ORTSGESCHEHEN 4 1
Travemünde 15.07.2015
»Dreihundert wäre ein Preis gewesen, wo ich nicht gezuckt hätte«
Kaufinteressenten für die Wiekstraße sprechen am Donnerstag im Sonderausschuss
»Herr Peschel ist der einzige Interessent«, schrieb der Lübecker Wirtschaftssenator Sven Schindler (SPD) am 13. August 2014 an den Lübecker Bürgermeister Bernd Saxe (SPD). Am Donnerstag trifft Schindler im »Sonderausschuss Wiekstraße« auf vier weitere Kaufinteressenten, die das vermutlich ein bisschen anders sehen. Sie waren längst bei der Stadt als Interessenten für die Immobilie vorgemerkt, aber über den Verkauf nicht informiert worden. Einer von ihnen ist Diplom-Ingenieur Lothar Laszig, der auf dem Priwall lebt und arbeitet.
Lothar Laszig ist ein Investor, wie ihn sich eine Stadt nur wünschen kann: Er lebt selbst da, wo er investiert. Kauft marode Gebäude, saniert sie von Grund auf. Und sorgt damit für eine Aufwertung seiner Wohngegend. Auf dem Priwall hat er das schon zweimal gemacht, etwa mit einem Abbruchhaus aus den 1930er Jahren. Im Jahre 2013 wollte er wieder investieren und stieß dabei auf das ehemalige Wohnheim. »Das Gebäude hat ja eine Form, die heute fast schon wieder modern ist. Dieses etwas kubische mit den relativ glatten Fronten«, schwärmt der Fachmann. »Man kann das durchaus modern gestalten, ohne es abreißen zu müssen«, sagt er. Das war für ihn Anlass, sich um das Gebäude zu bemühen. Er wollte es im Kern sanieren: Schallisolation, neue Elektrik, neue Wasser Ver- und Entsorgung, alles auf den aktuellsten Stand bringen. Dann einen Teil der Räumlichkeiten für sein Ingenieurbüro nutzen und den Rest als Wohnungen vermieten oder verkaufen. Sechs bis acht Wohnungen wollte er so auf dem Priwall schaffen. Das Gesamtprojekt schätzt er auf 2 Millionen Euro. Für ihn eine »kalkulatorisch harmlose Lösung«, denn er kennt den Immobilienmarkt auf dem Priwall ja aus Erfahrung. »Die Preise hier kennen wir recht gut, was man da für Mieten und Verkaufspreise erzielen kann.« Lothar Laszig führte Vorgespräche mit seiner Bank. »Die sah das auch ganz entspannt«, sagt er. Also erkundigte er sich bei der Stadt: »Ich hatte erst Herrn Strätz (Leiter der Liegenschaftsamtes, Anm. d. Red.) kontaktiert und nach dem Sachstand gefragt«, erzählt Lothar Laszig. Der hätte dann an eine Mitarbeiterin verwiesen, der Laszig eine Email schickte. Die Mitarbeiterin hatte dann zugesagt, dass er informiert werde.Im Frühjahr 2014 hätte er dann wieder telefonisch nachgehakt, erzählt Lothar Laszig weiter. »Da hieß es, das ist nach wie vor in Bearbeitung. Mein Interesse sei dort präsent und man würde mir das zukommen lassen, wenn es soweit ist.« Er verließ sich auf die telefonische Bestätigung seiner Interessenbekundung. »Und das nächste was ich dann gehört habe war, dass es verkauft ist.«Die Hansestadt Lübeck hatte die Ausschreibung abgebrochen und für 240.000 Euro an einen anderen verkauft. Ohne die übrigen, aktenkundigen Kaufinteressenten zu informieren. Nachdem der Lübecker Unternehmer Thomas Görß mit Berichten in »Travemünde Aktuell« und dem »Wochenspiegel« öffentlich gemacht hatte, dass er unbesehen 20.000 Euro mehr geboten hatte, der Lübecker Wirtschaftssenator Sven Schindler (SPD) das höhere Angebot aber abgelehnt hatte (TA berichtete), wurde die Politik aktiv. In der Folge beschloss die Lübecker Bürgerschaft den Sonderausschuss, um den Vorgang zu untersuchen. Dabei hätte die Stadt noch einiges mehr aus dem Grundstücksgeschäft herausholen können. Schon auf dem »Liberalen Stammtisch« der FDP im Februar hatte Laszigs Partnerin Angelika Bog erklärt: »Mein Mann hätte 300.000 Euro gezahlt« (TA berichtete). Das ist auf den Euro genau die Summe, die jetzt auch ein neuer Gutachter ermittelt hat (TA berichtete).»Das ist eigentlich relativ einfach zu begründen, wo der Preis herkommt«, sagt dazu Lothar Laszig. Er hätte das Gebäude mit Null bewertet. Die Gebäudesubstanz könne man nutzen, aber sie hätte keinen Wert, weil man ja für viel Geld entkernen müsste. Und das reine Grundstück ohne Gebäude hätte einen Gutachterwert, der öffentlich für jeden einsichtig sei. Der Grundstückswert sei 300.000 gewesen. Abbruchkosten hat er nicht abgezogen. »Wenn ich nicht abreiße, brauche ich keine Abrisskosten«, sagt er. »Dreihunderttausend wäre ein Preis gewesen, wo ich nicht gezuckt hätte.«Die jetzt durchgeführten Arbeiten seien keine Kernsanierung, erklärt der Diplom-Ingenieur noch auf Nachfrage von »Travemünde Aktuell«. Insofern glaubt er auch nicht an die 680.000 Euro Sanierungskosten, die in der letzten Sitzung des Sonderausschusses genannt wurden. Wenn er Arbeitszeit, Handwerker- und Materialkosten überschlägt, kommt er auf 210.000 Euro für die jetzt durchgeführten Arbeiten. Mit dem Mietvertrag durch die Stadt müsste die Investition für Haus und Renovierung nach fünf Jahren wieder drin sein, schätzt er. »Das refinanziert sich relativ schnell.« Er geht auch davon aus, dass unter den Bedingungen, dass zurückgemietet wird, noch weitere Bieter gekommen wären, die schon aus kommerziellen Gründen so etwas kaufen wollen. »Sowas treibt ja auch die Preise hoch«, weiß Lothar Laszig. Sein Fazit: »Aus meiner Sicht ist das ein Verfahrensfehler gewesen zum Schaden der Stadt. Die hätten einfach diese Ausschreibung konsequent durchziehen müssen.« TA