VERANSTALTUNGEN
Travemünde 07.03.2015
Kulturbahnhof Travemünde: Jazz vom Feinsten: modern, cool, free.
Am gestrigen Freitag, 6. Februar 2015, konnte Travemündes Kulturchef Wolfgang Hovestädt vor Beginn der Vorstellung wieder von einigen Neuigkeiten im Kulturbahnhof berichten. Auf der Empore war der »Premium Table«-Bereich eingerichtet, also die avisierten Tische mit jeweils zwei urgemütlichen Sesseln. Wer den Kunstgenuss noch toppen will, genießt dort mit einer Flasche Sekt des Weinhauses Winkler den Abend und zahlt für zwei Personen insgesamt nur 70 Euro für Eintritt, Sekt, Sessel und Höhenluft auf der Empore mit bester Sicht und Akustik. Fast nebensächlich schien dann der Hinweis, dass die Heizung jetzt voll betriebsbereit sei und an der Theke eine kleine Vitrine eingerichtet wurde, um die leckeren Snacks noch verführerischer dem wohlfeilen Kunstpublikum anzubieten.
Clock halb 8 Uhr betrat Wolfgang Hovestädt die Bühne, begrüßte das – wie er meinte – besonders ausgesuchte Publikum. Das Annelie Ripke Trio kam nach Travemünde in den Kulturbahnhof. Alle Musiker sind seit 2014 Stipendiaten von MusikERkennen, den moderierten Themenkonzerten der Förderergesellschaft der Musikhochschule Lübeck e. V. In ihrem Travemünder Themenkonzert »Jazz 1959 – cool. free. modal.« widmet sich das Trio, unterstützt von einem Special Guest am Bass, dieser hochenergetischen »cool-modalen« Stilrichtung mit ihren Wurzeln in den 59er Jahren des letzten Jahrhunderts.
Das zunächst auf die passive Rolle des Musikhörers eingestellte Publikum wurde zum interaktiven Zuhören eingeladen und sollte Fragen beantworten, ob nun Komponiertes oder Improvisiertes gespielt wurde, wie viele Harmonien oder Akkorde unterschiedlicher Tonarten zu hören waren und welche Takte über dem Ganzen lagen.
So manch ein Oldie, der sich an die Jazzzeiten der 59er Jahre erinnerte, besann sich auf den traditionellen Jazz eines Count Basie, einer Ella Fitzgerald, auf Louis Armstrong oder Chris Barbers Jazzband mit den unvergesslichen Ohrwurm »Ice Cream« (»I scream«). Doch weit gefehlt. Die jungen Musiker führten das Publikum in das Jahr 1959, das für einen neuen Aufbruch in der Geschichte des Jazz steht.
Sie zeigten an Beispielen das breite Spektrum der damals sich entwickelnden neuen Stilrichtungen. Diese sind verbunden mit den Namen Dave Brubek, Miles Davis über Ornette Coleman bis hin zu John Coltrane – dem »modern« Jazz, mit den neuen Begrifflichkeiten wie »Cool Jazz«, dem »cool-modalen« Stil und später die Varianten des »Free Jazz«. Eingebettet in die damalige Zeit der Bürgerrechtsbewegungen in den USA spiegelte sich im Jazz eine Entwicklung, in der sich zunehmend weiße Musiker mit ihren intellektuellen Vorstellungen vom traditionellen Jazz lösten.
Für manch einen alten Jazz Fan im nachhinein ein erhellender und nicht unsympathischer Rückblick. In die Pause verabschiedete sich das erweiterte Trio mit der Jazzversion von »Fuchs du hast die Gans gestohlen«, und dem Versprechen, danach »nur noch Musik spielen zu wollen«. So oder so, sie boten Jazz vom Feinsten, vom dankbaren Publikum mit viel Applaus belohnt. KEV
Fotos Karl Erhard Vögele