POLITIK 5 225
Travemünde 15.04.2021
Grüne begrüßen ÖPNV-Vorschläge, wünschen sich aber eine gerechtere Ausgestaltung
Die Grüne Bürgerschaftsfraktion begrüßt die Vorschläge der Verwaltung zur Verbesserung des Lübecker ÖPNVs. Irritiert zeigt sie sich jedoch darüber, dass diese Vorschläge in wichtigen Punkten im Gegensatz zu den Empfehlungen der hierfür beauftragten Gutachter stehen und beantragt daher Korrekturen für eine sozialere und ausgewogenere Ausgestaltung.
Hierzu erklärt der verkehrspolitische Sprecher der Fraktion Arne-Matz Ramcke: »Seit Jahren fordern wir nicht nur aus ökologischen und sozialen Gründen, längst überfällige Investitionen in günstigere Tarife und in die Beschleunigung von Busstrecken, schnellere Taktungen und eine Ausweitung des Busnetzes vom Stadtverkehr Lübeck. Darum freuen wir uns sehr über die vielen richtigen Vorschläge der Gutachter und der interfraktionellen Arbeitsgruppe, die jetzt vorgelegt wurden. Allerdings halten wir die pauschale Abschaffung der Preisstufe 3, wie von der Verwaltung vorgeschlagen, für falsch. Diese Maßnahme wurde vom Gutachter untersucht und abgelehnt, von der beteiligten interfraktionellen Arbeitsgruppe ebenfalls. Aus Gründen der Gleichbehandlung möchten wir nicht einzelne Stadtteile bevorzugen und folgen hier dem für das Gutachten basierenden Zielsetzungen. Wenn wir pauschale Preissenkungen vornehmen, sollten alle Nutzer:innen des ÖPNVs gleichermaßen profitieren können. Dem ist hier leider nicht so. Würde man dem Vorschlag der Verwaltung folgen, würde eine Fahrt von Travemünde nach Krummesse genauso teuer sein, wie z.B. eine Fahrt von Buntekuh zum Hauptbahnhof.
Die Abschaffung der Preisstufe 3 mit Kosten von ca. 2,4 Mio. € jährlich ist eine sehr teure Maßnahme, die nur sehr einseitig den Bewohner*innen einzelner Stadtteile zugute kommt, während etwa die Menschen aus Buntekuh, St. Lorenz Nord und Süd, St. Gertrud und der Innenstadt nur dann weniger zahlen müssen, wenn sie in die Außenbezirke fahren. Diese Ungleichbehandlung wollen wir mit unserem Vorschlag unterbinden.«
Das Bürgerschaftsmitglied Dr. Axel Flasbarth ergänzt: »Dass einkommensstarke Gegenden wie Travemünde oder der Süden von St. Jürgen in den Genuss der vom Bürgermeister vorgeschlagenen Abschaffung der Preisstufe 3 kommen sollen, aber die Bewohner*innen von Buntekuh, St. Lorenz Süd, St. Lorenz Nord und der Innenstadt bei dieser Preissenkung leer ausgehen, widerspricht unseren Vorstellungen von sozialer Gerechtigkeit. Wir beantragen stattdessen eine Veränderung der Tarifzonen, die den ÖPNV in Lübeck flächendeckend und nicht nur für die Außenbezirke attraktiver macht. Dabei gilt für Fahrten innerhalb der Kernzone 6000 nur noch die Preisstufe 1, während für Außenbezirke wie Moisling und Schlutup in Zukunft die Preisstufe 2 für Fahrten in die Innenstadt zu zahlen ist. Nur für Travemünde gilt hierfür wegen der deutlich größeren Entfernung weiterhin die Preisstufe 3.
Diese Änderung der Tarifzonen ist zwar rund 1,2 Mio. € pro Jahr teurer, aber sorgt für einen deutlich höheren Zuwachs an Fahrgästen für den Stadtverkehr Lübeck. Der damit verbundene zusätzliche Beitrag zu Verkehrswende, Klimaschutz und sozialer Gerechtigkeit sollte es uns wert sein.«
Die Fraktionsvorsitzende Birte Duggen abschließend: »Mit Verwunderung haben wir außerdem festgestellt, dass der Bürgermeister entgegen den Empfehlungen der Gutachter weiterhin eine Vollmitgliedschaft im HVV anstrebt. Wie im Gutachten ausführlich erläutert, würde dies für die große Mehrheit der Busfahrten in Lübeck zu steigenden Preisen führen. Lediglich für Pendler nach Hamburg würden die Schienenverbindungen günstiger. Für Lübeck würde ein solcher Beitritt außerdem jährliche »Marketingkosten« von ca. 1,2 Mio. € pro Jahr an den HVV bedeuten mit zweifelhaftem Gegenwert. Angesichts dieser gravierenden Nachteile fordern wir, sich entsprechend der Gutachterempfehlung zu verhalten und lediglich einen HVV-Beitritt auf der Schiene anzustreben. Und selbst dafür ist angesichts einer nicht absehbaren Zustimmung der Landesregierung lediglich ein opportunistisch-pragmatischer Ansatz ohne großen Ressourcenaufwand in der Verwaltung empfehlenswert.
Die jetzt vorliegenden Vorschläge der Verwaltung stellen den Abschluss einer schmerzhaften, mehrjährigen Untätigkeit bezüglich der Verbesserung von Preisen und Angebot des Stadtverkehrs Lübeck dar. Insbesondere während der letzten fast drei Jahre wurden sämtliche Verbesserungsmöglichkeiten stets mit Verweis auf das erwartete Gutachten vertagt. Dass der Bürgermeister jetzt auf nicht nachvollziehbare Weise in den entscheidenden Punkten das Gegenteil der Gutachter vorschlägt, bedeutet nicht nur einen wenig sinnvollen Umgang mit externem Sachverstand, sondern auch eine ärgerliche Verschwendung wertvoller Zeit.« PM
Quelle: Text: Pressemitteilung GRÜNE Lübeck, Foto: Archiv TA