Winterreise in der Vogtei:

In das Thema »Kunst & Kultur« werden große Hoffnungen in Travemünde gesetzt. Und die Zeichen stehen gut: Neben der Malerei ist jetzt auch die Musik verstärkt im Aufwind. In der Alten Vogtei startet im April eine neue Konzertreihe mit hochkarätigen Künstlern aus der Klassik. Den Auftakt macht ein Liederabend am Ostersamstag. Für die Zukunft sind musikalische Leckerbissen wie Operettenabende (mit Kostüm) und hochkarätige Klavierkonzerte geplant. Aber auch Maritimes, etwa eine art »Haifischbar-Abend« mit Seemannsliedern.

Federführend bei der Konzertreihe ist der Berliner Tenor Bruno Paulenz. Der Wagner-Sänger ist der Schwiegervater von Mezzosopranistin Nevena Paulenz, die gemeinsam mit Ehemann Jan die Gastronomie in der Alten Vogtei übernommen hat. Er wird seine Kontakte in der Klassik-Szene nutzen, um weitere hervorragende Künstler für Gastspiele in Travemünde zu gewinnen.

Bruno Paulenz ist zwei Jahrzehnte lang Wagner-Sänger gewesen, hat letztes Jahr den Sigmund aus der Walküre für den Scheich von Abu Dhabi gesungen. Auch Kanzlerin Merkel gehörte zu den Gästen des Konzertes. In Travemünde singt er aus der Winterreise, Paulenz hat eine Leidenschaft für die Musik von Franz Schubert. Seine dramatisch veranlagte Stimme passt gut zu den Geschichten, die die Musik transportiert: Von dem jungen Handwerksgesellen, der sich auf der Walz in ein Mädchen verliebt, sie in der Stadt aufsucht und abgewiesen wird. Er verlässt die winterlich verschneite Stadt, kommt dabei vorbei »Am Brunnen vor dem Tore«...

Die »Winterreise« ist in Travemünde in der Tonart zu hören, in der Schubert sie geschrieben hat: Für einen Tenor. Heutzutage wird sie sonst oft von einem Bariton gesungen. Bruno Paulenz freut sich schon auf das Konzert, singt gern einmal in kleinem Rahmen. Der rückwärtige Raum in der Vogtei hat ja fast schon Club-Atmosphäre. Das Publikum kann die Musik hier sehr unmittelbar miterleben, natürlich alles ohne Technik und Verstärker. Neben dem bedeutenden Kunstwerk der »Winterreise« sind nach Werke von Robert Schumann (Frauenliebe und Leben) sowie Hugo Wolf und Richard Wagner zu hören. Weitere Interpreten des Konzertes sind Sopranistin Rosa Michailowa (Sofia), Mezzosopranistin Nevena Paulenz (Plovdiv) und der hervorragende Pianist Christoph Stöcker, der auch Mitglied der Bayreuther Festspiele ist.

Tenor Bruno Paulenz hat übrigens eine ganz besondere Verbindung zu Travemünde: In jungen Jahren war der gebürtige Kieler zunächst Jazzer, gewann bei einem Wettbewerb der Kurverwaltung im Jahre 1965 das »Goldene Band von Travemünde«. Der Preis brachte der Canaltown Jazzband dann einen auftritt in der »Aktuellen Schaubude« bei der Kieler Woche ein, der erste Auftritt des 18jährigen Posaunisten im Fernsehen. Später wandte Paulenz sich der Klassik zu, sang in den 80er Jahren an der Berliner Oper und ist Vorsitzender des Richard-Wagner-Verbandes in Mecklenburg-Vorpommern. Aber das »Goldene Band von Travemünde« hat er zuhause immer noch. TA