Travemünde 30.09.2007
Raue Zeiten
Vier Seebären erzählen von der Äquator-Taufe an Bord der »Passat«
»Wenn ich gewusst hätte, was die alles einnehmen und trinken mussten dann hätte ich das verboten«, soll der Bord-Arzt bei der letzten Reise der Viermastbark »Passat« über die berüchtigte »Äquator-Taufe« gesagt haben. Uwe Fischer aus Kiel, Gerd Rosenkranz aus Molfsee, Ulf Petzel aus Ahrensbök und Uwe Hansen aus Lübeck sind auf der letzten Reise von Juli bis Dezember 1957 mitgesegelt. Was sie als Matrose, Leichtmatrose und Schiffsjunge erlebten, haben sie nicht vergessen. Bei einem Treffen auf der Viermastbark »Passat« 50 Jahre später in Travemünde erzählten sie, wie das so war mit der Taufe am Äquator.
Die, die Glück hatten, wurden in die Vorpiek ganz unten im Bauch des Segelschiffes hinunterbugsiert. Die, die man besonders drangsalieren wollte, kamen in den Schweinestall am Deck, ein halbes Dutzend Männer in einem engen Käfig, auf den die Sonne knallte. Die holte man zuletzt. Erst kamen die Jungs aus dem Schiffsbauch dran. Da unten gab es natürlich keine Toilette, und da roch es, denn nur alle halbe Stunde wurde die Pütz (ein Eimer am Band) hinuntergelassen, und der war immer voll.
Einer nach dem anderen wurde zur Äquatortaufe an Deck geholt. Zwanzig Meter robbten die Männer dann mit zusammengebundenen Händen zur Taufzeremonie. Die aus dem Schweinstall würde man später hinschleifen müssen.
Wer die Taufe durchführte, hatte sich kostümiert: Der »Pastor« schlug dem Täufling mit dem Kreuz auf den Rücken. Da war ein kleiner Nagel drin. Das Kreuz schob er auf dem Rücken schon mal ein bisschen hin und her. Als »Schnaps« bekamen die Täuflinge dann Separator-Öl eingeflößt, das man nicht bei sich behalten konnte. Hart an der Grenze zur Gesundheitsschädigung.
»Pillen« aus Sägemehl und scharfen Gewürzen wurden mit Salzwasser-Spritzen reingespült. Und der »Doktor« im weißen Kittel setzte die Täuflinge auf einen Hocker, aus dem sich per Fußhebel eine Segelnadel hob.
Mit einer Kleister-Masse, die sich nur mit Terpentin leidlich wieder entfernen ließ, war dann der »Friseur« zugange. Die Männer waren bald nicht mehr zu erkennen.
Durch einen mannshohen Segeltuchschlauch mussten sie dann noch kriechen, in den von beiden Seiten ein Wasserschlauch gehalten wurde. Und wo sich etwas wölbte unterm Segeltuch, da wurde von außen draufgekloppt.
Erst dann kam die eigentliche »Taufe«, die Seemänner wurden an ein Wasserbecken aus Segeltuch gesetzt und dreimal untergetaucht, dass man denkt, man erstickt.
Ganz zum Schluss mussten sie zum kostümierten Meeresgott Neptun kriechen und seiner Tochter Thetis den Fuß küssen. Der war natürlich mit einer schleimigen Masse eingeschmiert. Wer nicht nah genug herankam, dem Wurde der Kopf draufgedrückt.
Die jungen Seeleute fühlten sich danach krank, manche auch länger. Aber gefeiert haben sie alle. Es gab ja Freibier, um nachzuspülen. Oder das eine oder andere wieder rauszuspülen aus dem Magen.
Raue Sitten damals, aber alle bekommen leuchtende Augen, wenn sie von früher berichten. Geschichten, die gern erzählt und die gern gehört werden. HN