POLITIK 2 105
Travemünde 16.06.2016
Tourismus, Naturschutz: Und wo bleiben die Priwaller?
Kritische Diskussion bei öffentlicher Fraktionssitzung der Grünen auf der Travemünder Halbinsel
Der erste Teil des Abends verlief anstrengend, aber erwartungsgemäß: Naturschützer Matthias Braun führte durch Buchenwald und Dünenlandschaft auf dem Priwall. Dann ging es zur öffentlichen Fraktionssitzung der Lübecker Grünen in die Naturstation des Landschaftspflegvereins.
Während er Politiker und interessierte Bürger über den Priwall führte, sprach Matthias Braun von der Befürchtung, dass der Druck durch den Tourismus zu groß werden könnte. Zurzeit wird unübersehbar das Großprojekt »Priwall Waterfront« im Passathafen gebaut. Die Feriendörfer nach Skandinavischem Vorbild stehen längst. Jetzt wirbt Braun dafür, die restlichen Landschaftsteile zu schützen. Bevor wieder ein Investor kommt und noch mehr bebauen will.
Zurück in der Naturstation ist die Stimmung eine andere: Zunächst berichten Kurdirektor Uwe Kirchhoff und LTM-Geschäftsführer Christian Lukas, was für den Tourismus alles getan wird vom Baustellenmarketing bis zur Verbesserung des Rundwegs.
Dann spricht Eckhard Erdmann vom Verein der Priwallbewohner: »Wir fühlen uns als Verein aus den Planungen total ausgegrenzt«, sagt er. Er verweist auf ein »Manifest« der Priwall-Vereine, das dem Waterfront-Projekt kritisch gegenübersteht. Auf die über 200 Schwarzkiefern, die einst auf dem Campingplatz »in einer Nacht- und Nebelaktion« gefällt worden seien. »Auf der einen Seite entwickelt sich der Tourismus, auf der anderen leidet die Natur«, sagt Erdmann.
Auch Siegbert Bruders, Vorsitzender der »Bürgerinitiative behutsame Priwall-Entwicklung« (BiP) kritisiert den Umgang mit der Natur. Nicht nur wegen der Schwarzkiefern. Bruders nennt die Häuser 6 sowie 1 bis 3 des Priwall-Krankenhaus-Komplexes, die trotz der Fledermäuse abgerissen worden seien. »Unter der Beaufsichtigung des Naturschutzbeauftragten Herrn Braun«. Den Politikern der GRÜNEN wirft er vor, drei Jahre zu spät zu kommen. Und den Touristikern Kirchhoff und Lukas hält er deren eigenes Gutachten vor, das ausdrücklich keinen Massentourismus für den Priwall empfiehlt. Speziell Lukas, er würde nur auf »Masse, Masse« abzielen.
Lukas weist das zurück, die Medien würden die Übernachtungszahlen hervorheben und anderes weglassen.
Kurdirektor Uwe Kirchhoff verweist darauf, dass es vorher auch schon eine touristische Nutzung geben habe mit den vielen Campingplätzen.
Thorsten Fürter von den Grünen meint, die Grünen in der Bürgerschaft hätten gegen Waterfront gestimmt.
Matthias Braun meint, er sei kein Politiker, er hätte keine Entscheidungen gefällt.
Eckhard Erdmann vom Verein der Priwallbewohner erklärt nochmal, dass man sich ausgegrenzt fühle. Das sei »skandalös«. Als Kurdirektor Uwe Kirchhoff daraufhin fragt, ob er sich an den Ortsrat gewandt habe, spricht Erdmann von einer Ablehnung aus Travemünde. Konkret von einer »Aversion der Travemünder gegenüber den Priwallern.« Das tue er sich nicht an.
Weiter erinnert Erdmann daran, dass sich Priwallbewohner und Camper seit Generationen gekannt hätten. Bei den Urlaubern in den Wochenendhäusern ist das nicht mehr so. »Die soziale Struktur ist völlig zerstört auf dem Priwall.«
Gegen Ende der öffentlichen Diskussionsrunde geht es dann noch um die Frage, ob sich der Naturschutz nicht zu viel ausgebreitet habe auf dem Priwall. Kinder könnten auf einmal nicht mehr dort spielen, wo sie früher gespielt haben. Auf der einen Seite sieht man den Landschaftspflegeverein um Matthias Braun und die Tourismuswirtschaft Hand in Hand, und auf der anderen die Priwallbewohner.
Am Ende verspricht Kurdirektor Uwe Kirchhoff einen Workshop mit den Priwallbewohnern. Dann endet der öffentliche Teil der Sitzung. Beim hinausgehen wundern sich einige Teilnehmer über die Stimmung. Man hatte das anders erwartet. TA