VERANSTALTUNGEN
Niendorf/Ostsee 05.07.2015
Jazz Baltica: Liebes-Balladen und Hamburg im Film
Die Jazz Baltica begeisterte die Fans und viele Zaungäste rund um das alte Hafenbecken von Niendorf auch am Sonnabend. Obwohl der Leiter Nils Landgren aus Anlass des 25-jährigen Bestehens viele gute Bekannte eingeladen hat, beschert das Jazzfestival auch immer wieder Neues.
Zum Beispiel gestern. In der großen Halle der Evers-Werft spielte ein Trio aus Skandinavien ein eher besinnliches Programm, Musik zum intensiven Zuhören. Dabei stellte sich eine bei uns kaum bekannte junge Kontrabassistin aus den USA vor.
Kristin Korb studierte und lehrte in Kalifornien. Bei einer Europatour verliebte sie sich in Kopenhagen, siedelte schließlich vor drei Jahren aus der Neuen in die Alte Welt. Erfahrungen und Gedanken verpackt sie in ihre Songs. Hintergründe erzählt sie mit Charme und stillem Humor: Balladen von der Liebe in mehreren Fällen. Einer der Titel heißt »Fiftyeight Boxes« – 58 Umzugskisten kamen mit dem Frachtschiff, und erst mit dem Lieblingsbecher für den Morgenkaffee fühlte sie sich in der neuen Heimat »zu Hause«. Per Zufall hat ihr Bass-Lehrer vor vielen Jahren ihre Singstimme entdeckt, und die setzt sie gut und gern ein: klar, schnörkellos, ohne Druck, unaufwändig, aber menschlich überaus überzeugend.
Sie hatte gute Mitstreiter, den versierten Pianisten Magnus Hjorth, dessen perlende Läufe einfach saßen.
Dazu Snorre Kirk, den Schlagzeuger, der manches Mal nur mit dem Besen arbeitete und Grundierung schuf. Ein sympathischer skandinavischer Beitrag, bei dem Dänemark, Norwegen und Schweden vereint waren.
Ungewöhnlich war der zweite Teil dieses Konzertes. Die NDR Big Band spielte nicht aus dem Repertoire, sondern lieferte den Soundtrack zu einem Film, der natürlich auf der Leinwand über dem Orchester zu sehen war. Ein Hamburg-Film, aber keiner aus der Tourismuswerbung. Unter der Überschrift »STADT – Theatre of Imagination« hat Timo Großpietsch Szenen einer Stadt zusammengestellt, die nie schläft. Es hätte New York, es hätte Paris sein können. Aber manchmal war es erkennbar Hamburg. Ungewöhnliche Blicke konnte man tun, zum Beispiel aus dem Führerhaus der Hochbahn oder von oben auf Wasser- und Landwege. Grafische Spiegelungen waren ebenso eingeflochten wie real Erkennbares: Bürgermeister Olaf Scholz, von hinten beim Gang durch seine Verwaltungsflure. Arbeit und Leben, Spiel und Sport, Freude und der Tod waren zum Kaleidoskop aus Gefühlen und Gefahren zusammengestellt.
Dazu hat der polnische Komponist und Pianist Vladyslav Sendecki eine Musik geschrieben beziehungsweise die Motive vorgegeben, die Bandleader Wolf Kerschek arrangierte und mit dem Orchester umsetzte. Großflächige Klangbilder entstanden, Tonmalerei mit Einzelstimmen als Kontrast, zupackender aufreizender Gesamtklang ebenso. Hilfreich wäre es gewesen, dem Publikum ein paar erklärende Sätze mit auf die lange musikalische Reise zu geben. Wer das Programm nicht vorher studiert hatte, tappte womöglich einige Zeit im Ungewissen.
Die 25. Jazz Baltica endet am Sonntag. Einzelheiten des Programm sind unter www.jazzbaltica.de zu finden. TD