POLITIK
Travemünde 04.02.2016
Russland-Vortrag unter Polizeischutz:
Demo gegen Veranstaltung der AfD in Travemünde
Nicht nur zufällige Beobachter wollen natürlich informiert werden, was da los war in Travemünde. Es handelte sich um eine interne Veranstaltung der Partei »Alternative für Deutschland« (AfD), die in Travemünde einen Saal gemietet hatte.

Die AfD hatte nach Auskunft des Landesvorsitzenden Thomas Thomsen 900 Mitglieder zu der kostenpflichtigen Vortragsveranstaltung geladen. Dass am Ende nur 55 kamen, führte er auf das schlechte Wetter zurück. Und vielleicht auch auf die Demonstranten am Eingang. Die »Antifaschistische Koordination Lübeck« hatte kurz vor der Veranstaltung einen zweiseitigen Brief an das Hotel geschickt und gefordert, die Veranstaltung der AfD abzusagen.

»Wer solchen geistigen Brandstiftern Räume zur Verfügung stellt, bietet ihnen eine gezielte und notwendige Infrastruktur für ihre Hetze und legitimiert zumindest implizit ihre Positionen«. Gleichzeitig wurde eine »antifaschistische Gegenkundgebung in unmittelbarer räumlicher Nähe zum Veranstaltungsort« angedroht. Der Hoteldirektor persönlich stellte sich daraufhin vor die Demonstranten und verwahrte sich gegen die Vorwürfe. Den jungen Leuten wurde jedoch gestattet, auf dem Hotelgrundstück zu bleiben.
Wie Thomas Thomsen den Gästen berichtete, war die AfD selbst aufgrund des Schreibens kurz davor, die Veranstaltung abzusagen. Man hätte dann aber einen Sicherheitsdienst engagiert. Zusätzlich wachte die Polizei am Eingang. Zwischenfälle gab es nicht.
Kurz nach achtzehn Uhr konnte Thomas Thomsen die Gäste begrüßen, die bis aus Dithmarschen angereist waren. Auch einige Travemünder und Lübecker waren darunter. Die AfD soll in Lübeck knapp 80 Mitglieder haben.
Bevor der geladene Referent zum Thema Russland sprechen konnte, ging Thomas Thomsen auf Äußerungen aus der Parteispitze ein, die in den vergangenen Tagen für einen Skandal gesorgt hatten. »Sie warten sicherlich alle mehr oder weniger gespannt auf eine Aussage von mir zum Thema Grenzsicherung, zu dem Interview das Frau Petry gegeben hat«, sagte Thomsen.

Der »Mannheimer Morgen« hatte die AfD-Chefin in einem Interview mit der Aussage zitiert, ein Polizist müsse »den illegalen Grenzübertritt verhindern, notfalls auch von der Schusswaffe Gebrauch machen.« Das Thema werde nun »durch die Medien gejagt ohne Ende«, sagte Thomsen. Die Resonanz sei gewaltig, nicht nur in Medien und Politik, sondern auch bei ihm selbst. »Ich kriege Unmengen vom Mails aus allen Himmelsrichtungen. Die einen sind dafür, die andern sind dagegen«, berichtete er. »Um Himmels willen, ich werde beschimpft, ich werde geschmäht und ich werde auch gelobt. Ich weiß bald nicht mehr: Was gilt jetzt eigentlich?« Die AfD-Chefin, fuhr Thomsen fort. Habe sich »sicherlich in irgendeiner Form vergaloppiert.«
Zudem hätte unglücklicherweise die stellvertretende AfD-Chefin Beatrix von Storch »noch nachgelegt«. Die soll sich im sozialen Netzwerk »Facebook« zum Schießen auf Frauen und Kinder geäußert haben, wollte am Ende aber ausschließlich Frauen gemeint haben.
»Wir können uns mit diesen Aussagen natürlich nicht identifizieren«, stellte Thomsen klar. »Sehen aber auch den Hintergrund, dass das immer mal passieren kann.« Man gebe ja auch selbst Interviews und wisse wie schwierig das sei »wenn man im Eifer des Gefechts in einem Interview in die Enge gedrängt wird.« Man sei ja auch unerfahren und keine Politiker. »Bis vor zweieinhalb Jahren waren wir Privatleute, Mittelstand«.
»Man kann das auch hochkochen, die Presse kocht das natürlich hoch. Sie hat endlich mal wieder ihr Thema. Mal gucken wie lange sie die Sau durchs Dorf treiben wollen«, schloss Thomas Thomsen das Thema ab.
Dann konnte Dr. Thomas Fasbender aus Berlin zum angekündigten Thema »Russland« sprechen. »Ich weiß gar nicht warum die Antifa heute gegen das Thema demonstriert, was sie dagegen haben. Ich würde mir eher wünschen, dass sie hinten auf den hinteren Bänken sitzen und zuhören. Vielleicht ist es auch für die ganz interessant«, sagte er. Fasbender ist nicht Mitglied der AfD. »Alles was sie eben gehört haben, Parteipolitik und so weiter, das stecken Sie bitte in die Schublade« bat er.
Dr. Thomas Fasbender hat 25 Jahre in Moskau gelebt. Die Bezeichnung »Russland-Versteher« hört er aber nicht gern. Das hätte immer »diesen Beigeschmack von Verteidiger«. Er hätte lieber das Wort »Russland-Erklärer«. In seinem gut einstündigen Vortrag wolle er erklären, wo die Spannung im europäisch-russischen Verhältnis« herkomme.
Die Fragen aus dem Publikum drehten sich unter anderem darum, warum Kanzlerin Angela Merkel ihren Kurs zum Präsidenten der Russischen Föderation Wladimir Putin geändert habe. Für ihn persönlich, meinte Fasbender, liege dieser Schwenk darin, dass sie »so wie sie sich in ihrer Vergangenheit von einigen Wettbewerbern befreit hat« nun darauf gesetzt habe dass Putin nicht der Mann sei auf den sie »auch nur einen Teil ihrer politischen Zukunft setzen möchte.«
Die Demonstranten hatten das Ende der Veranstaltung nicht abgewartet und waren nicht mehr zu sehen, als die Gäste das Haus verließen. Die Polizei war noch geblieben.
Möglicherweise werden sich ähnliche Szenen bald in Lübeck wiederholen. Der Landesvorsitzende Thomas Thomsen hatte nach dem Vortrag noch auf die nächste Veranstaltung der AfD verwiesen. Am 18. Februar 2016 werde es in der Gemeinnützigen einen Vortrag zum Verfassungsrecht geben. TA
1 http://www.morgenweb.de/nachrichten/politik/sie-konnen-es-nicht-lassen-1.2620328