Travemünde 27.10.2007
»Das ist ja völliger Wahnsinn«
TA-Interview Fischermeister Harry Lüdtke zum Thema Fangquoten und Fischerei
TA: Wie ist das bei den Fischern, gibt’s da eine Saison wie bei den Strandkorbvermietern?
Harry: Wenn der Dorsch wieder flach kommt, auf die flachen Wassertiefen, um sich wieder vollzufressen mit Krebsen und Würmern und alles. Dann fängt für uns die Hauptsaison an von September und geht bis ins nächste Jahr rein bis Ende April. Dann kommen nachher wieder schlechtere Zeiten, wenn es nachher wieder warm wird, dann kommt der Schlamm im Wasser und dann haben wir längere Schonzeiten wieder. Obwohl wir jetzt die Schonzeiten sowieso haben jeden Monat, sechs Tage im Moment. Die Fangquote ist zwar nicht vollgefischt, die wir haben, aber unsere sechs Tage Schonzeit haben wir trotzdem, was wir alle nicht verstehen können. Da ist schwierig mit umzugehen.

TA: Stimmt das denn, dass zuwenig Dorsch in der Ostsee ist. Neulich hat ein Fischer gesagt, es ist genug Dorsch da.
Harry: Also das stellen wir auch immer wieder fest. Dass gewisse Jahrgänge genügend da sind und dass auch Dorsch reichlich da ist. Wir könnten viel mehr fangen als wie wir dürfen. Also Nachwuchs ist schon da. Wir haben sehr viel Jungdorsch in den Netzen, den wir natürlich auch wieder reinschmeißen. Nachwuchs ist genügend da für die wenigen Fischer, die noch jetzt existieren.
TA: Früher gab es mehr Fischer?
Harry: Früher waren hier 40, 50 Kutter im Hafen. Heute sind wir noch sechs Berufsfischer. Also für uns wenigen Fischer ist noch genug Dorsch da. Das Überfischen, das fängt wohl an mit den Großbetrieben, mit Hecktrawlern.
TA: Wird da kein Unterschied gemacht zwischen einem Kleinbetrieb und einer »schwimmenden Fischfabrik«?
Harry: Eigentlich nicht, denn die großen werden ja nicht gestoppt in dem Sinne. Aber wir kleinen, wir werden immer mehr gestoppt und kriegen immer mehr Auflagen. Wir müssen ja schon bald Buchführung haben, was wir überhaupt jetzt dürfen: Wann wir fahren dürfen, welche Sorte wir nicht dürfen, und und und. Dann müssen wir die Fische, wenn wir reinkommen, genau gewogen haben. Wir dürfen uns nicht um fünf, sechs Kilo verschätzt haben, denn hagelt das schon Strafen. Es ist ganz schwierig geworden.
TA: Wenn weniger gefangen werden darf, kann man den Dorsch nicht einfach teurer machen?
Harry: Also das macht der Kunde ja schon nicht mit, würde ich mal sagen. Und den Dorsch teurer machen oder Fisch, man kann nicht immer alles teurer, teurer machen. Wir sind ja jetzt schon am Limit angelangt und irgendwo sind ja auch Grenzen. Und wie gesagt, mit dieser Überfischung, das liegt ja 20 Jahre zurück oder 25 Jahre. Vielleicht, wenn man da mit den Preisen anders umgegangen wäre und hätte den Fischern nicht immer nur Mindestpreise gegeben, dadurch kam ja auch diese Überfischung zustande. Ich selber habe ja auch sehr lange in der Nordsee gefahren und wir haben schlechte Preise mit den Massenfängen ausgeglichen. Aber das wird ja von der Politik bestimmt und nicht von uns Fischern selber.

TA: Was müsste jetzt gemacht werden?
Harry: Man müsste jetzt uns kleineren mehr genehmigen, damit wir nicht in so ne Engpässe reinmarschieren. Dieses Jahr zum Beispiel haben wir eine Fanquote, die wir dieses Jahr wohl gar nicht ausgefangen bekommen. Und die läuft dann ende des Jahres ab. Ein großer Fehler ist auch, wenn ich jetzt eine Fangquote habe, ich lebe ja von der Natur, von den Windstärken und wann ich fischen darf und wann nicht und ich kann nicht genau bis zum 1. Januar meine Fanquote weggefischt haben. Man müsste eine Spanne haben von weiteren zwei Monaten: Wenn ich jetzt meine Fangquote nicht bis zum 1. Januar ausgefischt hab, dann müsste ich noch ne Chance haben, um einen weiteren Monat das noch machen zu dürfen. Damit dann nicht die Fanquote für nächstes Jahr gleich wieder runtergeschraubt wird. Ich kann ja nicht nach der Uhrzeit Fisch fangen, ich kann ja nicht sagen, bis dann und dann muss ich soundsoviel Quote genau gefischt haben, das ist ja völliger Wahnsinn. Das ist ja schon wie so ein sechser im Lotto, wenn ich jetzt sage, ich muss jetzt bis zum 15. Dezember die und die Menge weggefischt haben. Wir sind ja immerhin von der Natur abhängig und der Fisch, der hat Kopp und Schwanz und der ist da und da.
TA: Jetzt im November, gibt’s da einen besonderen Fisch?
Harry: Jetzt im November wird der Dorsch wieder ordentlich fett, hat sich vollgefressen, und das ist immer ein sehr guter Monat für uns. Einer der besten Monate, wenn das Wetter mitspielt.
TA: Also fetter Dorsch schmeckt besser?
Harry: Naja, denn hat er wieder ordentlich wat aufe Rippen. Im Sommer hat der Dorsch sich viel auf den Steinfeldern ausgeruht, sich abgelaicht, und er fängt jetzt wieder an zu fressen. Wenn jetzt wieder mehr Sauerstoff im Wasser ist gegenüber dem Sommer, dann kann der Fisch sich wieder besser überall hinbewegen. Auf seiner Nahrungssuche. Was er im Sommer nicht kann.
TA: Was kostet denn Dorsch im Moment?
Harry: Im Moment kostet das Kilo Dorsch vier Euro. Für das Filet nehmen wir hier neun Euro. In Travemünde.
TA: Im November kommen die Schleppnetze, warum eigentlich?
Harry: Im November fängt das mit den Schleppnetzen jetzt wieder an. Die größeren Kutter, die nur Schleppnetze fischen, die fangen meist Ende Oktober wieder an mit den Schleppnetzen, da sind die Fänge immer erst noch gering, aber das wird im Laufe des November nachher wieder stärker.
TA: Ach, jetzt kommen die Schleppnetze?
Harry: Jetzt kommen die Schleppnetze ran. Wir kleineren fischen ja das ganze Jahr mit den Stellnetzen.
TA: Wo ist der Unterschied?
Harry: Der Unterschied ist, dass die kleinen Schiffe nicht genügend Kraft haben, um die großen Schleppnetze zu ziehen. Und dass wir bessere Fänge machen mit den Stellnetzen.
TA: Was würden Sie als Fischer sich jetzt in die Pfanne hauen?
Harry: Jetzt sind die Flundern noch sehr gut im Fleisch und Dorsch natürlich auch. Flunder, Dorsch, und Hering kommt jetzt auch im November. Der Hering der jetzt draußen gefangen wird im November ist ja auch der beste Hering mit, der am geschmackvollsten ist.
TA: Viele wollen ja immer den Hering, wenn er in die Flüsse kommt.
Harry: Ja, im Frühjahr, dann geht natürlich die Haupt-Heringszeit los. Aber jetzt im November und im Dezember ist der Hering von draußen auch sehr gut. Auf jeden Fall nicht schlechter als wie im Frühjahr. Eher noch besser.
TA: Also als Geheimtipp vom Fischer, Hering lieber im Herbst?
Harry: Ja, kann man sagen.