Ästhetik.
Farblich kraftvoll und sicher, harmonisch im Aufbau und spannungsreich in Licht und Schatten. Es sind Arbeiten, die in moderne Häuser passen, die in ihrer Einzigartigkeit die Individualität und den Stil ihrer Bewohner widerspiegeln und die den Anspruch der Kunst deutlich machen, mehr zu sein, als ein Stück Dekoration. Kunst – und insbesondere die Bilder von Martin Jagodzinski ist der zeitgenössische Blick auf die Gesellschaft der Gegenwart, auf Strömungen und Potentiale, die unterhalb von lifestyle ihre Wirkung haben und nicht zuletzt auf ein Stück Seele des Künstlers. Kunst ist Geist.
Und da ist es wie in der Literatur: Geist ist eben nicht nur ›Schöngeist‹, sondern durchaus auch mal inhaltlich anspruchsvoll. Aus diesem Grund werden Künstler wie Martin Jagodzinski in meiner Künstlerei immer einen Platz haben. – Ich hoffe auch in ihren Herzen und vielleicht sogar an Ihren Wänden.« AE/KEV
Alle Fotos: Karl Erhard Vögele