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Travemünde/SH 20.12.2007
Tomas, Deskline oder WildEast?
Online-Buchungssysteme kämpfen um die Vorherrschaft in Schleswig-Holstein
Auf einer Website Unterkünfte im ganzen Bundesland buchen, das ist eine der Voraussetzungen für ein zielgruppenorientiertes touristisches Marketing, wie es unter anderem die Roland Berger Studie fordert. So eine Plattform ist aber auch wichtig, um überhaupt erst Schleswig-Holstein als touristische Marke zu etablieren. Bisher sind Teile des Bundeslandes wie »Nordsee« und »Ostsee« weitaus stärkere Marken als das Bundesland insgesamt. Schon wenn man an Anzeigen-Werbung für ganz Schleswig-Holstein als Urlaubsland denkt, wird klar, dass eine einheitliche Adresse und Telefonnummer für Buchungen unabdingbar ist.
Wenn aber Urlauber, die einfach »nach Schleswig-Holstein« wollen, für ihre Buchung nur eine einzige Internet-Seite aufsuchen sollen, dann müssen die Schnittstellen zwischen den Buchungsprogrammen der einzelnen Orte kompatibel sein. Davon ist Schleswig-Holstein aber noch weit entfernt, auch wenn jetzt gerade wieder Bewegung in den Markt kommt.

Die Ostseeküste wird von drei Buchungssystemen dominiert: TOMAS, Deskline/Eurosoft (diese beiden Programme sollen im kommenden Sommer zusammengeführt werden) und WildEast. TOMAS konnte jetzt in der Lübecker Bucht viel Land gewinnen: Die Tourismusgemeinde Scharbeutz gab gestern bekannt, ab März 2008 auf diese Lösung umzustellen. Das System wird auch in der Millionen-Metropole Hamburg verwendet. Das System ermöglicht es, dass sowohl der Tourismus-Service als auch Vermieter selbst Zimmer belegen. Weiter können in späteren Ausbaustufen Zusatzleistungen wie etwa Tauchkurse gleich mitgebucht werden. Ein weiteres Argument geht schon in Richtung überregionale Vermarktung: »Die Entscheidung für TOMAS fiel auch wegen seiner möglichen Nutzbarkeit als Verbundlösung der benachbarten Gemeinden für das überregionale Marketing«, heißt es in einer Pressemitteilung des Scharbeutzer Tourist-Service. Dabei wird vor allem in Richtung Sierksdorf und Neustadt geguckt, wo ebenfalls auf TOMAS umgestellt werden soll. In Scharbeutz hat man sich viele Systeme angesehen, auch in der Praxis. Entschied sich dann aber gegen die auf den ersten Blick nahe liegende Lösung, sich Lübeck und Travemünde mit »Deskline« anzupassen. »Deskline war für uns nicht praktikabel«, bestätigt Heike Lemke, in Scharbeutz zuständig für den Fachbereich Online-Marketing, auf Nachfrage von »Travemünde Aktuell«. Als einen der Gründe nennt sie die Darstellung dem Endkunden gegenüber.
Scharbeutz liegt in der Mitte zwischen Sierksdorf/Neustadt und Timmendorfer Strand auf der anderen Seite. Auch in Timmendorf wird spätestens zum 1.4.2008 auf TOMAS umgestellt, womit das System eine führende Position in der Lübecker Bucht einnimmt.
Timmendorfer Strand ist trotz einer Eigentümlichkeit bislang eine der führenden Ostsee-Gemeinden in Sachen Online-Buchung: Sowohl Timmendorfer Strand als auch der Ortsteil Niendorf nutzten bisher über die jeweiligen Tourismusvereine das System »WildEast«. Die Systeme waren aber nicht miteinander verbunden. Erst mit dem Umstieg auf TOMAS kann man jetzt erstmals von Niendorf aus Unterkünfte in Timmendorfer Strand buchen und umgekehrt.
Phase 1: Start der Online-Buchbarkeit über das neue System voraussichtlich am 1. April 2008. Ende Januar beginnt bereits die Mitarbeiter-Schulung in der Tourismus-GmbH. Die Regelungen für Vermieter sehen keine Einstiegsgebühr vor und auch keine Strafgebühr für Eigenbelegungen. Es gibt auch keine Exklusiv-Regelung, die Vermieter können ihre freien Kapazitäten auch über andere Dienstleister anbieten oder selbst vermarkten (z.B. wenn ein Stammgast telefonisch reserviert). In diesem Fall wird auch keine Provision fällig. Die Provision für Vermittlungen über das Online-System werden erst fällig, wenn der Urlaub verbracht und beim Vermieter bezahlt wurde. Der Urlauber zahlt beim Vermieter, ein Inkasso ist nicht vorgesehen (Ausnahme optionaler Rundum-Service Niendorf). Der Basis-Provisionssatz liegt bei 10 Prozent, mit Niendorfer Rundum-Service 12 Prozent, Nicht-Vereinsmitglieder zahlen zwischen 15 und 17 Prozent. Wer selbst seine Daten einpflegt, kommt auf 8 Prozent.
Phase 2: Installation der Schnittstelle mit der Bahn, im Warenkorb können auch Zugtickets gebucht werden. Ebenso Strandkörbe und Eintrittskarten für Events in Timmendorfer Strand (zum Beispiel Konzerte).
Phase 3: Installation des CRM-Moduls. Jetzt können Nutzerprofile angelegt werden, Gäste können ihren Interessen entsprechende Angebote per Email bekommen. Der Tourist-Service tritt so in einen Dialog mit seinen Gästen, kann Kunden besser an die Gemeinde binden.
»Wir wollen die Online-Buchungen steigern«, sagt Timmendorfs Tourismusdirektor Christian Jaletzke.

Der Touristservice Timmendorfer Strand bietet als Dienstleistung auch die Möglichkeit, eine eigene Homepage zu installieren. Gedacht ist dabei daran, auch älteren Vermietern das Potenzial der Online-Buchbarkeit zu erschließen. »Auch ältere Vermieter werden nicht darum herumkommen, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen«, glaubt Tourismusdirekor Jaletzke.
Er kann sich vorstellen, dass bei Großkunden auch über Timmendorfs Grenzen hinaus vermittelt wird. Auch eine Kopplung mit Scharbeutz will er mittelfristig nicht ausschließen.
Lübeck geht mit dem ursprünglich in der Schweiz entwickelten »Deskline« einen Sonderweg. Wenn »Deskline« im Sommer mit »Eurosoft« zusammengelegt wird, ist das System aber auch stark an der Küste vertreten und zählt zu den wirklich großen. In Lübeck wird seit 6 Jahren mit Deskline gearbeitet. Das sei das erste System, das richtig gut funktioniere, heißt es von Seiten der Technik beim Lübecker Tourist-Marketing (LTM). Vermieter können ihre Daten per Internet pflegen oder auch Internet-Unabhängig über einen Telefonzugang durchgeben. Deskline wird unter anderem noch von der Stadt Ratzeburg und dem Land Baden-Württemberg eingesetzt.
Bleibt die Frage, was mit touristisch weniger geprägten Gemeinden ist, für die sich ein eigenes Online-Buchungssystem nicht lohnt. Da bietet sich ein Anschluss an Nachbargemeinden an. »Wir haben das schon mal angesprochen«, sagt Ratekaus Bürgermeister Peter Brückel. Die aktuellen Entwicklungen seien »jetzt vielleicht ein Anlass, die Gespräche noch einmal aufzugreifen«. Heike Lemke vom Scharbeutzer Online-Marketing will eine Kooperation mit Randgemeinden in Zukunft nicht ausschließen. Timmendorfs Tourismusdirektor Christian Jaletzke ist ebenfalls zu Gesprächen bereit. Eine Ausweitung des Systems würde ja auch Einnahmen für die Tourismus GmbH bedeuten, woran man ja auch denken müsse.
Von den TASH-Träumen einer einheitlichen Buchungsplattform für Schleswig-Holstein ist man damit noch ein ganzes Stück entfernt, es scheint aber ein Konzentrationsprozess eingesetzt zu haben. Am Ende wird es nur einen geben… HN