INTERNET
Travemünde/Lübeck/Ostholstein 22.11.2020
»Wir sind heute in trouble«
Digitale Barrierefreiheit – Automatisierte Untertitel in Online-Videos oft unverständlich
Untertitel in Online-Videos werden von den unterschiedlichsten Nutzergruppen verwendet: Gehörlose sind auf die Textzeilen angewiesen, Pendler aktivieren sie in der Bahn, um andere Reisende nicht zu stören. Und wieder anderen hilft der Text zum Ton beim Lernen einer Fremdsprache. Schwierig, wenn statt eines verständlichen Transkripts nur Kauderwelsch auf dem Bildschirm erscheint. TA hat einmal nachgeschaut und die Video-Produzenten gefragt.
Auf der weltgrößten Videoplattform »Youtube« wird das gesprochene Wort vom Computer in Untertitel umgewandelt. Was dabei herauskommt, schwankt ja nach Aussprache der Protagonisten zwischen halbwegs sinnvoll und völligem Kauderwelsch. Blendet dann ein Zuschauer per Mausklick die Untertitel ein, hilft ihm das nicht weiter. Sofern die Textzeilen nicht mühsam per Hand nachbearbeitet wurden.
»Krone Hotline«? Stadt überarbeitet Ansprache des Bürgermeisters
Ohne Groß- und Kleinschreibung, aber dank deutlicher Aussprache noch recht gut vom Computer ins Schriftliche übertragen, waren zum Testzeitpunkt (12.11.2020) die Videos mit den Ansprachen des Lübecker Bürgermeisters Jan Lindenau zu Covid-19 Pandemie. Allerdings gab es auch dort Fehler, die zeigten, dass die automatische Transkription im schlechtesten Fall nicht nur Kauderwelsch, sondern Missverständliches erzeugen kann: Beim Satz »Fehlinformationen über das, was die Pandemie auslöst« machte die künstliche Intelligenz aus dem Wort »Fehlinformationen« einfach »viele Informationen«. Über die ganze Länge des Videos blieb der Inhalt allerdings verständlich.
Die Lübecker Verwaltung war es allerdings auch, die auf die Nachfrage von TA am schnellsten reagierte: »Wir haben das Video sowie die Untertitel noch einmal überprüft und entsprechend korrigiert!«, bedankte sich Pressesprecherin Nicole Dorel für den Hinweis. Tatsächlich wurde die Ansprache von Bürgermeister Jan Lindenau zur Covid-19-Pandemie in Lübeck (3.970 Aufrufe) auf der Plattform »Youtube« umfassend überarbeitet. Statt einer »krone hotline« empfiehlt der Bürgermeister im Untertitel jetzt korrekt die »Corona Hotline« der Stadt. Und dank Groß- und Kleinschreibung ist der Text leichter lesbar.
Unverständliches Kauderwelsch: OHT schaltet Untertitel ab
Komplett unverständlichen Wortsalat produzierte der Computer in einem Werbe-Video des Ostsee-Holstein Tourismus e.V. (OHT), das ebenfalls auf Youtube läuft. In »Ali zu Gast in der Kajüte in Travemünde« (974 Aufrufe) genießt der Travemünder Ali Alam werbewirksam ein Fischgericht. Aus dem Satz »Wir sind heute in Travemünde bei Kajüte« wird im Untertitel allerdings »Wir sind heute in trouble bei chaotisch«.
Auch hier hat TA bei den Content-Erstellern nachgefragt: »Das ist natürlich überhaupt nicht schön mit diesem Untertitel-Kauderwelsch. Da haben Sie völlig Recht«, bedankt Julia Prange vom PR & Marketing des OHT für den Hinweis. »Wir haben die Untertitel nun vorübergehend überall herausgenommen, damit das Kauderwelsch erstmal nicht mehr online ist, aber natürlich sollen sie in »richtigem« Deutsch wieder eingefügt werden, so dass sie jeder versteht.«
LTM wusste von den Fehlern
Die Lübeck- und Travemünde Marketing GmbH (LTM) hat ebenfalls Videos bei Youtube laufen. In dem Streifen »Danke Lübeck« (15.180 Aufrufe), der vor dem Hintergrund des Shutdowns produziert wurde, wird aus der poetischen Zeile »Dein Trave umschlossenes Herz zum Schlafen verdammt« im Untertitel das vollkommen unverständliche »Ein Trafo entschlossenes Herz zum Schlagen wird«.
Dabei wusste die Lübecker Marketinggesellschaft nach eigner Aussage, dass ihre Videos nicht barrierefrei abrufbar waren: »Der Online-Kollege sagt, das Problem ist bekannt und wir arbeiten daran, aber trotzdem Danke für den Hinweis ...«, sagt Pressesprecherin Dors Annette Schütz auf Nachfrage zu dem Streifen, der bereits im April hochgeladen wurde. Inzwischen wurden auch dort die Untertitel überarbeitet.
So geht Youtube: Bei Daniel Günther waren die Untertitel von Anfang an korrekt.
Vierter Testkandidat war Landesvater Daniel Günther, der zeigt, dass es auch anders geht: Im Youtube-Kanal »Schleswigholstein« entsprach beim Video »Die Lage ist ernst« (369 Aufrufe) von Anfang an das gesprochene Wort den Untertiteln, inklusive Groß- und Kleinschreibung. TA