Travemünde 03.02.2007
Poller-Party
Altstadt-Bewohner kämpften 14 Jahre lang für eine Straßensperre
Das Schreiben ist schon etwas vergilbt, es wurde am 29. März 1993 abgeschickt, und seitdem ringen die Anwohner der Travemünder Jahrmarktstraße mit der Stadt um einen Poller.

Die Stadt argumentiert seitdem, die Beschilderung als Fußgängerzone sei ausreichend. Die Bürger halten dagegen, dass sich an die Schilder leider niemand hält. Touristen durchfahren auf Sightseeing-Tour durch die Altstadt die Straße, bei Autofahrern ist die Jahrmarktstraße als Abkürzung zur Priwall-Fähre beliebt oder als zentraler Parkplatz.
»Mein Vater ist immer gegen eine Wand gerannt«, sagt Friederike Klaßen. »Das Haus sackt immer mehr ab, die Autos donnern hier durch«, sagt sie. Anwohner machen die Erschütterungen durch den Straßenverkehr, der eigentlich gar nicht sein dürfte, für die Schäden verantwortlich. Leitungen in dem auf weichem Grund gebauten Haus der Klaßens gingen kaputt, das alte Fachwerk bröckelt, Türen und Fenster klemmen. Davon waren alle Anlieger betroffen. Aus der Jahrmarktstraße wurde über die Jahre eine eingeschworene Gemeinschaft.

Viele haben Ordner mit Schriftwechsel in Sachen Poller Zuhause stehen. 14 Jahre sind belegt, gut möglich, dass schon seit 30 Jahren über einen Poller diskutiert wird.
Jedenfalls sollte es eine ganze Generation dauern, bis der Poller endlich kam. Dieter Klaßen ist inzwischen 76 Jahre alt und lebt in Henstedt-Ulzburg. Friederike Klaßen ist 38, wohnt weiter in dem Haus und hat wieder eine Tochter, Emily, 4 Jahre, die zum Spielen vor die Tür will.
Vor zwei Jahren schaltete sich noch der Altstadtverein ein. »Ich habe mich bei allen unbequem gemacht, Innensenator, Bausenator, Polizei«, sagt der Vorsitzende Christian Mattner. Der Verein bot sogar an »den Hut rumgehen zu lassen« und der Stadt das Geld für einen Poller (Geschätzt 300-400 Euro Kosten) zu erstatten.

Die Anwohner machten derweil Fotos von durchfahrenden und falsch parkenden Autos, führten selbst Verkehrszählungen durch. Und Einzelhändler Michael Böttger wandte sich sogar an den Petitionsausschuss in Kiel. Der folgte noch am 5. Dezember 2006 der Argumentation der Hansestadt, die Straße müsse für Lieferverkehr und Einsatzfahrzeuge zu bestimmten Zeiten frei sein: »Diese Auffassung ist für den Petitionsausschuss überzeugend«, lautete das vernichtende Urteil. Da schien alle Hoffnung dahin. Bis letzte Woche, da wurden plötzlich gleich zwei Poller aufgestellt, an beiden Enden der Straße.

Die Anwohner sind verblüfft, erfreut, und jetzt wird der Poller gefeiert: Nächsten Mittwoch wollen sich alle treffen, der Sekt ist schon kalt gestellt. Mancher wird da etwas wackelig nach Hause wanken. Aber man ist ja sicher in der Fußgängerzone – endlich – nach 14 Jahren. HN