POLITIK
Travemnünde 27.09.2008
Waterfront: »Der Zug ist abgefahren«
GRÜNEN-Chef Bernd Möller sieht keine Möglichkeit mehr, Waterfront-Projekt im Volumen zu begrenzen
»Der Zug ist abgefahren«, erklärte gestern Bernd Möller (Bündnis 90/Die Grünen) auf einer Veranstaltung der Travemünder Wirtschaftsgemeinschaft (TWG). Gemeint ist das Bauvolumen der Priwall-Waterfront im Bereich des Passathafens: »Da braucht man sich keine Illusionen machen, Herr Hollesen hat einen Anspruch auf ein gewisses Volumen, um sein eingesetztes Kapital realisieren zu können. Von daher: Ganz klitzeklein und hübsch ist nicht mehr«, so Möller.
Es werde möglicherweise noch Veränderungen geben. Aber die Stadt, die Mehrheitsparteien, hätten einen Vertrag abgeschlossen, der Investor Sven Hollesen ein gewisses Volumen an dieser Stelle zubilligt. »Man braucht sich jetzt keinen Illusionen hingeben, dass es da noch irgendwelche runterzonungen auf ein Geschoss oder irgendwelche Dinge geben wird, damit wird Herr Hollesen schlicht und einfach mit seinem Kapitaleinsatz nicht leben können«, so Möller.
Nicht ganz so extrem sah das heute Eckhard Erdmann von der »Bürgerinitiative Behutsame Priwallentwicklung« im Gespräch mit »Travemünde Aktuell«. »Fakt ist natürlich, dass es vorhandene Verträge gibt. Wir haben natürlich auch die Situation, dass bis zum Jahresende beide Parteien noch ein Rücktrittsrecht haben. Aus dem bestehenden Vertrag zurückzutreten«, sagte Erdmann. »Die Äußerung des Fraktionsvorsitzenden der Grünen hörte sich sehr absolut an«, erklärte er. Erdmann glaubt aber, dass »durchaus ein Verhandlungsspielraum oder zumindest ein Diskussionsraum weiterhin besteht.«
Zu den zahlreichen Zuhörern der Veranstaltung am Freitagabend, bei der Politiker zur Zukunft Travemündes befragt wurden, gehörte auch Priwall-Investor Sven Hollesen. Der freute sich über die Möglichkeiten zur Diskussion.
Im Interview mit dem »Travemünder Journal« sagte Hollesen: »Ich stelle fest, dass auch bei den Politikern unheimlich viel Information fehlt, die schon vorhanden ist. Dass viele Missverständnisse sind auch in mehreren Themen.« Das gäbe ihm nun die Möglichkeit, mit den Fraktionen Kontakt aufzunehmen und das durchzusprechen. TA
Stellungnahmen Lübecker Politiker zum Thema Priwall-Waterfront auf der Veranstaltung der Travemünder Wirtschaftsgemeinschaft am 26. September 2008:
Antje Jansen (Die Linke): Es geht ja hier nicht nur um Geldverdienen. Man muss ja auch sehen, was Touristen gerne wollen in ihrem Urlaub. Priwall ist ja eigentlich immer gewesen, dass man da mit Natur verbunden spazieren gehen konnte. Da gibt es das Naturschutzgebiet, was ja auch sehr angenommen wird. Viele Touristen lassen sich durch das Naturschutzgebiet auch führen. Diese Ruhe und dieses natürliche, das was eigentlich der Priwall immer so an sich hat, das war auch immer so ein bisschen auch so das Volksbad, sag ich jetzt mal so. Man brauchte auch früher da nie Kurtaxe bezahlen. Man konnte so an den Strand, dann sind da die Dühnen. Dieser ganze Charakter geht jetzt auch verloren. Die Waterfront ist uns einfach zu massiv. Macht alles platt, sag ich jetzt mal so. Alles wird abgeholzt. Es wird einen anderen Charakter auf dem Priwall geben. Und viele Menschen, die Urlaub machen, wollen auch einen anderen Urlaub. Sie wollen nicht nur Spaßbäder haben oder sie wollen nicht nur Massivbauten haben, oder sie wollen nicht von einem Laden zum anderen gehen. Sondern es gibt auch viele heute, auch grade Familien, die heute Urlaub machen wollen am Meer, mit einem Wald, mit anderen sportlichen Aktivitäten, mit einem Hochseilgarten, mit Abenteuer, oder irgendwie so. Das geht mit Waterfront einfach verloren. Wir möchten gern, dass die Pläne auch wieder aufgerollt werden, und dass wir auch in der Politik hier auch neu darüber diskutieren, ob dieser Bau da überhaupt notwendig ist.
Bernd Möller (Bündnis 90 / Die Grünen): Das ist erheblich zu massiv. Wir sprechen immer noch im gegenwärtigen Stadium von einer Bebauung von drei, abwechselnd zwei Geschossen, mit Staffelgeschoss eventuell. Wenn Sie sich das im Querschnitt ansehen, mit den künstlichen Dünen die jetzt vorgesehen sind, das wird massiv wirken. Ich hab anders als Frau Jansen die Vermutung, dass Her Hollesen auch dafür Interessenten findet. Nur Travemünde wird dann ganz erheblich an seinem Leitbild Schaden erleiden. Wenn das Leitbild bisher gewesen sein sollte, diese wunderbare Abwechslung, das Alleinstellungsmerkmal von Bebauung, Grünzügen, Sichtbeziehungen und ähnlichen Dingen, dann wird diese Bebauung auf dem Priwall, diese Spannung, zwischen Bebauung, auch historischer Bebauung, Grünzügen, Grünflächen und so weiter, erheblich stören. Und dann haben wir etwas, was wir von der Leitbilddiskussion her in Travemünde nicht gewollt haben. Es wird eine massive Waterfront werden, auf der anderen Seite. Sie hat auch noch funktionale Probleme mit der Promenade und ähnlichen Dingen, und das ganze Ding drückt massiv auf den Priwall und das was dort sonst noch vorhanden ist.
Am Rande des Passathafens wäre eine gewisse städtebauliche Ordnung nicht unvernünftig. Aber das, was jetzt vorgeschlagen worden ist, das hat ja mit der Landschaft nichts zu tun, es hat im Grunde mit den Kapazitäten des Priwalls nichts zu tun, und, wie ich schon sagte, es hat auch nichts mit dem Leitbild Nachhaltige Tourismusentwicklung und behutsames Bauen zu tun. Wir kennen keine anderen Investoren, die anders vorgehen würden, denn dieses Terrain ist leider auch nicht in einem EU-Konformen Verfahren ausgeschrieben worden, sondern es ist einem Investor direkt an die Hand gegeben worden.
Peter Reinhardt (SPD): Vom Grundsatz her ist das für Travemünde, für den Priwall, ersmal eine gute Entwicklung. Und der Zeitpunkt jetzt auch zu versuchen, das zu stoppen, wäre bisschen schwierig. Weil ein großer Teil ist ja schon gebaut. Nur der vordere Teil, Waterfront, das ist halt noch nicht gebaut. Das wird aber auch meiner Meinung nach nicht ein so großer Eingriff sein. Gewisse Korrekturen sind noch möglich weil F- und B-Plan ja noch nicht abgeschlossen sind, es werden ja auch noch Einsprüche möglich sein. Was ich an und für sich vermisse, deswegen ist das auch jetzt so bitter, weil wir haben vorgefundene Fakten. So. Und dass vorher nicht die Bewohnerinnen und Bewohner, die Bevölkerung von Travemünde mit einbezogen worden ist. Denn wir wollen die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger. Jetzt die Bürgerinnen und Bürger zu beteiligen, das ist vom Ansatz her schon zu spät. Man kann noch ein Teil versuchen abzuspecken. Aber dann ist das, was man dann sagt: Investoren, die wollen wir auch nicht verschrecken. Investoren brauchen auch Sicherheit. Also man hätte vorher drauf achten müssen, die politisch verantwortlichen. Und die Bürgerinnen und Bürger vorher mit beteiligen sollen. Dann wäre es viel einfacher. Wir wollen natürlich auch, dass Campen drüben auf dem Priwall möglich ist. Es muss ein Ort sein für alle. Für Familien. Da gehören natürlich dann auch für Kinder Spielplätze etcetera, das ist auch noch nicht vorhanden. Also es ist noch viel zu tun. Es ist noch viel zu kritisieren. Aber ich bin der Meinung, wir kriegen das schon hin.
Andreas Zander (CDU): Ich gehöre zu den einen, die das ganz deutlich als einen Glücksfall für die Entwicklung Travemündes und auch des Priwalls ansehen. Dass dort ein Investor ist, der mit Geld droht, der eine Entwicklung bringen will, die hier 3000 Betten bekommt. Und jeder, ein Investor, auch ein Bewohner, hat das Recht auf ein rechtmäßiges Verfahren, dazu gehören auch Bebauungspläne. In diese Verfahren herein wird es Anwohner-Anregungen geben. Diese Pläne, die jetzt da sind, sind noch nicht 1:1 gebaut. So realistisch sind wir auch. Dass da im Detail noch gefeilt werden muss, ist eigentlich klar. Dass es da auch noch einige Fragen zu beantworten gibt, auch das ist noch klar. Grundsätzlich ist es ein richtiges, zukunftsweisendes Projekt für Lübeck und für Lübeck-Travemünde. Und auch für den Priwall. Der Dornröschenschlaf des Priwalls bis zur Öffnung der Zonengrenze ist Gott sei Dank vorbei. Und hier in Lübeck gibt es zwei Möglichkeiten, in Zukunft richtig Geld zu verdienen. Das eine wird der Hafen sein, das zweite der Tourismus. Und wenn wir nicht in Travemünde eine Bebauung für den Tourismus machen wollen, wo denn dann?
Nochmal: Wir haben jetzt eine Grundsatzentscheidung. Das ganze Detail wird nachher im Bebauungsplan aufgestellt. Und dann wird man sehen, was es dort für Anregungen gibt. Das sind ja dann auch fachkundige Leute, die dabei sind aus der Verwaltung. Es gibt auch noch andere Leute, die dort sicherlich mitmachen. Keine Ahnung, ob der Gestaltungsbeirat ins Spiel kommt, wer auch immer. Und dann wird man sehen, ob es nicht in einzelnen Bereichen andere Bebauungen geben muss als die, die derzeit geplant sind. Und insofern: Warten wir erstmal ab, was da am Ende bei rauskommt. Grundsätzlich ist es aber richtig, dass eine Bebauung kommt.
Gerrit Koch (FDP): Es ist ja die Grundsatzfrage, wollen wir touristische Entwicklung oder wollen wir sie nicht. Und wir haben jetzt hier tatsächlich die greifbare Möglichkeit, die Bettenzahl, und darum geht es ja, wenn wir hier über Belebung sprechen, dass wir die erhöhen können. Und das ist hier in greifbarer Nähe. Und, wie Herr Zander schon sagt, wir befinden uns noch in dem Verfahren. Und da darf ich als Jurist eben auch drauf hinweisen: Die Bürgerbeteiligung ist ein grundlegender Bestandteil des B-Plan-Verfahrens, sogar an mehreren Stellen. Jeder ist dazu aufgerufen, Bedenken und auch Vorschläge, konstruktive Vorschläge, einzubringen.
Ich bin durchaus dafür. Aber ich hoffe auch, dass die Infrastruktur drumherum dann stimmt, so dass es eben nicht nur Betten sind, sondern dass auch für die Bürger, die dort schon leben und andere Touristen dort etwas geboten wird.
Dr. Reimund Mildner (Bürger für Lübeck): Die touristische Entwicklung auf der Priwall-Seite mit einem Waterfront-Projekt, wie immer es denn hinterher aussehen wird, begrüßen wir auf jeden Fall. Das ist doch gar keine Frage. Das andere, ob man nun sozusagen die Berechtigten Anliegen von verschiedenen Gruppen auf dem Priwall nun unbedingt in einem Rechtsverfahren durchsetzen muss, oder ob wir Herren Hollesen nicht auffordern können zu sagen, dieses konstruktive Gespräch zu suchen, und sozusagen mit seinem Nachbarn gemeinsam die Dinge gemeinsam und positiv zu entwickeln, da würde ich eher sagen, lass uns nicht den Rechtsweg beschreiten, sondern lass uns das Gespräch suchen. Das wäre mein Appell hier auch an Herrn Hollesen. Und in sofern würden wir sozusagen in diesem Sinne das Projekt auch gerne begleiten. Ich darf noch auf einen zweiten kleinen Aspekt hinweisen, der ja auch etwas mit dieser Doppelschiffigkeit der Trave zu tun hat. Manche stellen das so weg, dass das irgendwie in der Zukunft ist. Ich halte das für einen relativ wichtigen Gesichtspunkt, den man sehr sorgfältig bedenken muss. Und der möglicherweise auch einen ganz wichtigen Einfluss haben wird. Im übrigen ist es auch so, dass ich denke es sind nicht nur die Priwall-Nachbarn, sozusagen, die berechtigte Anliegen haben, sondern eben auch sozusagen auf dem Festland die verschiedenen Gruppen. Und auch da würde ich Herren Hollesen auffordern, sozusagen das Gespräch zu suchen, und seine Pläne bestmöglich in das Gesamtgefüge einzubringen.
Dr. Hildegund Stamm (Lübecker Bunt): Grundsätzlich sind wir persönlich eigentlich durchaus angetan von der bisher entstandenen Ferienhaussiedlung, die ist sehr gelungen, finde ich. Eine Aufwertung des Priwall. Es ist eigentlich auch unglaublich, dass diese Perle, die ja direkt vor unserer Haustür liegt, so ungenutzt blieb für so lange Zeit. Und eigentlich sind wir auch dem kompletten Projekt gegenüber aufgeschlossen. Sicherlich hätten wir auch Bedenken, wenn das jetzt städtebaulich gegenüber der etwas puppigen, zierlichen Seite von Travemünde dann allzu sehr hervorsticht. Oder einfach nicht harmoniert, nicht passt. Es ist natürlich auch wünschenswert, das grüne Interessen, Umweltbedenken, und auch Anwohner-Interessen mit berücksichtigt werden bei der zukünftigen Planung. Aber ich hab bisher den Eindruck, dass das im Prinzip eine gute Idee ist, dieses ganze Gelände aufzuwerten. Derzeit ist das Gelände eigentlich nicht attraktiv. Soweit es nicht schon verschönert wurde durch die Bauten von Herrn Hollesen.