WIRTSCHAFT
Travemünde 27.05.2010
Der gewollte Leerstand
Mieterin im Aqua-Top klagt an: »Jeden Monat schmeißen die 20.000 Euro zum Fenster raus!«
»Wir müssen im Juni schließen« hat Elisabeth Böhlke auf ein rotes Transparent drucken lassen das auf ihrem Schaufenster im Aqua-Top klebt. Fast 40 Jahre gab es das Mode-Fachgeschäft in Travemünde, Ende Juni ist Schluss. Drei Mitarbeiterinnen verlieren ihre Arbeitsplätze. Neue, vor allem ganzjährige Jobs in der Branche zu finden ist nicht so leicht. Auch Travemünde nimmt Schaden, denn nicht nur Touristen verstehen nicht, was hier passiert: Täglich fragen Kunden, warum die Läden leer stehen. »Für die Gäste ist das Ganze ja kein schöner Anblick, das ist ja jetzt eine tote Ecke«, fasst eine Verkäuferin zur Situation am Aqua-Top zusammen.

Viele andere Mieter sind schon seit Monaten fort, der Strandbasar mit Zeitungen und Tabakwaren, das Lebensmittelgeschäft, Gastronomiebetriebe und Lagerräume wurden von der Stadt gekündigt, teilweise sogar Abfindungen gezahlt, damit die Mieter gehen. Viele wären zumindest die Saison über gern noch geblieben, was ja auch optisch besser ausgesehen hätte als leere Schaufenster-Höhlen. Erste Folgen des gewollten Leerstandes zeichnen sich ab: Ins Obergeschoss sind bereits Jugendliche in die Räume eines Disco-Veranstalters eingestiegen, um Pfandflaschen zu klauen.

Als schlechtes Geschäft für die Stadt sieht die Entmietung auch der Travemünder CDU-Ortsverbandsvorsitzende Klaus Petersen: »Die Kosten bleiben ja und die Einnahmen der Mieter entfallen.« Die Entmietung sei aber ein Senatsbeschluss gewesen.
Auch Travemündes Kaufleute haben kein Verständnis für den gewollten Leerstand: »Das ist wirtschaftlicher Unsinn, was da gemacht wird«, sagt Jochum Aichholzer, Vorsitzender der Travemünder Wirtschaftsgemeinschaft (TWG). »Insbesondere im Hinblick auf die wirtschaftliche Situation der Hansestadt Lübeck«. Noch höher sei der Schaden, der für die Tourismuswirtschaft entstehe: Das stillgelegte Schwimmbad hätten die Urlauber gerade noch so hingenommen, die leeren Schaufenster-Höhlen nicht. Täglich höre er am Strand von Gästen: »Travemünde sieht uns nicht wieder.« Bretter vor den Schaufenstern seien da keine Lösung.
Geblieben sind das im Aqua-Top-Komplex das Restaurant Büchtmanns, wo man wie früher die Gäste auf den Außenplätzen die Aussicht aufs Meer genießen sieht. Und der Ostsee-Shop, der die Halle mit Sitzgelegenheiten und die WC-Anlage praktisch gegen den Willen der Stadt für Sommergäste geöffnet hält.
Die Stadt verhandelt wegen Abrisses noch, unter anderem müssen die Wohnungseigentümer im Maritim wegen baulicher Fragen zustimmen, und die versammeln sich erst im Juli. Als möglicher Abrisstermin für die Schwimmbad-Ruine wird zur Zeit der Januar gehandelt. Aber der Termin wurde schon oft verschoben, genauso gut kann das Gebäude mit leerer Schaufensterfront auch noch die Sommersaison 2011 erleben. »Das was ich hier erlebt habe, das hab ich noch nie erlebt in meinem Leben«, sagt Unternehmerin Elisabeth Böhlke. »Jeden Monat schmeißen die 20.000 Euro zum Fenster raus. Es ist ohne Worte, was da abgeht«, meint die Hamburger Geschäftsfrau: »Wenn ich in Schleswig-Holstein wohnen würde, ich würde platzen!« TA