ORTSGESCHEHEN 9 251
Travemünde 12.11.2017
Spiegelzelt auf den Skaterplatz?
Kulturbühne schlägt Gelände auf dem Leuchtenfeld als Standort vor
»Das Ende der Kultur« hat Kulturbühnen-Chef Wolfgang Hovestädt kürzlich eine Email überschrieben. Was man als künstlerische Übertreibung sehen kann. Sicher ist aber, dass der Travemünder Veranstaltungskalender ab Januar ein ganzes Stück kürzer wird, und das im kulturellen Bereich. Lübecks Theater-Macher wirbt jetzt noch einmal um eine Fläche für sein Spiegelzelt.
»Wir schlagen vor, den seit Jahren hinteren, ungenutzten Teil des Parkplatzes Leuchtenfeld, der mal als Skaterplatz genutzt wurde, dafür zur Verfügung zu stellen. Dies zum Wohle von Besuchern, zum Nutzen der Bewohner und zum Ansehen des Seebades«, heißt es in einer Email von Wolfgang Hovestädt.
Im Hafenbahnhof fällt am 17. Dezember der letzte Vorhang, die neuen Eigentümer hatten der Kulturbühne gekündigt. Eine Einigung über eine Verlängerung des Mietvertrages kam nicht zustande.
Zur letzten Vorstellung hat der Kulturbühnenchef Vertreter aus Politik und Verwaltung eingeladen. Sicher ist, dass einige von ihnen auf der Bühne Erwähnung finden werden. Wenn sie denn auch vielleicht nicht im Publikum zu sehen sein werden, so sind sie dann doch wenigstens Teil des Programms. TA
Email »Das Ende der Kultur« vom 12.11.2017 im Wortlaut:
Liebe Verantwortliche in der Hansestadt und andere, die sich verantwortlich fühlen,
vor mehr als sechs Jahren entstand die »Kulturbühne Travemünde«. Von Anfang an hatte sie den Anspruch, den Besuchern Besonderes zu bieten. Das, so zeigen die Besucherzahlen, scheint mehr als gelungen zu sein.
Vor mehr als drei Jahren fand diese nennenswert kulturelle Einrichtung ein neues Zuhause im ehemaligen Hafenbahnhof. Die Macher der Kulturbühne haben mit viel finanziellem und ideellem Aufwand aus diesem schon sehr heruntergekommenen Gebäude eine ansehnliche Spielstätte gemacht. Das ist nun bald Geschichte.
Nicht nur die Künstler bedauern diese Entwicklung sehr. Geht damit doch Kultur im Seebad für Einheimische und Besucher verloren.
Anbei einige Stimmen von betroffenen Künstlern dazu.
Noch könnte es verhindert werden, dass die Kulturbühne in Travemünde Geschichte wird. Sorgen Sie, liebe Politiker und Verantwortliche der Hansestadt, dafür, dass ein Grundstück zur Errichtung einer neuen Spielstätte zur Verfügung gestellt wird (gegen Bezahlung selbstverständlich). Lassen Sie es nicht zu, dass Kultur in Travemünde verloren gehen wird.
Wir schlagen vor, den seit Jahren hinteren, ungenutzten Teil des Parkplatzes Leuchtenfeld, der mal als Skaterplatz genutzt wurde, dafür zur Verfügung zu stellen. Dies zum Wohle von Besuchern, zum Nutzen der Bewohner und zum Ansehen des Seebades.
Bitte, unternehmen Sie etwas. Die Zeit drängt.
Zu einem Gespräch stehen wir Ihnen gern zur Verfügung.
Es grüßt herzlich
Wolfgang Hovestädt
Geschäftsführer Kulturbühne Travemünde gUG (haftungsbeschränkt)
Das Schreiben von Kabarettist Arnulf Rating vom 12.11.2017 im Wortlaut:
An die Kulturverwaltung der Stadt Lübeck
An die Landesregierung Schleswig-Holstein
Travemünde, Sonntag, 12. November 2017
Sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren,
zum dritten Mal war ich mit einem Kabarett-Programm zum Gastspiel in Travemünde. Das erste Mal war die Kulturbühne zu Gast im dortigen Rosenhof. Eine liebevoll gemachte Veranstaltung.
Aber der Ort war nicht sehr geeignet für eine Kabarettaufführung.
Beim zweiten Mal war ich in der Kulturbühne im Kulturbahnhof. Ein ausgezeichneter Raum, sehr gut hergerichtet. Ich dachte: hier ist endlich ein Ort entstanden, in dem für Zuschauer und Künstler alles perfekt gemacht und ein hervorragendes Ambiente für lebendige Kultur geschaffen wurde.
Nun war ich dort wieder und habe von der tragischen Situation gehört, dass der Kulturbühne, die hier für Jahre investiert hat, wegen eines Konkurses und eines Eigentümerwechsels zum 31. 12. 2017 gekündigt wurde. Die Zukunft des Projektes ist damit zerstört.
Schlimm genug, dass die Arbeit und das Investment von Herrn und Frau Hovestädt hier unverdient und unverschuldet umsonst waren. Tragisch und unverständlich, dass es nach derzeitiger Lage der Dinge nicht weitergeht mit diesem Kulturprojekt.
Seit über 40 Jahren bin ich auf allen relevanten und mit Kabarett befassten Bühnen des Landes unterwegs. Ich kann einschätzen, was für ein solches Kulturprojekt wichtig ist: der Enthusiasmus, die Liebe und die Sachkenntnis von Menschen, die dieses Projekt tragen. Wenn das funktioniert, ist es eine kostbare Sache, die in die Region hineinstrahlt und über den Ort hinaus Bedeutung entfaltet. Die Voraussetzungen dafür sind bei der Kulturbühne Travemünde in hervorragender Weise vorhanden. Solche Kleinode des Kulturbetriebs kann man weder kaufen noch am Reißbrett entwerfen, sie sind ein Geschenk für den Standort. Wenn ein solches Projekt wie in Travemünde, dass seine Qualität über Jahre entwickelt und bewiesen hat, auf diese Weise gefährdet ist, ist Initiative gefragt. Denn sonst geht da ein Wert verloren, den man nicht einfach wieder bekommen kann. Ich denke, hier ist die Stadt, hier ist das Land gefordert, den Betreibern aus dieser unverschuldeten Misere herauszuhelfen und den Fortbestand des Kulturprojektes zu sichern. Denn das ist wichtig für die Region. Ein Stammpublikum hat sich hier gebildet, für Touristen ist es eine wesentliche Facette des Angebotes vor Ort.
Wenn man weiß, wie sich etwa auf Sylt das »Meerkabarett« über Jahre zu einem lebendigen und gut frequentierten Kulturort für die Insel entwickelt hat, kann man abschätzen, welches Potenzial die Kulturbühne in Travemünde hat. Ich bitte Sie, hier dringend Initiative zu ergreifen und nach Wegen zu suchen, dieses Kulturprojekt zu retten und der Bühne in Travemünde eine Zukunft zu geben. Von Seiten der Künstler bin ich sicher, dass das Projekt Unterstützung erfährt.
Wenn da Hilfe und Öffentlichkeitsarbeit erforderlich ist, bin ich und sind gewiss viele andere Kollegen bereit, zu helfen. Mit einer gemeinsamen Kraftanstrengung von Stadt und Land kann eine Rettung sicher gelingen! Ich würde mich freuen, von Ihnen in diesem Sinne zu hören.
Schreiben des Magier-Duos »Golden Ace« an die Kulturbühne im Wortlaut
Hallo Herr Hovestädt,
ich melde mich mit traurigen Worten. Wie in Ihrem Video von uns zitiert: Es geht tatsächlich sehr viel verloren. Jetzt wo ich nochmal da war und Ihre liebevolle Betreuung genießen durfte zerbricht es mir das Herz. Ich habe mich bei Ihnen sehr wohl gefühlt und hoffe, dass diese Ungerechtigkeit eine Lösung findet. Ein Wunder, denn das haben Sie sich mehr als verdient. Ich möchte Ihnen nicht wie die Politiker nur mein Bedauern aussprechen. Ich möchte Sie loben. Ich habe bisher in über 100 Theatern unsere Show gespielt. Es gibt wenige Theater welche sehr gut laufen aufgrund von staatlicher Unterstützung: Typische Staatstheater wie das Theater Lübeck zB. – Es gibt wenige kleine Theater, welche um das Überleben kämpfen, nicht unterstützt werden und sehr viel Liebe mit sich bringen. Und es gibt eine viel Zahl von Theatern, welche schlecht bis gar nicht laufen.
Ihr Theater, und Ihr Können hat die Kulturbühne Travemünde zu einem Theater gemacht, welches läuft! Ohne staatliche Unterstützung. Und WARUM? Weil Sie lieben was Sie tun und darum besonders gut darin sind. Ich wünsche Ihnen für die folgende Zeit viel Kraft. Es gibt ein buddhistisches Sprichwort: Es gibt 2 Tage an denen wir nichts verändern können: Der eine ist morgen und der andere ist gestern. Lassen Sie sich nicht die Liebe von dem Gestern zerstören. Ich glaube fest an Sie und das was Sie können.