WIRTSCHAFT 5
Travemünde 04.12.2009
Von wegen knappe Kassen...
LTM leistet sich 60-seitige Selbstdarstellungs-Broschüre in bester Druckqualität
Das Gastgeberverzeichnis für 2010 ist noch nicht erschienen und auch über Travemünder Veranstaltungen des kommenden Jahres kann noch niemand Auskunft geben. Die dafür verantwortliche Lübeck- und Travemünde Marketing GmbH (LTM) verschickt aber schon mal 60-seitige, hochwertig gedruckte Broschüren – über sich selbst.
Lübecks Bürgermeister Bernd Saxe soll sich dem Vernehmen nach bereits bei LTM-Geschäftsführerin Andrea Gastager erkundigt haben, warum sich die angeblich so klamme städtische Gesellschaft so eine Eigen-Inszenierung leistet. Der »Tätigkeitsbericht der Lübeck und Travemünder Marketing GmbH« soll dem Vernehmen nach dem Eindruck entgegenwirken, die LTM würde nicht genug tun. So erfährt der geneigte Leser nun, was »im Focus des Tourismusmarketings« steht, nämlich »die Akquirierung von neuen Gästen und Besuchern sowie deren Bindung«. Die Broschüre ist voll mit schicken Bildern von Lübeck, Travemünde und vom vielköpfigen LTM-Team.
Interessant ist für Travemünder natürlich der Rückblick auf das Veranstaltungsjahr. Da wird ein »Open-Air-Gottesdienst« zu Ostern erwähnt, der gar nicht stattgefunden hat. Zwar hatte die LTM ursprünglich zu Ostermontag einen Open-Air-Gottesdienst angekündigt, allerdings wurde erst danach ein Pastor angefragt. Der hatte erstaunlicherweise zu Ostern schon was anderes zu tun. So gab es dann statt eines großen Open-Air-Gottesdienstes eine kurze Oster-Andacht vorm Osterfeuer (TA berichtete).
Beim Rückblick auf »Travemünde Jazzt« zu Pfingsten schrumpft in der Broschüre die zahl »faszinierter« Besucher von 25.000 aus der LTM-Pressemitteilung vom Juni 2009 nachträglich auf 20.000 Besucher. Was immer noch ein enormes Stühlerücken gewesen sein muss, wenn man bedenkt, dass selbst mit den allgegenwärtigen roten Liegestühlen plus Stehplätzen nur für rund 1.000 Besucher vor der Bühne Platz ist – bei gerade mal 17 Auftritten an knapp vier Veranstaltungstagen.
Wundersam auch die Zahlen zur letzten »Baltic Sail« (Sail Travemünde): »18 Traditionssegler entführten über 1.000 Gäste zum Mitsegeln zur »Sail Travemünde« aufs Meer«, heißt es in der Broschüre. Alle Schiffe und Abfahrten zusammengezählt gab es laut Buchungsliste aber nur 990 mögliche Plätze, und es waren längst nicht alle Fahrten ausgebucht (TA berichtete). Da müssen wohl ein paar Leute nebenher geschwommen sein.
Interessiert werden auch die Veranstalter von »Travemünder Woche«, »Ostsee Classics«, »Holstentor-Boule-Turnier«, »Travemünder Beach-Handball-Cup«, »Harley-Weekend«, »Lichterfest« und »Wassermarionettentheater« zur Kenntnis nehmen, dass sie als Veranstalter »bei der Vermarktung und Pressearbeit unterstützt« wurden. Möglicherweise ist damit aber auch die Aufnahme in den Veranstaltungskalender gemeint.
So einen Tätigkeitsbericht kann man mit Bordmitteln selbst erstellen und kostengünstig digital verschicken an die, die es interessiert. Oder aufwändig produzieren lassen zu einem Preis, mit dem sich ein Oster-Drachenfest oder ein Tortenfest auf Jahre hätte finanzieren lassen. »Wenn die LTM Travemünde so gut vermarkten würde wie sich selbst, wäre ja alles in Ordnung«, hatte ein Teilnehmer bei der Vorstellung des Saisonprogramms 2009 vor rund einem Jahr gesagt. »Für das Können gibt es nur einen Beweis, das Tun«, zitiert LTM-Geschäftsführerin Andrea Gastager auf Seite 9 die Schriftstellerin Marie von Ebner-Eschenbach. Die Frage ist, ob man dann noch solche Broschüren nötig hätte... TA