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Travemünde 28.02.2019
Shanty-Festival geplatzt
Der Kulturbühne ist aufgrund von Pacht-Nachforderungen aus den »Adventswochen« eine erhebliche Rechnung ins Haus geflattert, Geschäftsführer Wolfgang Hovestädt bekommt in Travemünde nur noch unter Auflagen Flächen von der Stadt (Zuerst hatte »Travemünde Aktuell« darüber berichtet). Nun ist das bekannte »Shanty-Festival« geplatzt.
Am Mittwoch hatte Geschäftsführer Wolfgang Hovestädt auf einer Pressekonferenz noch erklärt, das Festival retten zu wollen (TA berichtete). Einen Tag später teilt Hovestädt jetzt mit, er sei zu dem »traurigen Entschluss gekommen, das Shanty-Festival abzusagen«. Grund sind die 12.500 Euro Nachforderungen der Stadt. Das Geld habe er nicht.
Das Shanty-Festival allein schon aufgrund seiner hohen Teilnehmerzahlen durch die vielen Chorsänger und Familie im Ortsbild und auch im Travemünder Einzelhandel spürbar. Wolfgang Hovestädt hatte es in den letzten Jahren quasi im Alleingang organisiert, immerhin die zweitgrößte Veranstaltung im Seebad. TA
Die Pressemitteilung der Kulturbühne im Wortlaut:
»Nach reiflicher Überlegung und Abwägung aller Aspekte, bin ich zu dem traurigen Entschluss gekommen, das Shanty-Festival abzusagen, eigentlich absagen zu müssen. Denn die Fakten zwingen mich dazu. Dies trotz der »Brücke«, die mir angeblich die LTM und der Kurbetrieb Travemünde gebaut haben und über die ich nun gehen müsse. Eine Brücke, die aber keine ist, denn 12.500 € für eine spät eingegangene Rechnung, die auch meiner Meinung nach nicht hätte gestellt werden dürfen, ist keine Brücke. Denn ob auf einmal zu zahlen oder auf Raten – wo ist der Unterschied, wenn die Gesellschaft, sprich die Kulturbühne Travemünde, nicht das Geld dafür hat?Denn nachdem die LTM in gemeinsamer Kooperation mit dem Kurbetrieb Travemünde der Kulturbühne Travemünde gUG die Fläche im Brügmanngarten für das Sommerfest nicht mehr zur Verfügung stellen will und ferner darauf besteht, die nachgereichte Rechnung in Höhe von 12.500 EUR »einzutreiben«, bleibt mir nichts anderes übrig, als für die Gesellschaft, die für Travemünde viel getan hat und für viele Menschen eine besondere Unterhaltung auf hohem Niveau bot, Insolvenz wegen Zahlungunfähigkeit anzumelden.
Mein Mitgefühl gilt vor allem den fünfunddreißig internationalen Chören aus England, Norwegen, Dänemark, Holland, der Schweiz sowie aus der gesamten Bundesrepublik, die auch in diesem Jahr wieder zu uns nach Travemünde kommen wollten und die einiges an Kosten und Aufwand auf sich genommen hätten, um dabei sein zu können. Diese Chöre werden nun auf ihren Kosten sitzen bleiben, denn die Unterkünfte sind gebucht, Busse geordert, Abendessen in Travemünde bzw. Lübeck bestellt und vieles mehr.
Die Kulturbühne als Ausrichter dieses Festivals hatte einen sehr guten Namen, nicht nur in der Szene. Bürgermeister haben ihren Chöre, die zu uns kamen, Gastgeschenke mitgegeben, die sie dem Veranstalter überreichen sollten und das dann auch taten. Wimpel, Trophäen und ähnliches sind darunter. Die Chöre selbst haben sich nach dem Festival beim Veranstalter für das »wunderbare« mit einer super Organisation Fest bedankt.
Amtierende Ministerpräsidenten des Landes Schleswig-Holstein haben das Festival jeweils eröffnet, waren dabei, als die Kulturbühne mehr als 2.300 Sänger und Sängerinnen zusammenbrachte, um sie als den größten Shantychor der Welt auftreten zu lassen.
Nicht unerwähnt bleiben soll der wirtschaftliche Aspekt, der nun für Travemünde und auch für Lübeck verloren gehen wird, denn die Chöre und ihre Begleitung, aber auch die vielen tausend Besucher habe eine Menge Geld in Travemünde gelassen (Übernachtung, Verpflegung, Shoppen, Kaffee trinken, Eis essen, Museen besuchen, Schiffsfahrten auf der Trave buchen usw. usw.).
Die ersten Chöre haben sich auch schon bei mir gemeldet, um ihren Unmut über die Absage kundzutun – Unmut aber nicht gegenüber dem Veranstalter, der Kulturbühne, sondern gegenüber der Stadt, die so ein »wunderbares« Fest einfach kaputt gehen läßt.
So schreibt zum Beispiel ein holländischer Chor: »Wolfgang, Moet ik uit jou mail begrijpen dat het hele festival niet doorgaat! Ik ben diep teleurgesteld. Gisteren hadden we ledenvergadering en iedereen was zeer enthousiast. hoop nog even van u te horen. vriendelijke groeten, Joke – Namens de Piipegaeltsje Sjongers« (Übersetzung: Muss ich aus Ihrer Mail verstehen, dass das ganze Festival nicht stattfinden wird! Ich bin zutiefst enttäuscht. Gestern hatten wir ein Meeting und alle waren sehr begeistert.)
Nun geht eine Ära zu Ende. Schade. Denn eine Sonnenbrille, weit in die hohe Stirn geschoben, ersetzt noch keine Qualifikation, ein forsches Auftreten übrigens auch nicht, selbst dann nicht, wenn es mit einem steten Lächeln auf den Lippen dargeboten wird.«
Wolfgang Hovestädt
Geschäftsführer Kulturbühne Travemünde gUG
»Sehr geehrte Herren,
gestatten Sie mir ein letztes und offenes Wort zu Ihrer gemeinsam getragenen Kündigung der Flächen im Brügmanngarten für das Sommerfest vier Monate vor Beginn dieses Festivals und der damit von mir auszulösenden Absage des Shanty-Festivals wegen drohender Zahlungsunfähigkeit.
Sie fordern, dass ich für das Shanty-Festival einen professionellen Veranstalter ins Boot hole, damit der als alleiniger Organisator das Fest stemmt und für Sie beide als Ansprechpartner zur Verfügung steht. Nun, ein professioneller Veranstalter ist ja wohl mehr als jemand, der den Schaustellern einen Platz auf dem Festivalgelände zuweist. Er müsste sich im Vorfeld um beteiligungswillige Shantychöre kümmern, diese ansprechen, ihnen klarmachen, dass sie nur zu »Gottes Lohn« auf der Bühne stehen werden, aber dafür ihre Kosten, die mit der Teilnahme am Festival verbunden sind, selbst zu tragen haben, was da sind: Übernachtung, Verpflegung usw. usw.
Damit die Chöre sich dann auch dem Publikum präsentieren können, müssen fünf (!) Bühnen mit entsprechenden Technikern bereitstehen. Nicht zu vergessen, der vorher ausgearbeitete »Stundenplan«, aus dem hervorgeht, wann welcher Chor auf welcher Bühne stehen und singen kann. Und um die Chöre an und auf den Bühnen zu betreuen, habe ich entsprechend wortgewandte Moderatoren engagiert – übrigens: auch die »arbeiten« kostenlos.
Doch bevor der »Betrieb« auf den Bühnen starten kann, musst das Festival eröffnet werden. Das erfolgt mit musikalischer Unterstützung des Lübecker Shantychores Möwenschiet von Bord der Kraweel »Lisa von Lübeck«, die in den vergangenen sechs Jahren jeweils an der »Überseebrücke 1« vor Anker lag. Als »gebührende« Kulisse für diese Eröffnung waren entsprechende Ehrengäste geladen, die auch gerne kamen, um nicht zu sagen, dass sie sich gern in der Öffentlichkeit präsentierten. Die Eröffnungsrede übernahm von den sechs Festivals die stattgefunden haben, zwei die amtierenden Ministerpräsidenten des Landes Schleswig-Holstein, drei weitere wurden von einem Staatssekretär, der extra vom Ministerpräsidenten »abgeordnet« war, abgehalten. Einmal kam der ehemalige Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein, Peter Harry Carstensen. Aber jeweils dabei war der Bürgermeister der Hansestadt Lübeck, fünf Mal der ehemalige, Bernd Saxe, und einmal (im letzten Jahr) der jetzige, Jan Lindenau.
Dann sind die entsprechenden Vorkehrungen zum reibungslosen Ablauf eines derartig großen Festes zu treffen. Dazu gehört auch die Aufstellung eines Verkehrsleitsystems, damit die ankommenden Busse (in der Vergangenheit waren das pro Tag etwa 50!) den Weg zu den für sie reservierten Parkplatz finden. Dort muss unterschieden werden, gehört der Bus zu einem eingeladenen Shantychor (dann bekommt er einen Platz auf der extra dafür reservierten Parkfläche) oder ist es ein Besucherbus. Die Busse der eingeladenen Shantychöre sind mit entsprechenden Hinweisschildern, die im Vorfeld an die teilnehmenden Chöre verschickt wurden, ausgestattet. Die Polizei lobte dann auch dieses Konzept, das Staus in Travemünde verhinderte.
Die ankommenden Shantychöre werden im Infozelt, das von morgens bis abends mit ehrenamtlich tätigem Personal ausgestattet ist, freundlich empfangen und eingewiesen. Dieser Service wird von den Chören mit sehr viel Dankbarkeit – oft verbunden mit einem Lob – bedacht.
Beim letztjährigen Weltrekord, an dem mehr als 2.300 Sängerinnen und Sänger beteiligt waren, habe ich eine beachtenswerte Organisation auf die Beine gestellt, damit dieses Ereignis auch problemlos und störungsfrei über die Fläche gehen konnte. Wegen möglicher Unfälle waren zwei (!) Sanitätswagen mit jeweils voller Besatzung im Einsatz. Außerdem war, wegen der Hitze, die im letzten Sommer herrschte, ein Getränkewagen auf dem Gelände postiert, der regen Zulauf registrieren konnte.
Bei der Durchführung des Einlasses und des Erfassens der teilnehmender Besucher haben mich die Mitglieder des Lübecker Shantychores Möwenschiet unterstützt. Auch diese Aufgabe müsste natürlich ein professioneller Veranstalter übernehmen und wahrscheinlich ganz anders organisieren. Allerdings fällt ja in diesem Jahr Entsprechendes nicht mehr an. Und nachdem dann der Weltrekord durchgeführt und durch eine entsprechend autorisierte Stelle anerkannt wurde, musste dafür gesorgt werden, dass dieser Erfolg auch gebührend in die Öffentlichkeit getragen wird. Auch dafür zeichnete ich verantwortlich. Die anerkennenden Worte für den Weltrekord formulierten: Der amtierende Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein, Daniel Günther, der ehemalige Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein, Björn Engholm, und der derzeitige Bürgermeister der Hansestadt Lübeck, Jan Lindenau.
Nicht zu vergessen ist der Gottesdienst am Sonntagmorgen, der von der evangelischen Kirche auf meine Anregung hin durchgeführt, vom Lübecker Shantychor Möwenschiet musikalisch begleitet und von mehr als sechshundert Anwesende gefeiert wird. Diese stets sehr begeistert wirkende Zuschauerkulisse wird den Seemannsgottesdienst, wie er übrigens offiziell genannt wird, schmerzlich vermissen.
Ich kann nicht sagen, welcher professionelle Veranstalter ein derartiges Fest, das ich ganz allein sechs Mal veranstaltet habe, durchführen könnte? Da verlasse ich mich ganz auf Ihren Rat, meine Herren. Doch einer fällt mir ein. Das ist derjenige, der das Landprogramm der Travemünder Woche in der Hand hat. Und der hat, von mir mal darauf angesprochen, das Shanty-Festival zu übernehmen, abgewunken. Ihm war sowohl das finanzielle Risiko als auch die Organisation zu groß! Andere Veranstalter winkten schon beim Stichwort »Shanty-Festival« dankend ab.
Nun, meine Herren, natürlich ist das, was ich planerisch und organisatorisch geleistet habe, nicht mit dem zu vergleichen, was ein professioneller Veranstalter, wie er Ihnen vorschwebt, zu leisten vermag und auch zu leisten in der Lage sein muss. Wer weiß das besser als Sie. Schließlich waren Sie es ja, die diesen sicher begründeten Vorschlag machten.
Und Sie, Herr Lukas, als Chef der Lübecker Marketing-Gesellschaft, kennen sicher Herrn Prof. Dr. Heribert Meffert, der auch als der Marketing-Papst bezeichnet wird, und der für mich mehr als nur ein guter Bekannter ist, auch weil er mich Manches gelehrt hat. Mag aber auch sein, dass der Name Ihnen nichts sagt, weil Sie ja aus einem anderen Stall kommen, wenn ich das einmal so sagen darf. Aber, Sie werden mir doch wohl zustimmen, wenn ich sage, dass mit dem Aus des Shanty-Festivals für Travemünde eine Marke verloren geht, die gerade dabei war, an Bedeutung zu gewinnen.
Auch Sie, Herr Kirchhoff, werden mir sicher zustimmen, dass dieses Fest mit den vielen, auch internationalen Shantychören, für Travemünde bedeutend war. Oder setze ich da bei Ihnen zu viel voraus? Denn, mit Verlaub, eine Kuh, die sich in einem Pferdestall verirrt, wird wohl niemand als edles Pferd bezeichnen.
Oder nach Wilhelm Busch:
Wenn einer, der mit Mühe kaum
Geklettert ist auf einen Baum,
Schon meint, daß er ein Vogel wär,
So irrt sich der.
Es grüßt Sie
Wolfgang Hovestädt
Geschäftsführer Kulturbühne Travemünde gUG«