OSTSEE
Lübecker Bucht 29.02.2008
Umwelt,Wale,Munition:
Umweltverbände fordern von Politik, Wissenschaft und Wirtschaft Kraftakt bei Munitionsaltlasten im Meer

Schleswig-Holsteins maritime Wirtschaft bietet schon heute das nötige Know-how, um gefährliche Rüstungsaltlasten vom Meeresgrund zu heben und gefahrlos zu beseitigen. »Wir haben im Land auch exzellente Forschungseinrichtungen, die entsprechende Methoden weiterentwickeln können, die noch erprobt oder optimiert werden müssen«, stellt Petra Deimer von der GSM fest. »Nur anpacken müssen wir das Problem – sofort und nachhaltig!«
Mit welchen Verfahren man die bis zu 300.000 Tonnen chemische Kampfstoffmunition und mehrere 100.000 Tonnen konventionelle Munition, die allein in der Ostsee vermutet werden, bergen und gefahrlos entsorgen kann, hatten die Naturschutzverbände auf einem Symposium im Oktober 2007 in Kiel vorgestellt. Experten aus Deutschland und den USA stellten entsprechende Methoden vor: Vereisung, Wasserstrahlschneidtechnik, Unterwasserroboter, Photolyse und Beseitigung vor Ort in mobilen Verbrennungsöfen sind Bausteine möglicher Alternativen zu Sprengungen. Auch Blasenvorhänge, wie sie im März vor Heidkate zum Schutz von Schweinswalen zum Einsatz kommen werden, wurden präsentiert.
Die mit Altmunition am meisten belasteten Gebiete an der schleswig-holsteinischen Ostseeküste sind nach Auswertungen des Munitionsexperten Dr. Stefan Nehring die Lübecker Bucht, das Seegebiet vor Heidkate und die Schleimündung. An der Nordsee sind dies vor allem die Küsten von Sylt und Helgoland. »Der Zustand der Munitionsteile ist teils so desolat, dass man befürchten muss, dass hochgiftige und Krebs erregende Sprengstoffe an die Strände gespült werden«, befürchtet Ulrich Karlowski von der GRD. Zum Teil lagern Sprengstoffe wie vor Heidkate in unmittelbarer Strandnähe und im Zugriffsbereich von Hobbytauchern.
Eine vom Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume MLUR veranlasste Untersuchung von Wasser- und Sedimentproben aus Heidkate wies angeblich nach, dass von Sprengstoffresten keine Gefährdung der Meeresumwelt ausgehe. Toxikologen kritisierten jedoch auf dem Kieler Symposium deren Methodik und Aussagekraft. Nun kommt das Ministerium der Forderung von NABU, GSM und GRD nach, Miesmuscheln am Fundort auf angereicherte giftige Sprengstoffe untersuchen zu lassen.
Unterwasserschallexperten der Bundeswehr planen in der nächsten Woche zudem im Munitionsversenkungsgebiet »Heidkate« am Ausgang der Kieler Förde Probesprengungen von Altmunition. Dabei wird zum Schutz der bedrohten Ostsee-Schweinswale erstmals ein Blasenvorhang zum Einsatz kommen. Dieser soll die Entstehung einer starken Druckwelle verhindern, die Kleinwale noch in vier Kilometern Entfernung vom Sprengort tötet. Auf dieses Vorgehen hatten sich vor kurzem das für die Gefahrenabwehr zuständige Innenministerium, Bundeswehr, Umweltbehörden und Umweltverbände geeinigt. GSM, NABU und GRD begrüßen, dass nun begonnen wird, die im Oktober 2007 vorgestellten Alternativen zur Sprengung auch zu testen. Allerdings sind »schallgeschützte« Sprengungen nach Auffassung der Verbände nur ein Zwischenschritt zu einer umweltgerechten Lösung, da der tödliche Schall nur abgemildert wird und weiterhin Schadstoffe freigesetzt werden können. Der Munitionsräumdienst in Mecklenburg-Vorpommern wird daher auch das Verfahren einer Lübecker Spezialfirma testen, bei dem mit Hilfe neuer Wasserstrahltechnik Munitionsteile unter Wasser entzündert und zerlegt werden können.
Dringend erforderlich ist nach Ansicht der Verbände auch, dass alle auf Seekarten verzeichneten Munitionsareale und weitere Verdachtsgebiete umgehend flächendeckend kartiert werden.»Ein offensives Herangehen an das Thema Altmunition im Meer ist dringend notwendig«, stellt NABU-Landesvorsitzender Hermann Schultz abschließend fest. »Es legt den Grundstein dafür, Rüstungsaltlasten gefahrlos und umweltgerecht zu beseitigen – und damit unsere Küsten deutlich sicherer zu machen.« IL
Quelle: Pressemitteilung NABU, Foto: ARCHIV TA
1 http://www.NABU-Meeresschutz.de