Landesunterkunft am Volksfestplatz hat einen guten Ruf
Einer der ersten Anwohner am Volksfestplatz, der sich kümmerte, war ein achtjähriger Junge: Durch den Zaun hindurch spielte er mit einem gleichaltrigen Flüchtling Tic Tac Toe. Er dachte, der Junge sei eingesperrt und wollte ihm die Zeit vertreiben. Eine Stunde nachdem der Irrtum aufgeklärt war, sah man die beiden auf einem Fahrrad herumkurven. Die kleine Geschichte erzählte Stefan Krause, Geschäftsführer der Landesunterkunft in Lübeck, am Samstag dem Travemünder CDU-Politiker Thomas Thalau, der sich vor Ort ein Bild machen wollte.
Thomas Thalau (CDU, rechts) aus Travemünde informierte sich am Samstag bei Geschäftsführer Stefan Krause (links) über die Landesunterkunft auf dem Volksfestplatz. Foto: TA
Der Volksfestplatz an der Travemünder Allee ist ein Veranstaltungsgelände mit langer Tradition. Seit September bietet das Gelände nun Flüchtlingen eine Unterkunft in Wohncontainern. Zurzeit reicht die Kapazität für bis zu 1.500 Menschen. Es könnte auf bis zu 2.000 aufgestockt werden. Im Augenblick reichen die Kapazitäten also. Am Samstag waren 965 Personen auf dem Gelände, davon etwa 210 Kinder. Soweit die Zahlen. Wer eine Besuchserlaubnis bekommt, meldet sich zunächst beim privaten Sicherheitsdienst am Einlass. Der Ausweis wird kontrolliert, man trägt sich mit Ankunftszeit ein und mit Abkunftszeit später wieder aus. Auf dem Gelände stehen in Reihen die Wohncontainer. Fahrräder lehnen daran und es ist auch mal eine Wäscheleine gespannt. Im Innern ist für kaum mehr als die Betten Platz. Menschen die direkt aus dem Krieg kommen sind glücklich damit. Elektro-Radiatoren sorgen auch zur kalten Jahreszeit für Wärme. Dass zum Teil auch Kinder noch in Badelatschen herumlaufen liegt nicht an der Versorgung, sondern weil sie festes Schuhwerk aus ihrer alten Heimat nicht gewohnt sind und als unbequem empfinden.
In den Wohncontainern auf dem Volksfestplatz leben derzeit fast tausend Menschen aus vielen Ländern, darunter mehr als zweihundert Kinder. Foto: TA
Ganz wichtig in so einer Einrichtung ist auch W-Lan, was mit als erstes geschaltet wurde: Über ihre Smartphones können die Flüchtlinge Kontakt mit ihren Familienangehörigen halten. Auch das funktioniert gut. Aber es gibt andere Sorgen: Die Faltcontainer sind eigentlich für mobile Ferienanlagen gedacht. Nach sechs Wochen im Betrieb erweisen sie sich von oben als undicht und von unten als zugig. Dafür funktioniert die Abwasserentsorgung, anders als ursprünglich von der Verwaltung kommuniziert, einwandfrei. Ein bisschen Baustelle ist eben immer auf dem Volksfestplatz, ob nun gerade eine Schule gebaut werden soll oder ein Bolzplatz. Letzteren richten gerade die zwanzig Soldaten her, die für die Einrichtung abgestellt wurden. Anfangs hatten die Kinder noch Respekt vor den Uniformen, doch die Scheu verflog schnell. Auf dem Gelände kann man Kinder und junge Männer mit Soldaten und Sicherheitskräften Fußball spielen sehen. Flüchtlinge haben Geschäftsführer Stefan Krause erzählt sie hätten im Internet gelesen, Lübeck hätte als »Familienfreundlichstes Camp Europas« eine Auszeichnung bekommen. Deswegen seien sie hierhergekommen. Die Seite hat er noch nicht gefunden, aber der Einrichtung tut es sicher gut. Eltern mit Kindern sind besonders konfliktscheu. Der Volksfestplatz gilt als sehr ruhige Einrichtung. Die Flüchtlinge in Lübeck, Stefan Krause spricht meist von Gästen, kommen aus der Ober- und Mittelschicht ihrer Länder, hauptsächlich sind es Syrer. Die Menschen werden über das Land verteilt, knapp sieben Prozent werden wohl in Lübeck bleiben. Was auch eine Chance für die Stadt ist. Besonders die Vereine haben das schnell begriffen: Ein Fußballverein hat bereits einen Talentscout verbeigeschickt. Ein Handballer, der in seiner Heimat in der ersten Liga gespielt hat, wird schon dreimal die Woche abgeholt. Vom Zahnarzt über den Musiker bis zur ungelernten Kraft sind die Neuankömmlinge unserer Gesellschaft weit weniger fremd als man anfangs glauben mag, besonders die Syrer und Irakis. Wenn die Gesetzeslage es zuließe, könnten viele nach wenigen Monaten Sprach- und Integrationsunterricht schon eine Arbeit finden und würden keine Unterstützung mehr benötigen.Auf dem Volksfestplatz wird den Flüchtlingen auch immer gleich von der Lübecker Uni erzählt. Ein Student der englischen Literatur aus Damaskus besucht bereits Vorlesungen an der Lübecker Uni. Mit der schnellen Integration lässt sich auch ein bisschen beeinflussen dass die Menschen in Lübeck bleiben, die zur Stadt passen. Die Anwohner sollen bald einmal zum Kaffee eingeladen werden, damit sie ihre neuen Nachbarn besser kennen lernen können.
Auch für Kinder von Flüchtlingen gilt in Deutschland die Schulpflicht. Foto: TA
Wenn er gefragt würde, ob er in seinem Stadtteil so eine Einrichtung haben möchte, würde er mit ja antworten, erzählt Stefan Krause. Das kann gut passieren, denn man sollte sich nichts vormachen: Aller Wahrscheinlichkeit nach kommt die große Flüchtlingswelle erst noch. Wobei weniger die Zahl der Menschen als die Geschwindigkeit mit der sie hier eintreffen die Herausforderung ist. Die Stadt hat bereits ein Gebäude ausgeguckt, das als Notunterkunft für ein paar Nächste rund 1.000 Plätze und zur Not auch mehr bieten könnte. So viele Menschen könnten leicht innerhalb von 24 Stunden in Lübeck stranden, dazu reicht es schon wenn Schweden die Grenzen dichtmacht. Lübeck hat bisher noch Glück, weil viele in Süddeutschland bleiben oder mit Hilfe der Walli weiter nach Skandinavien reisen. Da schrumpfen auch die Dimensionen der geplanten Travemünder Unterkunft in der Ostseestraße mit knapp 400 Menschen, die nicht einmal eine Erstaufnahme ist, sondern Menschen längerfristig ein Zuhause bieten soll. TA
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Kommentar von David Kidon am 01.11.2015[0,0/0]
Leider ist gerade an diesem Wochenende deutschlandweit verstreut eine zunehmende, tätliche Agressivität gegen Flüchtlinge berichtet worden.Es wird vorgetragen, dass dem Ruf nach frühzeitiger Information über lokale Maßnahmen nicht ausreichend Gehör geschenkt würde. Die Politik und die Verwaltungen müßten die Bürger mehr einbeziehen und »mitnehmen«! Es herrscht aber rundum mehr Überfluß als Mangel an Information – leider auch an Desinformation.Bezüglich der gewalttätigen Ausschreitungen stellt sich auch die Frage, ob manche Taten nicht präventiv verübt wurden?Wieviel »Mitnahme« also braucht der Bürger?Wenn die »Mitnahmedikussion« nur zum Ziel haben soll eine Maßnahme kompromisslos zu boykottieren (s.Bornkamp), kann keine Informationsveranstaltung zu einem tragfähigen Konsens führen.Wie auch immer die Veranstaltung am 5.11. im Pommernzentrum verlaufen wird: die äußerst kritische Lage zwingt zum handeln! Und die »Wasch mich, aber mach mich nicht nass!«-Taktik ist naiv und obsolet!