KUNST & KULTUR
Travemünde 06.07.2015
Jazz Baltica endet mit Rekordergebnis
Nicht nur an Musikfreunde im Erwachsenenalter denkt der Chef der Jazz Baltica, der Schwede Nils Landgren. Am Sonntagmittag wurde zum Familienkonzert in die große Werfthalle am Niendorfer Hafen eingeladen.
»Für Kinder zwischen zwei und 92« hatte Landgren im Vorwege erklärt. »Michel, Pippi, Karlsson und Co.« lautete die Überschrift. Anlass war ein runder Geburtstag. Vor genau 70 Jahren erschien das erfolgreichste Kinderbuch der Schwedin Astrid Lindgren mit den Geschichten von Pippi Langstrumpf. Ein Welterfolg, der inzwischen in 70 Sprachen übersetzt wurde, kürzlich sogar in China herauskam.
Die Musik zu den Verfilmungen schrieb ein guter Freund der Autorin, und Georg Riedel saß mit auf der Bühne, spielte den Kontrabass, war Teil der Bohuslän Big Band aus Göteborg, die für getragene und schwungvolle Titel zuständig war.
Durch das Programm führte der Chef höchstpersönlich. Für die Kinder ließ Nils Landgren sich erklären, was Dirigent Örjan Fahlström macht oder wie ein Tuba funktioniert, wie die Trompete oder die Posaune gespielt wird. Lieder aus Filmen, aus Fernseh- und Hörspielproduktionen müssen natürlich gesungen werden. Hierfür war die Tochter des Komponisten, Sarah Riedel, mit nach Niendorf gereist. Leider spreche sie kein Deutsch, bekannte die junge Dame, und deshalb bat der Chef die Lieder schwedisch, deutsch oder in jeder anderen Sprache mitzusingen.
Hierzu gab es Textblätter, zweisprachig, aber auf dunkelblauem Papier in der schummerigen Halle nicht leicht zu lesen. Jedenfalls für die Kleinen, und die Großen trauen sich in solcher Situation meistens nicht, lauthals mitzumachen. Bei einigen Liedern aber klappte es doch. Nils Landgren (»Ich heiße Nils oder Herr Nilsson, wie der kleine Affe bei Pippi Langstrumpf«) schaffte es in seiner menschenfreundlichen Art, den Kontakt zum Publikum jeden Alters herzustellen und aufrecht zu erhalten.
Den »magischen Stab« des Dirigenten durfte, zum Beispiel, der kleine Jonas aus dem Publikum ausprobieren. Und siehe da: Es klappte. Wenn der Knirps den Taktstock bewegte, spielten die Musiker dazu.
Gespielt und gesungen wurden nicht nur flotte Schlagermelodien, sondern durchaus auch ruhige Weisen, die von einem gesunkenen Schiff erzählten oder von Mama in ihren lange vergangenen Jugendjahren. Der große Saal war auch dieses Mal bis auf einige Stühle in den letzten Reihen voll besetzt. Hinterher, beim Picknick am Hafenbecken oder bei den gastronomischen Angeboten war die Meinung einhellig: Es hat Spaß gemacht. Inzwischen haben die Verantwortlichen der Jazz Baltcia Bilanz gezogen. Einschließlich der Konzerte am heutigen Sonntagabend sind rund 13.000 Besucher gekommen. Das ist neuer Rekord. In den vergangen Jahren waren es jeweils rund 10.000 Musikbegeisterte.
»Ich bin sehr glücklich und total euphorisch. Alles hat gestimmt: die Musik, das Wetter und vor allem das Publikum. Ganz herzlich möchte ich mich bei der Bürgermeisterin der Gemeinde Timmendorfer Strand, Hatice Kara, bedanken, die sich sehr für uns einsetzt. Mein besonderer Dank gilt auch den Sponsoren, Förderern und dem Land Schleswig-Holstein. Von Herzen ein Dankeschön allen Mitarbeitern, die wesentlich zum Erfolg von Jazz Baltica 2015 beigetragen haben. Wir alle freuen uns jetzt schon auf 2016«, sagte Nils Landgren.
Auch in seinem vierten Jahr als künstlerischer Leiter besinnt sich Landgren auf die ursprüngliche Idee des Festivals: den musikalischen Austausch zwischen Künstlern der Ostseeregion. So richtete der schwedische Posaunist erneut den Blick vor allem auf die baltische Jazzszene.
Peter Kleiß, ehemaliger Jazzredakteur des Saarländischen Rundfunks, sprach auch in diesem Jahr in der »Jazz Corner« mit den Musikern über ihren Werdegang, aktuelle Projekte und ihre ganz persönliche Sicht auf die Welt. Zu Gast waren unter anderem Eva Kruse und Karin Hammar, China Moses, Michael Wollny, Mathias Eick sowie die Pioniere der ersten Stunde Nils Landgren, Rainer Haarmann und Günter Baby Sommer. TD
Fotos Karl Erhard Vögele